Arbeitermacht
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1980-1991:

Altersschwacher Zentrismus

Seit dem Beginn der 1980er Jahre hat sich das Erscheinungsbild des VS dramatisch verändert. Eine der größeren Sektionen, die SWP(US), führte wiederholt Ausschlußwellen durch, degenerierte zum Neo-Stalinismus und verließ schließlich das VS. Dereinst starke Sektionen in Britannien und Frankreich schrumpften oder zersplitterten. Zentrale Aussagen des revolutionären Marxismus - hinsichtlich des Charakters des Staates, der permanenten Revolution und der politischen Revolution - wurden offen zurückgewiesen.

Spätestens hier stellt sich die Frage, warum sich das VS trotz seiner zentristischen Methode so lange am Leben halten konnte. Warum wurde es nicht durch die Schlüsselereignisse des internationalen Klassenkampfes dazu gezwungen, ein für alle mal ins Lager des konterrevolutionären Stalinismus, der Sozialdemokratie oder einer anderen bürgerlichen Strömung in der Arbeiterbewegung zu wechseln?

Der Grund dafür ist die Isolation des VS von den meisten dieser historischen Aufgaben. Da es keine Führungsrolle innehatte, war es wiederholt in der Lage, die Verantwortung für den politischen Verrat, den es begangen hatte, abzuwälzen (so in Bolivien 1952, in Sri Lanka 1963, in Portugal 1974 oder in Nikaragua und im Iran 1979).

Schließlich wurden und werden die katastrophalen Konsequenzen dieser opportunistischen Anpassung an andere Klassenkräfte unbestreitbar und führ(t)en zum Verlust ganzer Sektionen und zur Zerstreuung einer ganzen Generation von Kadern. In diesen Fällen produziert des VS eine reuige - und üblicherweise äußerst kurze - Selbstkritik, um sich danach einer anderen fremden Klasse anzupassen. Trotz der ständigen Schwankungen und fortdauernden Degeneration läßt sich die Kontinuität einer bestimmten zentristischen Methode, der eines verknöcherten Zentrismus, nachweisen, die all diesem Hin und Her zugrunde liegt.

Die Vierte Internationale degenerierte zwischen 1948 und 1951 in den Zentrismus, vor allem wegen der weltweiten Expansion des Stalinismus, der bürokratischen Umstürze in Osteuropa und China. Diese historischen Ereignisse widerlegten scheinbar Trotzkis Charakterisierung des Stalinismus als konterrevolutionärer Kraft wie auch seine Perspektiven und Prognosen. Aber die eigentliche Verwirrung lag nicht in Trotzkis Analyse, sondern in der Interpretation der Nachkriegsereignisse durch die Pablo-Mandel-Frank-Cannon-Führung.

Falls "Revolutionen" von Stalin, Tito oder Mao durchgeführt werden konnten, waren die Vierte Internationale und ihr Programm zumindest für die "erste Etappe" der Weltrevolution nicht notwendig. Das sollte auch das Scheitern der Vierten Internationalen erklären, die "entscheidende Kraft auf dem Planeten", wie es Trotzki am Beginn des Zweiten Weltkrieges vorausgesagt hatte, zu werden.

Am Dritten Weltkongreß 1951 nahm die gesamte Internationale eine zentristische Methode an. Sie "bewaffnete" sich bewußt mit einer Methode der systematischen Anpassung an Strömungen aus dem Kreis des Stalinismus, des kleinbürgerlichen Nationalismus und der Sozialdemokratie. Die Früchte dieser Zurückweisung des "alten Trotzkismus", der nun als Sektierertum gebrandmarkt wurde, ließen nicht lange auf sich warten.

Seit 1953 spaltet sich die Internationale, vereinigte sich, spaltete sich wieder usw. usf. entlang fraktioneller Fehden über die Frage, welcher nicht-proletarischen Kraft man sich opportunistisch anpassen sollte. Seither hat diese Methode zu falschen Perspektiven und Taktiken sowie zu katastrophalen Schwenks in jedem Jahrzehnt geführt.

