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WASG-Linke

Stunde der Integratoren

Gerald Waidhofer, Neue Internationale 113, August/September 2006

“Angesichts der vielen Antikapitalisten ist es beruhigend, wenn sich jetzt die breite Strömung der Sozialisten zu Wort meldet. Sie ‘wollen den Kapitalismus, die Dominanz kapitalistischer Produktion und Interessen für die gesellschaftliche Entwicklung überwinden. Moderner Antikapitalismus und demokratischer Sozialismus verbinden Erkenntnisse auf der Basis von Marx und von Keynes, statt sie gegeneinander zu stellen.’” (Bischoff/Radke, Wie viel ‘Anti-Kapitalismus’ vertragen WASG und die neue Linkspartei?)

Kennt man die Autoren, selbst Vertreter des „Netzwerks Linke Alternativen“, ist die positive Würdigung der um Ulrike Zerhau und Ralf Krämer entstehenden „Sozialistischen Linken“ wenig verwunderlich.

Bemerkenswert ist freilich - auf den ersten Blick - die Einschätzung, dass es so viele Anti-KapitalistInnen in der WASG und in der Linkspartei gäbe. Die Verwunderung löst sich freilich auf, wenn man bedenkt, wen Bischoff und Radke hierzu zählen: z.B. die anti-kapitalistische Linke, die von Sarah Wagenknecht über Tobias Pflüger bis zu Thiess Gleiss in der WASG reicht, oder Katja Kipping und die um sie gruppierten VorkämpferInnen des „bedingungslosen Grundeinkommens“. Ja, selbst die Programmkommission wird noch dazu gerechnet.

Bischoff/Radke machen diese überraschende Einschätzung des recht biederen links-reformistischen Eckpunktepapiers an Texten von Christine Buchholz fest. Die Linksruck-Vertreterin, Mitglied des WASG-Bundesvorstandes und Mitarbeiterin in der Parlamentsfraktion, sieht darin nicht nur einen weiteren „guten Ausgangspunkt“ für eine neue Linke und interpretiert sich den Programmentwurf des Bundesvorstandes zu einem Konzept zur „Entmachtung des Kapitals“ um.

„Langfristig wird die notwendige Umverteilung ohne die Entmachtung des Kapitals nicht durchzusetzen sein. Wer sich eine Entmachtung des Kapitals nicht vorstellen kann, wird also das Ziel Vollbeschäftigung aufgeben müssen.“

Abgehen davon, dass Buchholz in ihrer eigenwilligen Interpretation des Programmentwurfs selbst nicht ausführt, was denn unter „Entmachtung des Kapitals“ zu verstehen sei - der revolutionäre Sturz der bürgerlichen Herrschaft oder die Einschränkung der Kapitalmacht durch Gesetze des bürgerlichen Staates - so verrät Bischoffs/Radkes Kritik mehr über sie, denn über die „Antikapitalisten“.

 “Das  gesamte Papier (die “Eckpunkte”) ist geprägt von dieser verengten Sicht und bietet keine Ansätze für eine fortgesetzte Auseinandersetzung über Politikangebote und strategische Konzeptionen in der neuen Partei.“

In Zeiten der Programm“debatte“ agieren Lafontaine, Ernst, Buchholz wie tradierte Reformisten. Vollmundige verbale Angriffe auf das Kapital und den Imperialismus stehen da wieder höher im Kurs. Auch das Ziel „Sozialismus“ - von dem die WASG-Gründungsväter um Klaus Ernst noch vor einigen Monaten nichts hören wollten - führt man jetzt locker und freudig im Munde.

Die reformistische Partei, die Linkspartei-Parlamentsfraktion, der Mehrheit in der WASG wie der PDS-Spitze vorschwebt, belebt die alte Trennung von Minimal- und Maximalprogramm aufs Neue. Daher auch Bischoffs Eindruck, dass es so viele Anti-Kapitalisten gäbe.

In Wirklichkeit geht es hier nur um ein klassisches Manöver, den tristen reformistischen Alltag und die Zielsetzung, dereinst Regierungspartner für SPD/Grüne zu werden - natürlich nur bei einem vorhergehenden „Politikwechsel“ -, durch „sozialistische“ Zielproklamationen zu versüßen.

Leute wie Katja Kipping und die AnhängerInnen des „Grundeinkommens“ garnieren das noch damit, gleich eine Forderung gefunden zu haben, die als Allheilmittel für alle gesellschaftlichen Übel fungieren soll, ohne die Besitzverhältnisse selbst antasten zu müssen. Dieser wahrlich „utopische“ Sozialismus wird von den Bischoffs und Co. als Kronzeuge für zu viel „Anti-Kapitalismus“ genommen.

Nun sind die beiden so selbstlos freilich nicht. Sie verfolgen auch den Aufbau einer eigenen „Netzwerk-Strömung“, die sich vor allem mit zwei Kräften in WASG und PDS verbinden will.

Zum einen mit der oben erwähnten „sozialistischen Linken“, zum anderen mit der „anti-kapitalistischen Linken“.

