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Janosch Janglo, Neue Internationale 150, Juni 2010

Das Bier ist kühl gestellt und an jeder Ecke gibt es reichlich nationalistischen Klimbim zur Unterstützung von Jogis Kickertruppe. So soll der Arbeiterklasse in Krisenzeiten auch noch der letzte Cent aus der Tasche gezogen werden. Längst hat die Bourgeoisie den einst geschmähten proletarischen Sport als lukrative Profitquelle für sich entdeckt.

Nach dem Motto "Brot und Spiele" sollen nun auch die SüdafrikanerInnen ihren trostlosen Township-Alltag vergessen angesichts der protzigen neuen Stadien und der Touristen aus aller Welt. Doch allen Werbekampagnen der FIFA zum Trotz verschärft die WM aber das Elend der SüdafrikanerInnen und füllt in erster Linie die Taschen der FIFA.

Schattenseiten des Spektakels

Südafrika gilt international als wichtiger Umschlagplatz für den modernen Sklavenhandel. Viele Kinder kommen aus Mosambik, Angola, Botswanna, dem Kongo und Lesotho. Sogar aus Thailand und Russland werden Kinder geschmuggelt und, wenn sie „verbraucht“ sind, in andere Länder weitergeleitet. Allein aus Mosambik werden schätzungsweise jährlich etwa 1.000 Mädchen als Sexsklavinnen oder als Ehefrauen für Minenarbeiter nach Südafrika verkauft.

Die WM wird mit den 450.000 überwiegend männlichen Fussballfans dieses Geschäft befeuern. So rechnen die Behörden während der WM mit einem Boom bei Menschenhandel, Entführungen und Kinder-Prostitution. Die örtlichen WM-Organisatoren rechnen mit zusätzlichen 40.000 Prostituierten. Schon jetzt werden in der Nähe von Klassenräumen Bilder der "Waren" geschossen, die dann in Katalogen zum Verkauf angeboten werden. Da die Schulen während der WM geschlossen bleiben, sind diese Kinder in den überfüllten Fan-Zonen der Innenstädte besonders gefährdet.

An sich ist Prostitution in Südafrika illegal. Doch die Betroffenen haben kaum eine Chance, Missbrauch anzuzeigen, denn die korrupte Polizei toleriert das Gewerbe und kassiert oft selbst mit ab. Prostituierte haben auch keine Verhandlungsmacht, um die Anwendung von Kondomen zu fordern. Deshalb sind sie besonders gefährdet, sich mit Geschlechtskrankheiten und HIV zu infizieren.

WM kontra soziale Rechte

„Unsere“ deutschen Edel-Kicker haben sich für die WM ein Fünf-Sterne-Hotel für 2,5 Millionen Euro gebucht. Dagegen müssen 18 Millionen SüdafrikanerInnen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Jeder Vierte der 50 Mill. Einwohner ist arbeitslos und - als Folge der rassistischen Spaltung unter der Apartheid - 95% der Armen sind Schwarze.

Die Hoffnung vieler SüdafrikanerInnen, von den 4,5 Milliarden Euro, die der südafrikanische Staat in Infrastruktur und WM-Stadien investiert, wenigstens etwas zu „profitieren“, erweist sich schon jetzt zum großen Teil als Illusion. Die WM-Investitionen gehen tw. zu Lasten der Sozialausgaben. So hat z.B. der Stadtrat von Johannesburg wegen Überschreitung der Baukosten des WM-Stadions seinen Haushalt um 90 Mill. Euro gekürzt. Auch Hütten und Häuser vieler Armer müssen den Stadionbauten weichen. Insgesamt geht die UNO von 20.000 Menschen aus, die für die WM zwangsumgesiedelt wurden. So mussten in der Armensiedlung Umlazi im Süden Durbans die Bewohner Hals über Kopf ihre Hütten räumen, weil sie zu dicht an der zukünftigen Trainingsarena für die WM-Mannschaften standen. Inzwischen hat die FIFA entschieden, die WM-Teilnehmer in Hotels unterzubringen - das Stadion im Umlazi wird als Trainingsstätte gar nicht gebraucht.

