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Libanon

Protektorat des Imperialismus?

Martin Suchanek, Neue Internationale 113, August/September 2006

Am 12. August gingen weltweit Hunderttausende gegen Krieg und Besatzung auf die Straße und zeigten ihre Ablehnung des Angriffs auf Libanon und die Besetzten Gebiete. Auch in den arabischen Ländern kam es zu Solidaritätsaktionen - trotz der massiven Repression durch pro-imperialistische reaktionäre Regime und ihre Sicherheitsapparate.

Nach fast einem Monat massiver israelischer Bombardements, 800.000 Flüchtlingen, der Zerstörung großer Teile der libanesischen Infrastruktur - laut ersten Schätzungen der libanesischen Regierung im Wert von sechs Milliarden Dollar - und 1.100 Toten, darunter viele Frauen und Kinder, konnten die Aggressoren ihre Kriegsziele auf dem Schlachtfeld nicht erreichen.

Und das, obwohl der israelische Angriff alles andere als „spontan“, also als Reaktion auf die Entführung zweier Soldaten, erfolgte.

Vielmehr war ihnen eine bewusste Eskalation durch den zionistischen Staat in den Besetzten Gebieten, die Invasion in Gaza, die Entführung und Festnahme palästinensischer Abgeordneter vorausgegangen.

Ziele der Aggression

Die Pläne für einen Angriff auf den Libanon existieren schon seit Monaten, wenn nicht Jahren. Es bedurfte nur eines geeigneten Vorwands. Das enthüllte der israelische Sicherheitsexperte Gerald Steinberg von der Bar-Ilan University in einem Interview gegenüber dem San Francisco Chronicle am 21. Juli 2006.

Demzufolge sah der Plan eine dreiwöchige Angriffsoperation vor. In der ersten Woche sollten die Langstreckenraketensysteme, die Kommandostrukturen und die Logistik von Hisbollah ausgeschaltet werden, in der zweiten Woche die kleineren Raketenstellungen und die Nachschublager und in der dritten Woche sollte eine begrenzte Bodenoffensive den verbleibenden “Rest” erledigen.

Das erhoffte Ziel war, die Hisbollah und damit den bewaffneten Widerstand völlig lahm zu legen, ohne den Südlibanon langfristig besetzen zu müssen. Der Plan schlug bekanntlich trotz massiver Luftangriffe - allein 8.700 Feindflüge auf 4.600 Ziele in der ersten Woche - fehl. Die Hisbollah verlor nur rund 120 Kämpfer (während auch die israelische Armee fast 100 verlor) und verfügt noch immer über Raketenstellungen.

Auch Israels andere Kalkulation schlug fehl: die Bombardements sollten die inneren Konflikte im Libanon weiter verschärften und die Hisbollah politisch isolieren und schwächen.

Im Gegenteil: die barbarischen Angriffe der israelischen Luftwaffe führten dazu, dass sich die große Mehrheit der libanesischen Bevölkerung mit dem Widerstand und der Hisbollah solidarisierte und sich auch Vertreter konkurrierenden bürgerlicher Parteien bis zum Staatspräsidenten gezwungen sahen, den heldenhaften Widerstand zu würdigen.

Die libanesische Linke wie die Kommunistische Partei riefen zum bewaffneten Widerstand auf. Tausende Freiwillige meldeten sich in Beirut, um gegen die drohende Invasion zu kämpfen.

Die UN-Resolution 1701

Es war diese politische Niederlage, welche die USA und die israelische Regierung dazu bewogen, der UN-Resolution 1701 vom 11. August zuzustimmen. Mit dieser Resolution soll nicht nur der politische Schaden für Israel begrenzt werden - es sollen die Kriegsziele Israels und der USA sowie ihrer imperialistischen Verbündeten im Nachhinein per UN-Beschluss durchgesetzt werden.

Die UN-Resolution sieht vor:

l Eine Waffenruhe, d.h. Einstellung der Kampfhandlungen, der Attacken der Hisbollah und der offensiven Operationen Israels;

Einsatz einer UN-Friedenstruppe. Die schon stationierte Friedenstruppe (Unifil) soll von 2.000 auf 15.000 Mann aufgestockt werden. Sie soll das Gebiet südlich des Litani-Flusses kontrollieren und mit einem „robusten Mandat“ versehen werden;

Entwaffnung der Hisbollah. Dazu soll die libanesische Armee 15.000 Soldaten im Süden stationieren;

Israelischer Abzug. Israel soll seine Truppen aus dem Libanon zurückziehen - allerdings erst „parallel“ zur Entsendung libanesischer und UN-Truppen;

Waffenembargo. Es dürfen keine Waffen an die Hisbollah und andere Widerstandskräfte geliefert werden;

Die bedingungslose Freilassung der israelischen IDF-Soldaten wird gefordert, die Freilassung hunderter libanesischer oder palästinensischer Gefangener kommt nicht vor.

