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DIE LINKE

Frauenbefreiung light

Sibylle Streit, Neue Internationale 165, Dezember 2011/Januar 2012

Im Parteiprogramm spricht die LINKE von Reproduktionsarbeit und von einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, welche die Frau im Kapitalismus unterdrücken. Im Gegensatz zum bürgerlichen Feminismus sieht das Linkspartei-Programm die Ursachen der Frauenunterdrückung als soziale Frage und nicht nur als eine ideologische an.

Im Programm werden viele Aspekte der Frauenunterdrückung beschrieben, allerdings wird die hauptsächliche Verbindung zwischen kapitalistischem Arbeitsmarkt und der Frau nicht benannt. Stattdessen finden wir Aussagen wie: „Mädchen von heute haben eine viel bessere Bildung als ihre Groß- und Urgroßmütter, sie können studieren, Karriere machen, „Männerberufe“ erlernen.“ Diese Entwicklung wird hauptsächlich der 68er Frauenbewegung zugeschrieben. Vergessen wird dabei, wann und warum verschiedene Gruppen der Gesellschaft Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen.

Das Kapital braucht derzeit neue gut ausgebildete Arbeitskräfte in manchen Bereichen, deswegen gibt es dann staatliche Kampagnen - das hat wenig mit Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu tun!

So strömten Frauen immer dann in Massen auf den Arbeitsmarkt, wenn entweder Krieg war oder der Kapitalismus in einer Aufschwungphase mehr Arbeitskräfte brauchte. Genauso schnell wie der Aufschwung verschwanden die Frauen dann wieder aus der Produktion, wenn Krise und Arbeitslosigkeit grassierten. Gleichzeitig setzt das Kapital Frau und Mann in Konkurrenz zueinander. So dienen auch die durchschnittlich 23% weniger Lohn für Frauen dem Kapital zur allgemeinen Lohnsenkung. Gleichzeitig sind Frauen bevorzugt in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen tätig, in der Teilzeit oder als Mini-Jobberin, somit ist besonders die Frau flexibel fürs Kapital einsetzbar. Diese Entwicklung ist nicht neu, wird aber durch Globalisierung und Krise weiter verschärft.

Wie die ökonomische Unabhängigkeit der Frau real aussieht, sehen wir am besten am Beispiel der alleinerziehenden Frau im „Postfordismus“. Keine Gruppe der Arbeitslosen in der BRD wird seit der Hartz IV-Reform so schlecht gestellt wie alleinerziehende Frauen. Kürzlich entschied der Bundesgerichsthof, dass Alleinerziehende keinen Anspruch auf Unterhalt haben. Sobald das Kind drei Jahre alt ist, soll die (oder der) Alleinerziehende Vollzeit arbeiten. Zynischerweise wurde dies so begründet, dass dadurch Frauen wieder schneller Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen würden.

Kampfperspektive?

Bei diesen Fragen der sozialen Gleichstellung, der Lohnunterschiede von Mann und Frau wäre es wichtig, Forderungen zu erheben, um eine Kampfperspektive aufzuzeigen, für welche die LINKE eintritt. Doch gerade das bleibt im Nebel. Als Perspektive wird lediglich benannt: „In dieser Lage reichen alle Forderungen nach Gleichstellung, nach alternativen Familienmodellen, nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht aus. Mehrfachbelastung darf nicht individualisiert werden. Die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat gesellschaftliche und ökonomische Ursachen. Familie ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, egal, ob als Lebensgemeinschaft, als Ehepaar, als Mehrgenerationenhaushalt oder in anderen Formen der Gemeinschaft. Familie ist da, wo Menschen, egal welcher sexuellen Orientierung, füreinander da sind.“

Als Lösung für Überausbeutung und Entrechtung der weiblichen Arbeitskraft im Kapitalismus wird hier lediglich der Familienbegriff erweitert. Doch weder auf konkrete Ziele, noch auf Methoden oder die Frage nach Bündnsipartnern wird eingegangen. Wie auch sonst verpflichtet das Programm auch hier zu nichts und ist von der Parteibürokratie in alle Richtungen auslegbar. Zudem enthält dieser Absatz einen Widerspruch: Während am Anfang die Forderung nach alternativen Familienmodellen als nicht ausreichend bezeichnet wird, wird am Ende eben doch damit geschlossen, dass die Familie mehr ist als nur das bürgerliche Familienmodell.

Nötig ist auch ein gewerkschaftlicher Kampf für gleiche und ausreichende Löhne. Dass die reformistischen Gewerkschaftsführungen diesen Kampf nicht oder sehr inkonsequent führen, ist offensichtlich. Wenn wir nun aber nach einer grundsätzlichen Kritik an der DGB-Bürokratie suchen, werden wir enttäuscht. Auch ersthafte Versuche seitens der LINKEN, wenigstens den 8. März zu einem Thema oder gar zum Anlass für Mobilisierungen in den Gewerkschaften zu nehmen, gibt es real kaum.

Wenn „Mehrfachbelastung nicht individualisiert“ werden darf, dann kann die Alternative ja nur sein, die Hausarbeit - insbesondere die Kinderbetreuung - zu sozialisieren. Zwar stellt die LINKE  dort tendenziell richtige Forderungen auf (mehr und billigere Kita-Plätze usw.), doch auch da fehlt wieder jede konkrete Aussage, wie das erreicht werden kann.

Überhaupt finden wir im Programm nichts dazu, wie sich Frau organisieren sollte, um für ihre Interessen kämpfen zu können. So wird weder ein Caucusrecht (Recht auf eigene Treffen von Frauen u.a. spezifisch Unterdrückten) z.B. in den Gewerkschaften gefordert, noch wird etwa die Forderung nach einer proletarischen Frauenbewegung erhoben.

Die Geschlechterfrage kann im Kapitalismus nicht gelöst werden. Doch die reale Alternative, eine sozialistische Gesellschaft mit demokratischer Planung aller gesellschaftlich relevanter Bereiche, wird, wenn überhaupt, nur als allgemeine „Sonntagforderung“ erwähnt. Ohne Forderungen, ohne Kritik bürgerlicher „Gleichberechtigung“ am Arbeitsmarkt ist dies keine Programmatik zur Frauenbefreiung, sondern höchstens eine Beschreibung von Auswirkungen und eine Annäherung an die Ursachen.

Insgesamt fällt das LINKEN-Programm weit unter das Level zurück, das die internationale Arbeiterbewegung schon vor Jahrzehnten erreicht hatte.

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Nr. 165, Dez. 2011/Jan. 2012
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*  Widerstand: Wohin geht Occupy?
*  CDU-Mindestlohndebatte: Mogelpackung
*  Bildungsstreikbewegung: Bildung in der Krise
*  DIE LINKE: Frauenbefreiung light
*  S21 nach der Volksabstimmung: Die Bewegung braucht eine neu Strategie
*  Berlin S-Bahn-Krise: Das nächste Desaster
*  Öl-Unfall in Brasilien: Tiefes Leck, hohe Profite
*  Syrien: Imperialistische Konkurrenz und revolutionäre Perspektive
*  Pakistan: Repression gegen ArbeiterInnen
*  Kriegsdrohungen: Hände weg vom Iran!
*  Rechter Terror, Staat und Gegenwehr