Die 80er Jahre bildeten hier keine Ausnahme. Einem zentristischen Fehler folgte der nächste. Von Nikaragua, über Polen zur UdSSR: Die Methode des VS hat direkt zum politischen und organisatorischen Zusammenbruch geführt.

Wichtiger noch ist, daß dieses Jahrzehnt mit welthistorischen Ereignissen endete, Ereignissen, die die Existenz jener Staaten und politischen Strömungen untergruben, die über Jahrzehnte einen Tummelplatz für den zentristischen Kurs des VS hergaben. Der Zerfall des Stalinismus in all seinen Spielarten (einschließlich Vietnams und Kubas), der Zusammenbruch des kleinbürgerlichen Nationalismus (einschließlich des nikaraguanischen) rissen die glaubwürdigen "alternativen, empirischen, unbewußten" Führungen, denen das VS hätte folgen können, mit sich.

In den nächsten Jahren werden Ereignisse eintreten, die das VS an den Rand des Abgrunds treiben werden, an den Punkt, wo ihm seine vierzig Jahre alte Methode nicht mehr weiterhilft und wo jede weitere Identifikation mit einem "trotzkistischen Mäntelchen" als reine Belastung gesehen wird. Schon das letzte Jahrzehnt zeigte eine Internationale, die von der Geschichte vor die Entscheidung gestellt wird: "Hic Rhodus. Hic Salta!"

Nikaraguas langer Schatten

Der relativ rasche Niedergang des VS begann mit der sandinistischen Revolution 1979. Auf ein anfängliches "sektiererisches" Zögern folgte eine typische Kapitulation gegenüber dem kleinbürgerlichen Nationalismus. Nachdem das VS jedes Programm zur Machtergreifung der Arbeiterklasse, zur Schaffung einer Arbeiter- und Bauernregierung und - natürlich - zur Schaffung einer revolutionären Partei zur Führung dieses Kampfes aufgegeben hatte, entschied es sich für die Unterstützung einer Volksfrontregierung, die von den Sandinisten dominiert wurde.

Da es zu starker Tobak gewesen wäre, Trotzkis Ablehnung der Unterstützung von Volksfronten, öffentlich abzukanzeln, verfiel es auf eine noch groteskere Revision des Marxismus. Es brach ein scharfer Fraktionskampf darüber aus, ob Nikaragua ein gesunder Arbeiterstaat sei (und noch immer wäre) oder ob es sich (bis zu Violetta Chamorros Wahlsieg) um eine revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung handele. Die theoretischen Implikationen dieser Positionen gaben den Stoff für eine Reihe von Fraktionskämpfen, die bis heute andauern und direkt zur endgültigen Verabschiedung der SWP(US) aus dem VS führten.

Womit freilich beide Seiten klarkommen müssen, ist die Tatsache, daß diese "Arbeiterregierung", zu welcher Zeit und in welcher Zusammensetzung auch immer, der Aufrechterhaltung des nikaraguanischen Kapitalismus verpflichtet blieb. Das zu leugnen, waren auch die Genossen des VS nicht in der Lage. So schrieb Livio Maitan 1985:

"Fünf Jahre nach der Sieg vom 19. Juli ist die Bourgeoisie als soziale Klasse noch immer eine beachtenswerte Kraft; sie kontrolliert lebenswichtige - nicht unbedeutende oder kleine - Teile der Wirtschaft des ganzen Landes."

Ebensowenig waren die Folgen der Beibehaltung der kapitalistischen Wirtschaft schwer voraussehbar, auch wenn das VS dazu nicht in der Lage war. Zumindest die Arbeiter kannten sie aus bitterer Erfahrung. So wurden selbst nach VS-Angaben während der 80er Jahre die Reallöhne um 99% gekürzt! Doch das VS beschrieb diese scharfen Angriffe als "eine Taktik, die zweifellos notwendig war". Diese schmähliche Unterstützung für eine arbeiterfeindliche Politik ist das traurige Ergebnis der Charakterisierung Nikaraguas als Arbeiterstaat seit 1979, obwohl kapitalistische Eigentumsverhältnisse zwölf Jahre lang beibehalten wurden.