Man muss kein großer Analytiker sein, um zu erkennen, dass die gesamte Resolution pro-israelisch und pro-imperialistisch ist. Während sich die Armee, die das Land in Schutt und Asche gebombt hat, einfach zurückziehen darf, sollen jene Kräfte, die Widerstand gegen die Invasion geleistet haben, entwaffnet werden.

Die israelische Aggression, die Massaker an ZivilistInnen wie in Kana werden in der Resolution nicht verurteilt, ja noch nicht einmal erwähnt!

Hinzu kommt, dass Israel schon seit Jahren einen Teil des Libanon - die Schebaa-Farmen - besetzt hält. Auch das wird in der Resolution nicht erwähnt, der Status Quo bleibt erhalten, überhaupt dreht die Resolution die realen Sicherheitsinteressen komplett um. So haben israelische Schiffe libanesische Hoheitsrechte verletzt und Küstenstädte beschossen.

Dagegen richtet sich die Resolution jedoch nicht. Stattdessen sollen die UN-Truppen sicherstellen, dass keine illegalen Waffenlieferungen an die Hisbollah oder in palästinensische Flüchtlingslager kommen. Dazu sollen sie die Seewege und die syrische Grenze abriegeln.

Kurzum: Der Süden des angegriffenen Landes wird praktisch zu einer von imperialistischen Truppen besetzten und kontrollierten Zone, die durch 15.000 libanesische Hilfstruppen ergänzt werden.

Verkehrung der Realität

Hinter der ganzen Resolution steht in Wirklichkeit eine unglaubliche Verdrehung der Realität, die der imperialistischen und zionistischen Propaganda folgt und die Israel als angegriffenes Land darstellt.

Wie weit das von der Realität entfernt ist, verdeutlicht die Situation in den Besetzten Gebieten, in Gaza und der Westbank. Die Angriffe der israelischen Armee auf diese PalästinenserInnen kommen in der UN-Resolution „natürlich“ nicht vor. Die Zionisten setzten sie vielmehr unmittelbar nach Annahme der Resolution fort.

Die israelische Regierung weiß sich dabei der Unterstützung des Imperialismus, vor allem der USA sicher. Die G8 hatten schon in St. Petersburg den israelischen Kurs akzeptiert und klar gemacht, dass sie die Kriegsziele Israels unterstützen.

Der Grund für diese Unterstützung durch die G8, v.a. die USA, Britannien und Deutschland ist Ausdruck der Versuchs des Imperialismus, den gesamten Nahen und Mittleren Osten in ihrem Interesse neu zu ordnen.

Es geht um weit mehr als den Libanon - es geht auch um einen Regierungswechsel in Syrien und Iran im Sinne der kapitalistischen Großmächte. Diese werden seit Jahren - siehe die „Atomkampagne“ gegen den Iran - vorbereitet. Der zionistische Staat Israel ist und bleibt dabei der verlässlichste Verbündete und Vorposten des Imperialismus. Dafür erhält er massive ökonomische und militärische Unterstützung, ohne die er kaum lebensfähig wäre.

Imperialistischer Hinterhof

Auch Deutschland ist ökonomisch eng mit Israel verbunden. Die Bundeswehr arbeitet seit Jahrzehnten eng mit der IDF, den Streitkräften Israels, zusammen. Deutsche Konzerne liefern modernstes Kriegsgerät an Israel, darunter neueste U-Boote, die Israel sogar geschenkt wurden.

Die deutsche Diplomatie sieht nun die Chance, ihre Rolle als Vermittler weiter zu stärken. Für die USA, Britannien und Israel bringt sie ihre relativ guten Beziehungen zu den arabischen Staaten ins Spiel und hofft so, den eigenen Einfluss zu stärken. Auch die Idee einer militärischen Präsenz ist keineswegs neu, sondern wurde bezüglich der Westbank und Gaza von der rot-grünen Regierung schon 2002 angedacht.

Die über die UN-Resolution legitimierte Besatzung des Südlibanons durch imperialistische Truppe, die praktisch unter französischem Kommando steht, bringt die USA, Israel als Verbündeten ihren Zielen näher.

Sie hoffen dadurch, den Libanon praktisch zu einem vom Imperialismus kontrollierten Pufferstaat zu machen. Auch die massiven Kriegszerstörungen - rund 6 Milliarden Dollar - werden durch Westkredite finanziert, die auch auf dieser Ebene die libanesische Regierung unter Druck setzen.