Erste Strömung versteht sich selbst als „breite Strömung”, “die an links-sozialdemokratische und reform-kommunistische Traditionen anknüpft”. Sie ist keine Opposition zur bestehenden Parteiführung oder zur Parlamentsfraktion, sondern eigentlich eine reformistische Pressure-Group zu deren Diensten.

Mit der anti-kapitalistischen Linken und ihre Funktion haben wir uns schon in der letzten Ausgabe der Neuen Internationale beschäftigt. Sie hat - wie schon die Kommunistische Plattform in der PDS - eine integrative Funktion, die den Apparat gegen linke Kritik schützen soll.

So hat die „anti-kapitalistische Linke“ auch den eigenständigen Antritt der Berliner WASG abgelehnt - weil das eine Kritik an der Senatspolitik in der PDS erschweren würde! Darauf muss man erst einmal kommen! Nachdem Wagenknecht und Co. jahrelang nichts an Veränderung des Kräfteverhältnisses in der PDS zuwege gebracht und anderen oppositionellen Strömungen in der Partei regelmäßig in den Rücken gefallen sind, soll nun die Berliner WASG Schuld sein, dass diesen „KritikerInnen“ das Leben in der PDS schwerer fällt. Immerhin werden diese Leute über Büros und Posten als Lohn für ihre oppositionellen Mühen entschädigt.

Das Ziel von Bischoff und Radke und ihres Netzwerks besteht darin, diese beiden Strömungen mit der ihren zu vereinen oder wenigstens in einen Dialog zu bringen.

Das wird nicht zuletzt daran klar, dass sie sich weigern, Beiträge aus dem Kassler Oppositionsspektrum - namentlich einen Beitrag von Edith Barthelmus-Scholich und Peter Weinfurt - zu veröffentlichen.

Diese wäre „Fundamentalopposition.“ Außerdem würden sie für eine „revolutionäre Partei“ eintreten. Das sei zwar legitim - aber sicher nicht Intention der Netzwerker um Bischoff.

Nun haben wir als Gruppe Arbeitermacht auch etliche Kritikpunkte am Entwurf der Beiden anzubringen. Aber wir erkennen an, dass der Vorschlag von Weinfurt und Barthelmus-Scholich  eine Programmdebatte und eine Debatte über eine rein parlamentarische Ausrichtung anschiebt.

Dass Bischoff und Radke solche „fundamental-oppositionellen“ Vorschläge nicht haben wollen, zeigt, wohin der Zug ihrer Meinung nach gehen soll. Es verdeutlicht auch, dass auf solche „Linke“ niemand bauen sollte.

Die WASG-Linke und mit ihr sympathisierende Kräfte außerhalb der Partei, die ernsthaft einen neue Partei der Lohnabhängigen und der sozialen Bewegungen aufbauen wollen, die gegen das kapitalistische System und für eine internationalistische Perspektive kämpfen, müssen sich jetzt zu organisieren beginnen.

Wir wiederholen dazu unsere Vorschläge und betonen, dass sich die Opposition rasch bundesweit konstituieren und der Koordinierungskreis Stellungnahmen erarbeiten und eine Konferenz organisieren muss, die Folgendes beinhalten:

a) Unterstützung des eigenständigen Wahlantritts in Berlin;

b) Vorantreiben der programmatischen Klärung der Linken Opposition; dazu gehören die Analyse der Klassenkampfsituation, die Klärung, was wir wollen, für welche Gesellschaft wir eintreten, mit welchen Forderungen und Mitteln wir eine neue Partei erkämpfen. D.h. welche Art von Partei, welches Programm brauchen wir? Eine Opposition, die auf dem Boden des WASG-Programms stehen bleibt, hat keine Zukunft. Sie muss entweder radikal anti-kapitalistisch werden, oder sie wird nichts werden.

c) Die Linke Opposition muss öffentlich wahrnehmbare Arbeits- und Kampagnenschwerpunkte festlegen und umsetzen, so dass deutlich wird, dass sie für eine Partei steht, die aktiv mobilisiert und nicht nur ein Wahlverein ist. Sie muss Bündnispartner außerhalb der WASG suchen und mit diesen gemeinsam Druck machen.

d) Demokratische Legitimierung des Zusammenhalts der Linken Opposition und einer bundesweiten Koordinierung.

Nur so kann erreicht werden, dass aus dem Potential der WASG (oder wenigstens Teilen davon) eine Kraft entsteht, die im Klassenkampf ein realer Faktor und eine wahrnehmbare, konsequente  und grundsätzliche antikapitalistische Alternative zum Reformismus ist.

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Nr. 113, August/Sept. 2006

*  Libanon: Protektorat des Imperialismus?
*  Israel/Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Libanon: Was ist Hisbollah?
*  Klassenkampf und soziale Bewegung: Welche Perspektive?
*  Schmiergeldskandale: Korruption mit System
*  Venezuala: Gegen Bosse und Bürokraten
*  WASG-Linke: Stunde der Integratoren
*  Hisbollah-Verbot droht: Weg mit den Antiterrorgesetzen!
*  Linkspartei.PDS: "Der Anfang ist gemacht ..."
*  Wahlen in Berlin: WASG wählen, Widerstand formieren