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Nach der Volksabstimmung zu S21

Widerstand muss Schule machen – die Kapitalisten-Manager können weiter mit uns rechnen!

Flugblatt der Gruppe Arbeitermacht/OG Stuttgart, Infomail 592, 5. Dezember 2011

Die Volksabstimmung ist vorbei – aber wichtige Fragen, die unsere Bewegung aufgeworfen hat, standen dort nicht zur Entscheidung: Wer sitzt bei der Bahn in den Vorstandsetagen und jongliert hinter verschlossenen Türen mit unseren Milliarden? Werden wichtige politische Fragen von Wendehälsen und Paragraphenverdrehern in Ministerien, Behörden und Gerichten entschieden, oder von denen, die von den Entscheidungen betroffen sind? Rückbau der Regionalstrecken oder kostenloser Nahverkehr für alle? Eine Bahn AG, die Aktionäre reicher macht oder eine Bahn, die pünktlich, oft und bezahlbar fährt?

Die Abstimmung war eine politische Niederlage für die S21-Bewegung. Es macht keinen Sinn, dies wegzudiskutieren oder zu ignorieren. Doch um die Niederlage zu überwinden, müssen wir uns klar machen, welche Erfolge wir errungen und welche Möglichkeiten wir haben, weiterzukämpfen. Wenn die Tunnelpolitiker – und zu denen muss nun auch Kretschmann zählen – nach der Abstimmung von einer „demokratischen Legitimation“ für S21 sprechen, spricht dies Bände über deren „Demokratie“: Nach 17jährigen Planungen durch ungewählte Funktionäre und ohne demokratische Kontrolle findet eine Abstimmung statt, die auf der Grundlage von Lügen, Vertuschung und Drohungen (die Schadenersatzforderungen seien fast doppelt so hoch wie der Finanzierungsanteil) entschieden wird!

Das wirklich Herausragende an unserer Bewegung ist, dass wir tausende AktivistInnen sind, die seit mehr als einem Jahr in unzähligen Aktionen Ausdauer und Überzeugung bewiesen haben. Keiner hat erwarten können, dass eine Protestbewegung in Stuttgart dem jahrzehntelang gewachsenen CDU-Filz die Stirn bieten und eine Regierung zu Fall bringen kann.

Um die Bedeutung unserer Bewegung einzuschätzen, hilft es, die Reaktionen unserer politischen Gegner zu betrachten: Wenn die Frage „Bauen oder nicht bauen?“ zu einer historischen Grundsatzfrage stilisiert wird („Fortschritt oder Stillstand in Deutschland“, „Europäische Metropole oder Provinzstadt“ etc.) oder krude Terror- und Gewaltvorwürfe („SA-Methoden“, „versuchter Totschlag“) herangezogen werden, um uns zu diffamieren, dann erkennen die Protagonisten uns zumindest als Bedrohung für ihre Politik an – und nicht nur für ihr Bahnhofsprojekt. Zeitweise wuchs die Bahnhofsfrage zu einer Staatskrise heran – unter dem massiven Druck der Straße musste das CDU-FDP-SPD-Establishment zulassen, ein im Rahmen „demokratischer Verfahren“ angeblich vorbildlich legitimiertes Projekt erneut zur Diskussion zu stellen – natürlich ohne die Tricksereien, Lügen und Verheimlichungen zu stoppen, die nötig sind, ein kapitalistisches Unsinnsprojekt als zukunftsweisend darzustellen.

Sowohl das überwältigende Anwachsen des Protestes im letzten Jahr als auch die panischen Reaktionen der S21-Parteien, die im 30.09. gipfelten, zeigten dabei:

Massenproteste gegen Milliarden-Geschenke sind möglich – und für die herrschenden politischen Kräfte ist dies ein Schreckgespenst. Massenproteste nicht nur gegen ein Bauprojekt, sondern gegen andere Milliardenschleudern wie die gewaltigen „Rettungsschirme“ sind für die Steuermänner des Kapitalismus ein Horrorszenario.

Warum wurde der Ausstieg abgelehnt?

Natürlich muss die Frage beantwortet werden, warum wir bei der Abstimmung die Mehrheit so klar verfehlt haben und sogar in Stuttgart der Ausstieg mehrheitlich abgelehnt wurde.

Wir haben immer betont, dass der Charakter der Volksabstimmung nicht wirklich demokratisch ist. Eine „freie“ demokratische Entscheidung war schon dadurch nicht möglich, dass die Umstände der Abstimmung von der Regierung vorgegeben waren: Wann und worüber abgestimmt wird – und ob überhaupt eine Abstimmung stattfindet – wurde von der Regierung entschieden. Zur Abstimmung stand nur ein kleiner Anteil der Finanzierung des Projektes (der Landesanteil), nicht die grundsätzliche Frage des Ob und Wie des Bahnhofsumbaus, und das zu einem Zeitpunkt, als bereits unumkehrbare Fakten geschaffen waren (Nordflügel und Park). So hatte es die Pro-Kampagne leicht, aus der „freien“ Abstimmung ein Ultimatum zu machen: „vernünftig sein“ und weitermachen – oder Baustopp, Chaos und weitere Auseinandersetzung.

SPD und Gewerkschaften im Bund mit den Tunnelprofiteuren

Der wichtigere Grund, warum wir nicht mehr WählerInnen mobilisiert haben, ist jedoch, dass die Gewerkschaftsführungen eine politische Kampagne abgelehnt haben und die SPD sogar zu den entschlossensten Verfechtern gehört! Nur mit Unterstützung dieser Organisationen hätten wir deutlich mehr Menschen gewinnen können – nämlich die Lohnabhängigen und Arbeitslosen im Land! Natürlich haben einzelne GewerkschafterInnen und SPD-Mitglieder aktiv gegen S21 gekämpft – aber deren Basis von Millionen ArbeiterInnen und Jugendlichen wäre nur mit einer organisierten Aktions- und Informationskampagne zu gewinnen gewesen.

