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Die Araber in Palästina

VII. Palästina wurde im 7. Jahrhundert aus dem Byzantinischen Reich von den Arabern erobert. Weder fanden sie ein leeres Land vor, noch vertrieben sie die vorhandene Bevölkerung und besiedelten es selbst massenhaft. Sie fanden dort eine Bauernschaft, die von Kanaanitern, Hebräern, Philistern (von denen das Land seinen Namen erhielt) und von Minderheiten wie Griechen, Syrern etc. abstammte, vor. Von diesen Völkerschaften ebenso wie von arabischen Stämmen leiten die heutigen Palästinenser ihre Herkunft ab. Schrittweise löste Arabisch die frühere, mit ihm verwandte semitische Sprache, Aramäisch, das die Bevölkerung (einschließlich der Judäer) gesprochen hatte, ab.
Palästina geriet im frühen 16. Jahrhundert in die Hände des türkischen Osmanischen Reiches. Es blieb Teil des Reiches, aber seine Großgrundbesitzer verfügten über beträchtliche Autonomie. Palästina stellte hier keine einheitliche Provinz oder Verwaltungseinheit dar, ebenso wenig unterschieden sich die Palästinenser insgesamt von ihren arabischsprachigen Nachbarn. Das Land wurde de facto vom Oberhaupt einer Reihe von Clans ('Ashair') regiert, wobei jeder Clan von einem Scheich, der von den mächtigsten Familien des Clans ernannt wurde, geführt wurde.
1858 förderte ein neues Agrargesetz die Auflösung des Claneigentums - und damit das Auftreten von Großgrundbesitzern und verarmten, landlosen Bauern. Der Großgrundbesitz wurde dadurch erleichtert, da die traditionellen Beschränkungen bei Ankauf und Verkauf von Land durchbrochen waren. Die Clanscheichs verloren ihre Macht zugunsten der neu "befreiten" Grundbesitzer.
Die Verlierer bei dieser "Landreform" waren die Bauern, die noch 1922 81% der Bevölkerung ausmachten. Sie verloren ihre Gemeinderechte und wurden oft vertrieben, da sie keine schriftlichen Landansprüche besaßen. Während Saatgut und Werkzeuge der einzelnen Bauernfamilie von der Clanorganisation vorgeschossen worden waren, mussten sich die Bauern jetzt an städtische Geldverleiher um Kredite wenden. Schuldknechtschaft, Enteignung und Vertreibung folgten in massivem Umfang.
In diese bereits in Klassen gespaltene Agrargesellschaft, die von reichen Grundbesitzern, die in den Städten - Jerusalem, Jaffa, Nablus, aber auch Beirut und sogar noch weiter entfernt - wohnten, beherrscht wurde, kamen die zionistischen Siedler. Finanziell gut ausgestattet, war es für sie relativ einfach, Land von den Effendis (feudalen Landeigentümern) zu erhalten.
Der andere Bestandteil der herrschenden Klasse waren die städtischen Händler. Oft gehörten sie zu nichtmohammedanischen - und manchmal zu nichtarabischen - Gemeinschaften: Griechen, Armenier, Italiener, Juden. Sie hatten aufgrund der sogenannten "Kapitulationen" des Osmanischen Reiches gegenüber den Westmächten, in denen extraterritoriale Rechte verschiedenen Gemeinschaften gewährt wurden, eine privilegierte Position inne. (Unter diesen Rechten befand sich die Befreiung von Zollgebühren...)
Die Eingliederung Palästinas in die Weltwirtschaft durch den europäischen Kapitalismus ebenso wie die Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse auf dem Land steigerten den Handel gewaltig und - als Folge dessen - Wachstum und Bedeutung der Häfen von Gaza, Jaffa und Haifa. Unter der arabischen Bevölkerung besaßen die Christen fast ein Monopol auf Groß- und Kleinhandel und wurden zu einem wohlhabenden Kleinbürgertum.

VIII. Die palästinensische Bourgeoisie war aufgrund der gesamten Entwicklung des Landes - und mehr noch, weil sie größtenteils aus nationalen oder religiösen Minderheiten bestand - schwach. Die Führung (oder besser: die Irreführung) des Widerstandes der Palästinenser gegen die zionistische Ansiedlung fiel daher den Großgrundbesitzern zu. Die Schlüsselfigur in der Zwischenkriegszeit war hier der Mufti von Jerusalem, Hadj Aminal Hussaini. Gegen ihn stand die Familie der Nashashibis, die in Jerusalem die Bürgermeisterwürde innehatten. Beide schwankten zwischen Opposition gegenüber den Briten und Zionisten und Konzessionen und Versöhnung.
Der Mufti und die Grundbesitzer versuchten meist, die Feindschaft von den Großgrundbesitzern, die selbst Bauern vertrieben und Land an die zionistischen Agenturen verkauften, auf die Siedler abzulenken. Dies führte zu hinterhältigen Angriffen des Pöbels in Stadt und Dorf auf die Juden; der Mufti ließ stark antisemitische Tendenzen erkennen. Ihr Widerstand gegenüber den Briten, die ihnen ihre Gehälter bezahlten und sie aus ihren Ämtern entlassen konnten, war weitaus vorsichtiger.
Erst 1936 entwickelte sich ein wirklicher nationaler Volksaufstand gegen die Engländer. Die Weltwirtschaftskrise bedeutete für die arabischen und jüdischen Arbeiter einen Anstieg der Arbeitslosigkeit nach 1936. Seit der Machtergreifung Hitlers drei Jahre vorher war die Einwandererflut angewachsen - und damit auch die Zunahme an Landkäufen und Aussiedlungen. Die Konflikte zwischen den jüdischen Siedlern und vertriebenen arabischen Dorfbewohnern nahmen zu. Im Oktober 1936 traten die arabischen Dockarbeiter in Streik und wurden durch jüdische Streikbrecher ersetzt. Ein Guerillakrieg brach in Galiläa aus. Unruhen in Ägypten und ein Generalstreik in Syrien ermutigten die Araber in Palästina. Lokale Basiskomitees wurden gebildet und ein Generalstreik wurde ausgerufen, der sechs Monate andauerte. Schrittweise entwickelte sich die Streikbewegung zu einer allumfassenden Rebellion gegen die Briten und - in geringerem Ausmaß - gegen die zionistischen Siedlungen. 1936 kämpften mindestens 5000 Guerilleros in den Bergen. Als Ergebnis der Unterdrückung durch die Engländer flüchtete die führende Schicht der Palästinenser in die Nachbarstaaten, und die Bewegung wurde 1937 zu einer spontanen, hauptsächlich bäuerlichen Bewegung.
Die Führer aus der Bourgeoisie und aus dem Großgrundbesitzertum verrieten den Kampf der Bauern, indem sie zu einem Waffenstillstand 1936 aufriefen und in Geheimverhandlungen mit den Zionisten und Briten eintraten - und mit dem deutschen Imperialismus der Nazis kokettierten. Sie waren durch den Bauernaufstand zutiefst erschreckt worden; viele Grundherren flüchteten tatsächlich aus den ländlichen Gebieten. Die Rebellion wurde schließlich niedergeschlagen, sie öffnete jedoch den Engländern die Augen über die Notwendigkeit, die Achse ihrer Nahostpolitik in Richtung der arabischen Nationalisten und weg von einer alleinigen Abhängigkeit von den Zionisten zu verlegen.