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Unbefristeter Streik!

Anne Moll, Neue Internationale 141, Juli/August 2009

In der Tarifauseinandersetzung im Sozial- und Erziehungsdienst wird seit Anfang Mai gestreikt. In Baden-Württemberg waren es bis Anfang Juli 12, in Bremen und Niedersachsen sogar 17 Streiktage. Die Beteiligung ist hoch, in der Urabstimmung zum Streik haben sich 90% der Gewerkschaftsmitglieder für Streik ausgesprochen.

Im Mittelpunkt stehen ein Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung und die Verhandlungen zu einer verbesserten Eingruppierung, d.h. für höhere Löhne.

Bis zum Ferienbeginn einiger Bundesländer gab es sehr erfolgreiche Streiks und zentrale Demonstrationen in Köln und Mannheim mit Tausenden Beschäftigten. Auch die Solidarität der Eltern war groß, so dass viel Druck auf die Entscheidungsträger ausgeübt wurde.

Am 23. Juni hofften deshalb die Beschäftigten und ver.di auf ein Verhandlungsergebnis - nach fünf Tagen Verhandlungsmarathon!

Aber die Arbeit“geber“ spielen auf Zeit. Ihr Angebot war so schlecht, das ver.di gezwungen ist, die Streiks fortzuführen. Das ist gut so. Der Streik hat unsere volle Unterstützung. Doch nun kommt erst die Sommerpause.

Nächste Streikwelle oder Ausverkauf?

Das Angebot der Arbeit“geber“ muss in der Logik des TVöD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) betrachtet werden. Der TVöD löste im Oktober 2005 den BAT (Bundesangestelltentarifvertrag) ab. Mit Einverständnis der Gewerkschaftsführung sind dort deutlich abgesenkte Löhne für BerufsanfängerInnen festgeschrieben. Diese Niedriglöhne war man jetzt bereit, auf das alte BAT-Niveau aufzustocken. Das Angebot ging also „nur“ an die nach 2005 neu Eingestellten und würde nur für 20% der Beschäftigten eine Verbesserung darstellen, die allerdings nicht über das Lohnniveau von 1990 hinaus ginge!

Sich nicht darauf einzulassen, um wenigstens diesen Fehler der Vergangenheit auszubügeln, wäre gut.

Wie weiter?

Nach bis zu 17 Streiktagen schlägt die Solidarität der Eltern auch schon mal in Unverständnis um, denn sie wissen tatsächlich nicht, wie sie ihren Alltag bewältigen sollen, wenn die Betreuung der Kinder nicht gewährleistet ist.

Natürlich versucht die bürgerliche Presse, diese Probleme zu nutzen, indem sie die Streiks in Betreuungseinrichtungen generell in Frage stellt, die Eltern und Kinder als unschuldige Opfer darstellt und kein Wort über die eigentlichen Verantwortlichen schreibt: Die Politiker in den Kommunen und Städten, die zwar immer die Wichtigkeit der Arbeit in der Kinderbetreuung betonen, aber keinen Cent für entsprechende Arbeitsbedingungen und Löhne ausgeben wollen!

In Hamburg wurde per einstweiliger Verfügung sogar versucht, den Streik zu verbieten.

Der Streik der Sozial- und Erziehungsdienste wirft eine brisante Frage auf: die Kita-Gebühren werden trotz Schließung der Einrichtung fällig, die Kommunen zahlen den Streikenden keinen Lohn und behalten die Gebühren ein.

Es braucht die richtigen Strategien und Maßnahmen, um die Solidarität in der Bevölkerung zu verstärken, um nicht Kampfkraft zu verlieren, sondern den Druck auf die Arbeit“geber“ zu erhöhen, bis die Forderungen im Sinne der Beschäftigten voll erfüllt sind.

Beispiel Stuttgart

Ein positives Beispiel gibt ver.di Stuttgart. Sie laden die Eltern zum Elternabend ein, um gemeinsam mit den ErzieherInnen über die Situation zu diskutieren. Das muss auch genutzt werden, um das weitere Vorgehen - ab September soll es zu bundesweiten unbefristeten Streiks kommen - gemeinsam zu planen, damit die Eltern sich nicht im Stich gelassen fühlen und die ErzieherInnen weiterhin die nötige Solidarität erfahren.