Die meisten von Ihnen wohnen jetzt in Wellblechhütten, weit entfernt von Freunden und Verwandten, von Geschäften und ihren Jobs. Damit steigen allein die Fahrkosten für viele Familien drastisch, weil die ArbeiterInnen und Schulkinder jeden Tag in die Stadt fahren müssen. Die Umsiedlungen reißen Gemeinschaften und soziale Beziehungen auseinander. Diese sind aber in einem Land, in dem weder die Gesundheits- noch die Altersvorsorge funktionieren, für viele Menschen überlebenswichtig.

Proteste gegen diese Vorgänge im Schatten des offiziellen WM-Glimmers gibt es aus Angst vor Repressionen nicht sehr viele. Jeder, der sich weigert umzuziehen, kann nach dem neuen Slumgesetz für fünf Jahre ins Gefängnis wandern.

Andere Townships wie "Joe Slovo" mit 20.000 Einwohnern, das ebenfalls umgesiedelt werden sollte, weil es an der Strecke vom internationalen Flughafen nach Kapstadt liegt, haben durch Proteste erfolgreich ihre Zwangsumsiedelung verhindert.

Nicht nur die Townships sind ein Dorn im Auge der WM-Organisatoren, sondern auch die Obdachlosen. Sie werden von der Polizei ebenso von der Straße „gesäubert“ wie obdachlose Kinder, die mit Lastwagen in „safe areas“ gebracht werden. Augenzeugen berichten, dass die Polizei dabei mit extremer Brutalität vorgeht und auch vor dem Einsatz von Pfefferspray nicht zurückschreckt. Um die Kriminalität während der Fußball-WM einzudämmen, hat der Polizeichef Südafrikas gefordert, dass seine Beamten sogar den gezielten Tötungsschuss abgeben dürfen.

All diese Maßnahmen sichern die Milliarden-Profite der FIFA. Bettler vor den Kaufhäusern würden ja die Kauflaune der Touristen stören. Auch das Essen soll natürlich nicht beim Straßenhändler gekaufen werden, sondern bei den von der FIFA bestellten teuren Cateringfirmen. Rund eine halbe Million Straßenhändler, von denen das Überleben von Millionen Menschen und ihren Familien abhängt, werden aus den Stadionbereichen ausgeschlossen. Um unbequemer Meinungsbildung bezüglich der Machenschaften der FIFA vorzubeugen, dürfen im Umkreis von 800 m rund um die Stadien keine Zeitungen verkauft werden. Ebenso behält sich die FIFA das Recht vor, Akkreditierungen auch für ganze Redaktionen nach unliebsamer Berichterstattung zurückzuziehen.

Reclaim the game!

Aber nicht nur für den Großteil der SüdafrikanerInnen, auch für die Fußballfans ist die WM kein wahres Freudenfest. Von den rund 3 Mill. Eintrittskarten gehen allein schon 1,5 Millionen an Sponsoren, VIPs, Verbände und TV-Rechte-Inhaber. Das restliche Kontingent dürfte eher an ausländische Fans gehen, denn Ticketpreise von bis zu 650 € sind für den Großteil der südafrikanischen Bevölkerung unerschwinglich.

Aber auch die Lohnabhängigen aus westlichen Ländern können sich kaum eine Reise zum Turnier leisten. Angesichts von Preisen um die 3.000 € für einwöchige WM-Pauschalreisen können sie sich die WM nur im Fernsehen ansehen. Kein Wunder also, das in Deutschland bisher nur 35.000 Tickets verkauft wurden.

Was hier zählt, ist nicht die Fankultur, sondern das Megageschäft, mit dem die FIFA mehr Umsatz macht als manch großer Konzern. Seit 2003 machte die FIFA - in der Schweiz als nicht gewinnorientierter Verein registriert - durch Verkauf von Marketing- und TV-Rechten mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn. 1970 waren es noch gerade sechs Millionen.