Es hätte die Aufgabe dieser Massenorganisationen sein müssen, klar gegen S21 Position zu beziehen und auch zu begründen, warum dies für ArbeiterInnen wichtig ist:

S21 ist ein Konjunkturprogramm für Bauunternehmer und Investoren, bezahlt mit Steuergeldern der Massen. S21 schafft keine Jobs, aber Profite, und stärkt nicht die Schiene, sondern das Kapital! Es handelt sich um ein Programm kapitalistischer Krisenbewältigung, und das bedeutet: die Krise der Kapitalisten soll gelöst werden, indem diejenige der ArbeiterInnen vergrößert wird. So reiht sich S21 ein in die großen Konjunktur- und Rettungspakete, die nur einen Zweck verfolgen: die Reichen sollen auf Kosten der Massen gerettet werden.

Hier liegt auch der Schlüssel dafür, wie wir den Kampf gegen S21 weiterführen können und müssen.

Schließlich ging und geht es für uns um mehr als nur die Frage, ob dieser oder jener Bahnhof gebaut wird. S21 ist Teil eines Gesamtkonzepts zur kapitalgerechten Umstrukturierung der Bahn, zur Vorbereitung des zur Zeit auf Eis gelegten Börsengangs, zur Orientierung auf Gewinnmaximierung, die auf Kosten des Nahverkehrs geht, das zu höheren Preisen für die NutzerInnen und zu geringeren Löhnen, Arbeitsverdichtung und Personalabbau bei den Beschäftigten führt.

Wir schlagen daher vor, dass sich die S21-Bewegung, das Aktionsbündnis, die ParkbeschützerInnen und BesetzerInnen in Zukunft das Ziel bereiter fassen und den Kampf gegen das Milliardengrab S21 mit folgenden Forderungen verbindet:

Für ein öffentliches Verkehrssystem, das am Interesse der NutzerInnen - insbesondere von BerufspendlerInnen, Jugendlichen und RentnerInnen - ausgerichtet ist!

Kostenloser und öffentlicher Nahverkehr statt Milliardengrab S21!

Keine Privatisierung der Bahn und des Öffentlichen Nahverkehrs! Kein Börsengang!

Massive Investitionen in Bahn u.a. Öffentliche Verkehrsmittel unter Kontrolle der Beschäftigen, der Gewerkschaften und von Komitees der NutzerInnen!

Finanzierung dieser Maßnahmen durch den Verzicht auch das Milliardengrab S21 und durch die Besteuerung der Reichen, der Unternehmen und privaten Geldvermögen!

Wir schlagen vor, für eine solche Kampagne Aktionsgruppen in den Stadtteilen, an den Schulen, in Unis und in den Betrieben zu bilden. Wir fordern von den Gewerkschaften und der Linkspartei, aber auch allen anderen, die diese Ziele teilen, sich aktiv an einem solchen Bündnis zu beteiligen.

Der Kampf gegen S21 zeigt, dass wir von der Grünen/SPD-Regierung nichts geschenkt kriegen. Wir müssen weiter Druck machen mit Demonstrationen und Besetzungen. Die ParkbewohnerInnen und Blockaden müssen gegen Repression und eine drohende Räumung geschützt werden!

Außerdem sollten wir eine Solidaritätskampagne mit allen initiieren, die festgenommen wurden und denen Gerichtsverfahren drohen und die Einstellung aller Verfahren fordern.

Wichtig ist es aber auch, dass wir diskutieren, wie wir mit unseren Forderungen die Masse der Bevölkerung, v.a. die Lohnabhängigen und die Jugend erreichen können. Denn das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir über Demonstrationen und Blockaden hinausgehen können - hin zu betrieblichen Aktionen und politischen Streiks!

Daher ist es nötig, eine Aktionskonferenz einzuberufen, auf der die politischen Ziele und Methoden diskutiert und festgelegt werden und demokratisch eine Koordinierung bestimmt wird.

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Nr. 165, Dez. 2011/Jan. 2012
*  Italien und die Eurozone am Abgrund
*  Widerstand: Wohin geht Occupy?
*  CDU-Mindestlohndebatte: Mogelpackung
*  Bildungsstreikbewegung: Bildung in der Krise
*  DIE LINKE: Frauenbefreiung light
*  S21 nach der Volksabstimmung: Die Bewegung braucht eine neu Strategie
*  Berlin S-Bahn-Krise: Das nächste Desaster
*  Öl-Unfall in Brasilien: Tiefes Leck, hohe Profite
*  Syrien: Imperialistische Konkurrenz und revolutionäre Perspektive
*  Pakistan: Repression gegen ArbeiterInnen
*  Kriegsdrohungen: Hände weg vom Iran!
*  Rechter Terror, Staat und Gegenwehr




Die Schlichtungs-Seifenblase ist geplatzt

Wie weiter im Widerstand?

Eine marxistische Analyse des Ursprungs, Charakters und der Perspektiven der Bewegung gegen Stuttgart 21

Januar 2011

*  Vorwort
*  Das Projekt
*  Die Bewegung und ihre Führung
*  Entwicklung der Bewegung und die Frage des Staates
*  K 21-Bündnis und Aktionskonferenzen
*  Wie weiter?
*  Nachsatz: Die Landtagswahlen im März



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