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Venezuela

Chavez ruft für Fünfte Internationale auf

Redaktion, Neue Internationale 145, Dezember 2009/Januar 2010

Venezuelas Präsident Hugo Chavez hat angekündigt, dass er Schritte zur Bildung einer 5. Internationale unternehmen will. Diesen Vorschlag verkündete er auf dem „Internationalen Treffen der Linken“ in Caracas am 20.11.09 vor Delegierten aus 39 Ländern.

Die Liga für die 5. Internationale (LFI) plädiert schon seit Jahren dafür, dass die Angriffe auf die Errungenschaften der Arbeiterklasse - gerade in Zeiten der tiefsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit - dringend einer internationalen Koordination des Widerstandes bedürfen.

Viele linke Organisationen, auch solche, die sich als revolutionär verstehen, haben diese Vorschläge als „utopisch“ abgetan. Sie meinten, die Zeit wäre „nicht reif“ dafür, sie kämen „zu plötzlich“ oder sie seien „zu weit gehend“. Auch gäbe es keine relevanten Kräfte, die einen solchen Schritt auch nur in Erwägung ziehen würden. Vielleicht wird Chavez´ Initiative diese Leute nun wachrütteln.

Versagen der „radikalen“ Linken

Eigentlich ist es Skandal, dass Organisationen, die sich als antikapitalistisch betrachten, es einem Hugo Chavez überlassen, diesen Aufruf zu lancieren. Das zeigt, wie wenig die „radikale Linke“ es verstanden hat, die gegenwärtigen Aufgaben klar und kühn anzupacken.

RevolutionärInnen können jedoch die Gründung einer neuen Arbeiterinternationale keinesfalls der Initiative der Führung eines bürgerlichen Staates überlassen, d. h. eines Staates, der das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln verteidigt. Chavez ist zwar wiederholt mit dem Imperialismus aneinander geraten und hat unter dem Druck der Massen wichtige Reformen im Gesundheits- und Bildungswesen für die Bevölkerungsmehrheit eingeführt. Doch Chavez selbst hat in seiner Rede, in der er die 5. Internationale forderte, zugleich auch zugegeben, dass Venezuela ein kapitalistisches Land mit einem kapitalistischen Staatsapparat bleibt.

Eine an einen solchen Staat gebundene Internationale wäre keine Arbeiterinternationale, deren Ziel die sozialistische Revolution ist, sondern eine Einrichtung unter bürgerlich- nationalistischer Führung mit sozialistischem Anstrich. Wenn sie unter der Regie von Chavez und seinem bürgerlichen Regime gegründet werden würde, könnte diese Internationale niemals einen von fremden Klassen unabhängigen Kurs des Proletariats steuern. Sie würde zu einer willfährigen Stütze für Chavez und Co. verkommen. Wir sollten nicht vergessen, dass Chavez kürzlich noch Achmadinedschads brutale Unterdrückung der ArbeiterInnen, Frauen und Jugendlichen im Iran, die für demokratische Rechte eintraten, unterstützte sowie die Repression in Simbabwe unter Robert Mugabes.

Im 21. Jahrhundert, der Ära einer historischen Krise des Kapitalismus, würden strategische Bündnisse mit „progressiven“, „antiimperialistischen“ oder nationalen Bourgeoisien - ganz zu schweigen von einer gemeinsamen Internationale aus ArbeiterInnen und bürgerlichen Nationalisten - die Arbeiterklasse an eine Sektion des Kapitals fesseln und sie den Interessen der Bourgeoisie unterordnen. Dies würde den Weg zur sozialistischen Revolution und zu einem Programm für Arbeitermacht versperren. Es würde die Irrtümer und Verbrechen der Komintern unter Stalin wiederholen. Die Bindung der Internationale an die Außenpolitik eines bestimmten Staates (selbst eines Arbeiterstaates) kann niemals eine gesunde Grundlage für eine Internationale sein.

Trotz des bürgerlichen Klassencharakters von Chavez´ Projekt hat der venezolanische Präsident ein echtes Bedürfnis angesprochen, das von Millionen ArbeiterInnen, Bauern und Armen verspürt wird, die gegen Ausbeutung und Imperialismus kämpfen.

Ein echtes Bedürfnis

Um zu verhindern, dass die Regierungen den ArbeiterInnen die Kosten für die Krise aufbürden, braucht die Arbeiterklasse in der Tat eine neue, kämpfende, revolutionäre Internationale. Dieses Bedürfnis muss deshalb unbedingt positiv aufgegriffen werden!

Nur mit Kritik auf Chavez´ Forderung zu reagieren, hieße praktisch, dieses brennende Bedürfnis zu ignorieren. Die Arbeiterklasse und die verarmten Massen der Welt brauchen eine Internationale - jetzt! Sie brauchen eine solche Organisation, um der Krise zu begegnen. Sie brauchen sie, um die imperialistischen Kriege und Besatzungen zu beenden. Sie brauchen sie, um unterdrückten Nationalitäten wie den PalästinenserInnen und den TamilInnen in Sri Lanka beizustehen.

Die Arbeiterklasse und die Unterdrückten der ganzen Welt werden durch eine Periode des sich verschärfenden Chaos im kapitalistischen System bedroht. Sie erleben die massive Zerstörung der Umwelt und neue Konflikte zwischen den Großmächten bei deren Versuch, die Ressourcen und die Märkte neu zu verteilen. Die Massen brauchen gegen all diese Gefahren eine Weltpartei der sozialistischen Revolution - unabhängig von allen Staaten und deren Herrschern.

Deshalb ist es die Pflicht aller AntikapitalistInnen und linken Organisationen, wie z.B. der NPA in Frankreich (die ihrerseits ebenfalls die Frage einer neuen Internationale aufgeworfen hat), ihre Kräfte zu bündeln und eine gemeinsame Konferenz einzuberufen. Eine solche Konferenz muss ein Aktionsprogramm für die Koordinierung unserer Abwehrkämpfe debattieren und sie in einen revolutionären Gegenangriff gegen Imperialismus und Kapitalismus umformen. Auch die Organisationsformen, die für die Durchsetzung eines solchen Programms nötig sind, müssen erörtert werden.

Die Liga für die 5. Internationale wird - wenn möglich - bei Chavez´ Zusammenkunft 2010 intervenieren. Wir rufen aber schon jetzt all jene, die für eine neue Internationale auf Grundlage der Klassenunabhängigkeit des Proletariats und auf Grundlage eines neues revolutionäres Programm eintreten wollen, dazu auf, 2010 mit uns zusammen ernsthafte Schritte in diese Richtung zu gehen!

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Nr. 145, Dez./Jan. 2009/10
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