Möglich wäre es zum Beispiel, die Kita-Gebühren auf ein Treuhandkonto zu überweisen, damit die Arbeit“geber“ finanziell unter Druck geraten. Auch die Organisation der Kinderbetreuung könnte ganz konkret an so einem Elternabend organisiert werden: durch Nachbarschaftshilfe und die Ermittlung, wo Notdienste notwendig sind und ob sie mit Elternarbeit ermöglicht werden können.

Die Unternehmer halten sich schön raus und überlassen den Städten, Kommunen und privaten Trägern die Kinderbetreuung, damit die Eltern fürs Kapital schuften können!

Zusätzlich sollten alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, die nach dem TVöD bezahlt werden, zu Solidaritätsstreiks aufgerufen werden. Denn für sie alle wurden mit der Ablösung vom BAT die Löhne gesenkt und siem wurden mit einer neuen Entgeltordnung vertröstet. Die lässt bis heute auf sich warten. Hier könnte man ganz konkret die Forderungen der Sozial- und Erziehungsdienstbeschäftigten mit denen des gesamten Öffentlichen Dienstes verbinden. Gemeinsam gegen Niedriglohn und hohe Arbeitsbelastungen!

Noch etwas sollte allen klar sein: Dieser Arbeitskampf hat die Vorreiterrolle für andere Tarifauseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst und anderer Träger für Erziehungsdienste (z.B. Rotes Kreuz und kirchliche Träger). Wenn er in einer Niederlage für die Beschäftigten endet, sind andere Träger gezwungen, sich am Abschluss der Kommunen zu orientieren.

Schließlich geht der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und ausreichende Kinderbetreuung nicht „nur“ die ErzieherInnen an. Es ist ein Anliegen der gesamten Arbeiterklasse. Überarbeitete, schlecht entlohnte Beschäftigte, unterausgestattete Kitas bedeuten eine Verschlechterung für die gesamte Klasse. Solidarität lohnt sich hier doppelt!!

Die geplante Wiederaufnahme des Streiks noch vor der Bundestagswahl im September kann und muss ein wichtiges Signal für breiteren Widerstand auch gegen die Krise sein. Wir schlagen folgende Forderungen vor:

Mindestlohn von 11 Euro netto! 30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Ausbildungsvergütung, die ein selbstständiges Leben ermöglicht!

Kleinere Betreuungsgruppen!

Bessere Ausbildung, kontrolliert von den Gewerkschaften!

Hilfsangebote der Kinder- und Jugendhilfe in jedem Stadtteil, für alle jederzeit zugänglich!

Ausreichende staatliche Finanzierung aller Einrichtungen, finanziert aus der Besteuerung von Kapital und Besitz!

Überführung aller Kitas in eine einheitliche staatliche Trägerschaft - unter Kontrolle der Beschäftigten, der Gewerkschaften, Kommunen und Eltern!

Diese Forderungen - das hat der bisherige Streik gezeigt - werden die Kommunen und andere Träger nur nach erbittertem Kampf erfüllen. Dazu ist ein unbefristeter Streik erforderlich!

Die Erfahrung zeigt aber auch, dass die Gewerkschaftsführung selbst dann nur allzu oft den Kampf mit einem faulen Kompromiss „ausklingen“ lässt. Es darf daher keine Geheimverhandlungen hinter dem Rücken der Mitglieder, keinen Abschluss ohne vorherige Diskussion und Abstimmung an der Basis geben!

Um das sicherzustellen, muss der Arbeitskampf von Beginn an von unten kontrolliert werden - durch Vollversammlungen der Streikenden, durch Rechenschaftspflicht, Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen und Verhandlungskommissionen!

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Nr. 141, Juli/Aug. 2009
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*  Heile Welt
*  Kitas: Unbefristeter Streik!
*  Programm gegen die Krise: Arbeiterkontrolle erst nach der Verstaatlichung?
*  Berlin: Alle reden von Bad Banks - die Linkspartei saniert eine
*  Bildungsstreik: Die Bewegung wächst
*  Sri Lanka: Gewerkschafter enthüllen Wahrheit über die Lager
*  Befreiungskampf: Solidarität mit den Tamilen!
*  Honduras: Nieder mit dem Putsch!
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*  Afghanistan: Widerstand und revolutionäre Arbeiterpolitik
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*  Iran: Massenproteste und ihre Perspektive