Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Nasserismus und "Arabische Revolution"

XXI. Die Niederlage im Krieg von 1948/49 diskreditierte alle bürgerlichen Politiker in Ägypten. Es überrascht nicht, dass diese Erniedrigung in der Armee am schmerzlichsten zu spüren war: Der Putsch erfolgte in Ägypten 1952. Seine organisatorische Kraft war die Bewegung der "Freien Offiziere", innerhalb derer Gamal Abdul Nasser die führende Person war. Aus der unteren Schicht des Kleinbürgertums kommend, war Nasser ein undogmatischer Nationalist, der entschlossen war, die Briten aus Ägypten hinauszuwerfen und sein Land auf den Weg zur eigenen Entwicklung zurückzuführen. Während des nächsten Jahrzehnts griff er pragmatisch und eklektisch Panarabismus und die Verstaatlichung der Wirtschaft als diesen Weg auf. Die einzige unmittelbare gesellschaftliche Maßnahme bestand in einer weitgehenden Landreform, die eine ansehnliche Klasse von wohlhabenden Bauern hervorbrachte - eine solide gesellschaftliche Basis für den ägyptischen Bonapartismus.

1954 zwang Nasser die Briten, einem Zweijahresplan zum Truppenabzug vom Suez-Kanal zuzustimmen. Außerdem weigerte er sich, einem von den USA gegen die Sowjetunion organisierten Bündnis arabischer Staaten im Kalten Krieg beizutreten; er wollte zwischen beiden Blöcken stehen, aber durchaus aus der Bereitwilligkeit der UdSSR, blockfreien Ländern Hilfe zu gewähren, seinen Nutzen ziehen. Der Widerstand der USA und Großbritanniens gegen das Projekt des Assuan-Staudammes zwang Nasser, den Suez-Kanal zu verstaatlichen, um die daraus gewonnenen Einkünfte zur Finanzierung des Staudammes zu verwenden. Großbritannien, Frankreich und Israel griffen Ägypten daraufhin an, aber der Widerstand der Araber, die sowjetische Unterstützung dafür und die Feindschaft der USA gegen Englands einseitiges Vorgehen (das das Bündnissystem der USA selbst gefährdete) führten zur Niederlage Frankreichs und Großbritanniens und zum Abzug ihrer Truppen.

In diesem Konflikt war es richtig, dass Revolutionäre in Frankreich und Großbritannien eine defätistische Politik verfolgt haben, von der UdSSR eine bedingungslose Bewaffnung Ägyptens verlangten und kein Vertrauen auf den US-Imperialismus und auch keine Unterstützung an ihn gaben.

Nassers Triumph war größer als alles, was arabische Staatsmänner jemals erreicht hatten. Ein Jahrhundert voll von Demütigungen für das ägyptische Volk und die Araber war symbolisch gerächt. Während der nächsten elf Jahre verfügte der Nasserismus in der arabischen Welt über überwältigenden Einfluss. Nassers Ansehen als Führer der ägyptischen Revolution verbreitete sich in der gesamten Region; ein Jahrzehnt hindurch schien Nasser für Millionen die Verkörperung der arabischen Revolution zu sein. Ägypten schien unter seiner Führung dazu bestimmt, einen geeinten arabischen Staat zu schaffen und nicht nur den Einfluss der geschwächten und erniedrigten Briten, sondern auch der neuen Hegemonialmacht, den USA, zu brechen.

Ein arabischer Nationalismus entwickelte sich rasch in den meisten bedeutenden arabischen Staaten. In Syrien wurde die Baath-Partei nach ihrer Fusion mit Houranis "Sozialistischer Partei" zur dynamischsten politischen Kraft. Sobald sie einmal die vorherrschende Kraft innerhalb der Regierung darstellten, schlugen die Baathisten eine Union zwischen Ägypten und Syrien vor. Nasser zögerte zwar, aber als Führer der "Arabischen Revolution" konnte er dies schwerlich ablehnen. Die "Vereinigte Arabische Republik" erbiickte 1958 mit einer neuen bonapartistischen Verfassung und Nasser als Präsidenten das Licht der Welt. Der arabische Nationalismus hatte seinen Gipfelpunkt erreicht.

Aber die Bedingungen, die den ägyptischen Bonapartismus hervorgebracht hatten - eine Landreform, die die Großgrundbesitzer vertrieben und die reichen Bauern begünstigt hatte; die diskreditierten und gespaltenen Oppositionskräfte (ob islamischer, stalinistischer oder bürgerlich-konservativer Art) existierten in Syrien nicht. Die syrischen Baathisten, die erwartet hatten, dass Nasser durch ihre Partei Syrien regieren würde, gingen, schnell eines Besseren belehrt, in Opposition. Ebenso brach zwischen dem Irak und der "Vereinigten Arabischen Republik" ein heftiger Zwist aus, der allen Hoffnungen auf eine Ausweitung einer arabischen Staatenunion einen vernichtenden Schlag versetzte.