Auch hierzulande verbuchen DFL und DFB aus dem Fußballgeschäft Rekordeinnahmen. Um an diesem Kuchen teilzuhaben, führen die Vereine, die mittlerweile zu stinknormalen Unternehmen oder sogar Aktiengesellschaften verkommen sind, einen harten Konkurrenzkampf auf Kosten der Fans.

Um Stadionneu- und Umbauten zu finanzieren, verschwinden zunehmend billige Stehplätze für teure Sitzplätze und VIP-Loungen. Der Fan wird so immer mehr zur Staffage, einzig dazu da, abgezockt zu werden. So wird gewachsenes proletarisches Fan-Milieu weltweit durch die Bourgeoisie und ihre Fußballmanager zugunsten einer konsequent gewinnorientierten Fußballindustrie zerstört.

Oft sind Fußballfans aber auch Versuchskaninchen für den Ausbau von Polizeirepression: Videoüberwachung, namentlich ausgestellte Eintrittskarten, Präventivhaft, Grenzkontrollen trotz Schengen Abkommen, Hooligan-Dateien oder eben übermäßige Polizeigewalt selbst in den Stadien, die oft erst Gewalt der Fans provoziert.

Große Turniere wie die WM in Südafrika haben natürlich gerade in Krisenzeiten auch eine nicht zu unterschätzende ideologische Funktion. Der Bevölkerung wird klassenübergreifend nationale Begeisterung und Einheit abgefordert. Bei solchen Events steht also der eigentliche Sieger schon vorher fest: Konsumterror und dröhnender Nationalismus.

Linke sollten deshalb gemeinsam mit Fans für selbstverwaltete Fan-OrdnerInnen-Dienste eintreten, die gegen Gewalt und rassistische Provokationen in den Fankurven vorgehen. Bullen haben in und vor Stadien nichts zu suchen!

Nein zu „Hooligan-Dateien", Präventivhaft und namentlich gekennzeichneten Eintrittskarten! Fanklubs sollten selbst Stadionverbote aussprechen und auch durchsetzten können. Alle Sportereignisse müssen kostenlos per TV zur Verfügung stehen! Fans müssen wieder die Kontrolle über ihre Vereine erhalten - Manager und Geschäftemacher raus!

Der Kampf gegen Repression und Geschäftemacherei im Fußball kann aber nur erfolgreich sein, wenn er mit dem Kampf gegen die Krise verbunden wird. Besonders eng wird diese Beziehung gerade auch in den Sportartikel-Konzernen, die Milliarden mit überteuerten Marken-Artikeln verdienen, die meist von asiatischen BilliglöhnerInnen hergestellt werden.

Denn letztlich richtet sich der Kampf einer von Entlassung oder Kurzarbeit bedrohten Belegschaft, der Kampf gegen Überausbeutung und Frauenunterdrückung gegen denselben Feind: die Bosse, Manager und Großaktionäre.

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Nr. 150, Juni 2010
*  Mega-Sozialraub der Regierung: Klassenkampf gegen die Kürzungswelle
*  Heile Welt
*  Europa: EU in der Krise
*  Griechenland: Am Scheideweg
*  1.-4. Juli: Europäisches Sozialforum: Lasst sie für ihre Krise zahlen!
*  Behr Stuttgart: Totgesagte leben länger
*  Ausschlussdrohungen gegen oppositionelle MetallerInnen: Schluss mit der Repression!
*  9. Juni: Auf zum Bildungsstreik!
*  Sexismus und Medien: Das öffentliche Weibchen
*  Fußball-WM: Unternehmen Fußball
*  Pakistan: UHS-Streik braucht Unterstützung!
*  Thailand: Lehren einer Revolte
*  Ölpest im Golf von Mexiko: Deep Watergate
*  Angriff auf Schiffskonvoi für Gaza: Israelische Armee ermordet FriedensaktivistInnen!