Die Entsendung von UN-Truppen wird keinen Frieden bringen, sondern nur verstärkte Ausbeutung und imperialistische Kontrolle. Sie muss daher abgelehnt und  mit allen Mitteln bekämpft werden!

Widerstand

Die letzten Wochen haben auch gezeigt, dass der Widerstandswille der libanesischen und palästinensischen Bevölkerung enorm ist. Die Besatzung des Libanon verdeutlicht den Massen in der Region ein weiteres Mal, dass es sich um einen brutalen Feldzug des Imperialismus und seiner Gendarmen in der Region handelt.

Die Lüge von der „Demokratie“, die angeblich mit der Besatzung, mit dem „Kampf gegen den Terror“ käme, klingt hohler denn je - ist doch der Weg der westlichen Demokratie mit Leichen und Repression gepflastert.

Zentral ist heute die Frage, wie eine imperialistische Besatzung des Landes verhindert und wie ein Rückzug der israelischen Armee und der Besatzer mit UN-Mandat erzwungen werden kann? Dabei helfen werden weder moralische Appelle noch das Hoffen auf das Völkerrecht oder UN-Truppen, sondern nur die Unterstützung und Ausweitung des Widerstandes.

Ausweitung

Notwendig ist, die Auseinandersetzung über den Libanon und Palästina hinaus auszuweiten. Die meisten reaktionären arabischen Regime beschränkten sich auf verbale Verurteilungen Israels - wenn überhaupt. Ihnen, allen voran Ägypten und Jordanien, ist das Bündnis mit den Zionisten und Imperialisten allemal wichtiger als die Unterstützung der Kämpfenden.

Doch eine Massenbewegung in Solidarität mit Libanon und Palästina kann diese arabischen Regime ins Wanken bringen und - wie der anhaltende Widerstand im Irak zeigt - die US-Pläne zur Neuordnung der Region in Gefahr bringen.

Nicht minder wichtig ist es, Kriegsmaschinerie und Ökonomie des zionistischen Staates sowie der imperialistischen Staaten zu bekämpfen.

Das kann letztlich nur passieren, wenn wir über Demonstrationen hinausgehen und politische Forderung wie den sofortigen Stopp aller militärischen und ökonomischen Hilfe an Israel zu fordern und diese auch durch Streiks, Blockaden, Besetzungen, Boykott und politischen Druck auf die Regierungen durchzusetzen. Der Kampf gegen die zionistische Aggression ist auch ein Kampf gegen den deutschen Imperialismus und sein politische, militärische und ökonomische Unterstützung für Israel.

Gerade Deutschland ist mit seinen Flughäfen, z.B. in Frankfurt, ein zentraler Umschlagpunkt für den Nachschub an Soldaten und Kriegsmaterial in den Nahen und Mittleren Osten. D.h. es gibt hier strategisch wichtige Nachschubzentren, die politisch und durch Aktionen der Anti-Kriegsbewegung ins Visier genommen werden können und müssen.

Perspektive

Der Krieg gegen den Libanon ist Teil eines globalen Angriffs des Imperialismus auf den Nahen und Mittleren Osten.

Für diesen Kampf müssen nicht nur antizionistische und antiimperialistische Losungen aufgestellt werden, sondern auch revolutionär-demokratische Losungen, die auf die arabischen nationalistischen und islamistischen Diktaturen zielen. Soziale und wirtschaftliche Forderungen nach Arbeitsplätzen, Wohnungen, Krankenhäusern und Schulen müssen darin enthalten sein.

Der Kampf gegen den Imperialismus kann nur gewonnen werden, wenn er sich mit dem Kampf gegen das nationale Kapital und seine islamistischen und nationalistischen Diktaturen verbindet. Er muss in der Errichtung von Arbeiterstaaten münden, die in einer regionalen Föderation verbunden sind, deren Grundlage multinationale und weltliche demokratische Räte von ArbeiterInnen und allen Ausgebeuteten und Unterdrückten sind.

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Nr. 113, August/Sept. 2006

*  Libanon: Protektorat des Imperialismus?
*  Israel/Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Libanon: Was ist Hisbollah?
*  Klassenkampf und soziale Bewegung: Welche Perspektive?
*  Schmiergeldskandale: Korruption mit System
*  Venezuala: Gegen Bosse und Bürokraten
*  WASG-Linke: Stunde der Integratoren
*  Hisbollah-Verbot droht: Weg mit den Antiterrorgesetzen!
*  Linkspartei.PDS: "Der Anfang ist gemacht ..."
*  Wahlen in Berlin: WASG wählen, Widerstand formieren