Währenddessen griff Nasser, angesichts der Feindschaft des Imperialismus und des Wirtschaftsboykotts, zu einer Reihe weitreichender Verstaatlichungen und staatskapitalistischer Maßnahmen - völlig im Einklang mit seinem bonapartistischen Regime. Er wollte eine - kapitalistische - Entwicklung fördern, aber die ihm feindliche Bourgeoisie mit ihren vielfältigen Verbindungen zum britischen, französischen und amerikanischen Imperialismus nicht stärken. So verstaatlichte er die Baumwollexportfirmen, Banken und Finanzinstitutionen und 275 größere Industriebetriebe; eine weitere Landreform weitete seine Basis in der Bauernschaft aus.

Die Anwendung dieser Maßnahmen auf Syrien, einem Land mit einer stärkeren Bourgeoisie in Stadt und Land, entfremdete ihm die Rechten. Die Kommunisten waren ihm bereits feindlich gesonnen, daher brachte Nasser alle besitzenden und politisch Einflussreichen Klassen gegen sich auf. Im September 1961 stürzte ein Putsch die ägyptischen Statthalter und das erste Experiment der arabischen Einheit brach zusammen.

Unter den Nachwirkungen dieses Fiaskos war Nasser gezwungen, auf eine sozialistische Demagogie zurückzugreifen, um sein bonapartistisches, staatskapitalistisches Regime zu bemänteln. Er erklärte, dass der "arabische Sozialismus" die Verkörperung gesellschaftlicher Demokratie sei. Er schuf die "Arabische Sozialistische Union" als Massenorganisation. Ab September 1962 unternahm er alle Anstrengungen, um den Kampf gegen die reaktionären Kräfte im Jemen und gegen die Engländer in Aden zu unterstützen. 1963 gelangten die syrischen und irakischen Baathisten zur alleinigen Machtausübung und erklärten, wenn auch vorsichtig, ihre Unterstützung für Ägypten bei einer Kampagne gegen die reaktionären Regimes der arabischen Halbinsel. Wieder einmal schien sich die arabische Revolution wie schon in den Jahren 1958-61 unter Führung nationalistischer Armeeoffiziere, die sich zu nationalistischen und sozialistischen Ideologien bekannten, in Marsch gesetzt zu haben. Vereinigungsdiskussionen begannen erneut; diesmal brachen sie jedoch unter bitteren gegenseitigen Beschuldigungen zusammen.

Nach diesem Scheitern musste Nasser zu dem Rahmen der "Arabischen Liga" zurückkehren und Gespräche mit den pro-imperialistischen konservativen Regimes aufnehmen. Im August 1965 schloss er sogar direkt mit König Feisal Frieden. Er wurde bald von den syrischen Baathisten links überholt, deren radikaler Flügel die Macht ergriffen hatte und eine neue palästinensische Guerilla-Organisation, die AI-Fatah, unterstützte, die 1965 gegen Israel eine Kampagne begann. Israelische Gegenangriffe brachten Ägypten und Syrien dahin, ein gemeinsames Militärkommando zu bilden; Ägypten versprach, Syrien im Falle eines Angriffs zu unterstützen.

Israelische Repressalien gegen Jordanien, weil es der Al-Fatah Zuflucht gab, brachten König Hussein zu der Aufforderung, dass das mächtige Ägypten aufhören, sich hinter den UNO-Truppen zu verstecken und die Meerengen vor dem israelischen Hafen Eilat sperren sollte. Nasser handelte dementsprechend, um nicht sein Gesicht zu verlieren; Jordanien unterzeichnete einen gemeinsamen Verteidigungspakt mit Ägypten. Die arabische Welt befand sich in freudiger Erregung. Ein gemeinsames Vorgehen von "revolutionär-nationalistischen" und traditionalistischen Staaten gegen Israel schien unmittelbar bevorzustehen. Die Einheit der arabischen Nation würde vielleicht bald im Feuer eines siegreichen Kriege gegen den zionistischen Eindringling geschmiedet werden. Aber trotz aller verbalen Drohung wurde kein Angriff geplant. Es war Israel stattdessen, das zuerst zuschlug.

Der Sechstagekrieg gegen Ägypten 1967 war als ein Doppeischlag gegen den palästinensischen Widerstand und Nassers Ablehnung, Ägypten den Wünschen des US-Imperialismus unterzuordnen, ausgelegt. Darin hatte er dieselben wesentlichen Momente wie der Krieg 1973. In beiden Konflikten war es notwendig, innerhalb Israels defätistisch zu sein, Ägypten, Syrien, Jordanien im militärischen Konflikt kritisch zu unterstützen, aber zur gleichen Zeit für das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung, auch gegen die Wünsche der arabischen Staaten, zu kämpfen.

Der Sechstagekrieg im Juni 1967 war ein totaler, demütigender und vernichtender Schlag für den Nasserismus. Der arabische Nationalismus stellte die Ideologie der militärbonapartistischen Regimes der größeren arabischen Staaten dar. 1948/49 konnten die Araber den unfähigen, korrupten, halbfeudalen Regimes in Komplizenschaft mit dem Imperialismus die Schuld an ihrer Niederlage geben. Alle politischen Errungenschaften des Nasserismus und Baathismus erwiesen sich plötzlich als hohl, und die Unfähigkeit dieser Kräfte, die arabische Welt zu vereinigen und sich dem Zionismus, ganz zu schweigen dem Imperialismus, entgegenzustellen, wurde grausam gezeigt. Die Aufmerksamkeit richtete sich von nun an auf einen anderen Bereich - auf die Palästinenser und die PLO.