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Antizionismus = Antisemitismus?

Martin Suchanek, Neue Internationale 113, August/September 2006

Es ist eine der größten und unverschämtesten Lügen dieses Krieges, dass dieser angeblich zwischen der Demokratie (in Gestalt Israels) und islamistischer Despotie und Antisemitismus (vertreten durch Hamas, Hisbollah und jede andere palästinensische oder libanesische Widerstandskraft) geführt würde.

Charakter des Krieges

Doch der Charakter eines Kriegs wird nicht dadurch bestimmt, welche politische Führung oder politische Herrschaftsform das eine oder andere Land kennzeichnet, sondern durch seine Bedeutung, seine Stellung in der imperialistischen Weltordnung, durch den Klassencharakter der kämpfenden Parteien und ihrer Kriegsziele.

Es geht bei diesem Krieg um die Stärkung des zionistischen Staates, seiner herrschenden Klasse und ihrer kolonialen, expansionistischen Ziele sowie das Vorantreiben der imperialistischen Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens.

Es ist daher auch vollkommen korrekt, wenn der Großteil der libanesischen und palästinensischen Linken den Widerstand gegen Krieg und Besatzung unterstützt. Ebenso verdienen jene Teile der israelischen Friedensbewegung Solidarität, die gegen Krieg und Besatzung auftreten.

Eine andere Lüge besteht darin, Antizionismus und Antisemitismus gleichzusetzen. Doch im Gegenteil: der Zionismus ist eine rassistische Ideologie. Der israelische Staat ist ein rassistischer, expansionistischer Staat, der sich auf der Vertreibung und Entrechtung der PalästinenserInnen gründet und diese permanent fortführt. Denn schon vor und besonders seit Gründung des Staates Israel wurden und werden die PalästinenserInnen unterdrückt, vertrieben und terrorisiert; das Recht auf Rückkehr wird den vertriebenen PalästinenserInnen verwehrt. Die Besetzten Gebiete werden in allen zentralen Aspekten (Währung, Wasserversorgung, Zugang über die Grenzen) weiter von Israel und seiner Armee kontrolliert.

Die PalästinerserInnen in Israel sind nur BürgerInnen zweiter Klasse, deren Zugang zum Öffentlichen Dienst und deren Bürgerrechte eingeschränkt und die auch sozial unterprivilegiert sind.

Imperialistische Unterstützung

Ohne permanente imperialistische Unterstützung von jährlich über drei Milliarden Dollar allein aus den USA (davon 1,2 Mrd. Dollar Wirtschafts- und 1,8 Mrd. Dollar Militärhilfe), anderer imperialistischer Länder sowie privater Spender könnte sich der Staat politisch und militärisch nicht halten.

In den letzten Jahren hat sich trotzdem die soziale Kluft, haben sich Arbeitslosigkeit und Armut in Israel auch unter der jüdischen Arbeiterklasse vertieft.

Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass der israelische Staat noch immer - nicht zuletzt dank imperialistischer Unterstützung - einen wichtigen Teil der Lohnabhängigen vergleichsweise privilegiert halten kann, um sie so an seine reaktionäre, expansionistische Politik zu binden. Andere, v.a. die ärmeren, aus der Ostmigration stammenden jüdischen Lohnabhängigen, werden über Rassismus und expansionistische Versprechungen vor allem als militante Siedler bei der Stange gehalten.

Der zionistische Staat ist alles andere als ein sicheres Bollwerk für “die Juden”. Er ist ein Vorposten des Imperialismus. Die zionistische Ideologie legitimiert nicht nur die Unterdrückung der PalästinenserInnen, sie ist zugleich ein Mittel, die jüdische Arbeiterklasse in Israel an der Seite der eigenen Ausbeuterklasse zu halten.

Die Bindung der israelischen ArbeiterInnen an den Zionismus oder ihre Unterstützung für die Kriegspolitik gegen den Libanon hat entgegen populärer Mythen ihre Ursache nicht im Erstarken des Islamismus in Palästina. Das zeigt sich schon daran, dass diese Bindung viel älter ist als das Auftreten der Islamisten. Sie hat vielmehr soziale und politisch-ideologische Wurzeln - eine starke Arbeiteraristokratie und die ideologische Vorherrschaft des Zionismus in praktisch allen gesellschaftlichen Institutionen.

Solange die jüdische Arbeiterklasse nicht mit dieser Loyalität zum “eigenen” Staat bricht, wird sie sich weder von der eigenen Klassenunterdrückung und verschärften Ausbeutung befreien können, noch wirklich brüderliche Beziehungen zu den arabischen ArbeiterInnen und BäuerInnen entwickeln können.

Der Anti-Zionismus ist daher keinesfalls eine politische Position, die nur für Anti-Imperialisten auf der ganzen Welt und für die arabischen Massen wichtig und richtig ist; letztlich muss sie auch zur Position der jüdischen ArbeiterInnen in Israel und auf der ganzen Welt werden.

Der zionistische Staat ist ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung und muss zerschlagen und durch einen gemeinsamen, bi-nationalen Arbeiterstaat ersetzt werden, der den jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen und Bauern ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben ermöglicht; einen Staat also, der auch auf anderen sozialen Grundlagen als der jetzige kapitalistischer Staat fußt: auf einer demokratischen Planwirtschaft und der Herrschaft der Arbeiterklasse.

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Nr. 113, August/Sept. 2006

*  Libanon: Protektorat des Imperialismus?
*  Israel/Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Libanon: Was ist Hisbollah?
*  Klassenkampf und soziale Bewegung: Welche Perspektive?
*  Schmiergeldskandale: Korruption mit System
*  Venezuala: Gegen Bosse und Bürokraten
*  WASG-Linke: Stunde der Integratoren
*  Hisbollah-Verbot droht: Weg mit den Antiterrorgesetzen!
*  Linkspartei.PDS: "Der Anfang ist gemacht ..."
*  Wahlen in Berlin: WASG wählen, Widerstand formieren