Nach zwölfjährigem Hofieren der Sandinisten, nach dem "unvorhersehbaren" Debakel Daniel Ortegas in der Präsidentschaftskampagne 1990, wurde das VS gegenüber den einstigen Idolen kritischer. Noch vor zwei Jahren waren die Sandinisten dafür gepriesen worden, durch ihr Bekenntnis zu Pluralismus und bürgerlicher Demokratie Lenin und Trotzki verbessert zu haben. Heute wagt es das VS, die "schweren Fehler des FSLN-Kurses in den Jahren der Macht", wie die Unterdrückung von Minderheiten, die bürokratische Kontrolle der Massenorganisationen, das vom IMF inspirierte Austeritätsprogramm und die Anpassung an die bürgerliche Demokratie aufzuzeigen - genau jene Kritikpunkte also, die das VS zuvor als hoffnungsloses Sektierertum brandmarkte.

Doch selbst jetzt fährt das VS damit fort, pathetische Rechtfertigungen für die FSLN-Führer abzugeben. 1991 sprach sie der 13. Weltkongreß von jeder Schuld frei. Sowjets und Arbeiterdemokratie wären vielleicht besser gewesen, räsonieren die Revolutionstouristen des VS, aber, so fahren sie fort, es gäbe schließlich das große Problem, wie "direkte Demokratie, die in einer Periode revolutionärer Euphorie beginnt, ... zu entwickeln ist".

Die Weigerung der FSLN, mit dem Kapitalismus zu brechen, und ihre Bereitschaft, die Massen für die Krise zahlen zu lassen, wären deshalb notwendig gewesen, da die Wirtschaftspolitik der Sandinisten "aufgrund der internationalen Situation grundsätzlich notwendig war". Die Zurückweisung der Linie Trotzkis in China (d.h. die der permanenten Revolution) durch das VS führt direkt zum Schluß: "Die sandinistische Strategie der Machtergreifung war die einzig mögliche in einem Land wie Nikaragua".

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, charakterisiert das VS Nikaragua noch heute als Arbeiterstaat - trotz des bürgerlichen Charakter des Programms und der Politik der Sandinisten, trotz des ununterbrochenen Fortbestehens des Kapitalismus, trotz des Fehlens von Arbeiterdemokratie, trotz massiver Austeritätsprogramme, ja selbst trotz der Machtergreifung der Regierung Chamorro! Warum? Weil die Sandinisten noch immer die Armee kontrollieren und daher "der revolutionäre Staat noch nicht demontiert ist".

Verallgemeinerungen der nikaraguanischen Erfahrung

Der 11. Weltkongreß des VS fand kurz nach der Machtergreifung der Sandinisten statt. Umfassende Schlußfolgerungen für die Strategie des Parteiaufbaus waren in diesen Stadium der Entwicklung noch schwer zu ziehen; für das VS war es jedoch ausreichend, wie üblich mit einer bedingungslosen und unkritischen Unterstützung zu reagieren. Aber während der nächsten fünf Jahre hatten die Führer des VS genügend Zeit, über die Ergebnisse und Implikationen der nikaraguanischen Revolution hinsichtlich ihrer eigenen Strategie und Taktiken zu grübeln.

Schon seit langem war es ein bestimmendes Kennzeichen des VS, daß seine Perspektiven auf einem passiven Optimismus hinsichtlich des Vormarsches der internationalen Revolution bauten. Für das VS scheint der "Prozeß der Weltrevolution" wie der Hegelsche Weltgeist oder ein Naturgesetz zu wirken. Die Kongresse von 1969, 74 und 79 waren - verglichen mit den wirklich stattfindenden revolutionären oder militanten Klassenkämpfen dieses Jahrzehnts - die Allerübertriebensten. Am 11. Weltkongreß (1979) beispielsweise wurde festgestellt, daß "die Revolution in den imperialistischen Vaterländern wieder einmal vor der Tür steht".

Aber auf der Sitzung des Internationalen Exekutivkomitees vom Mai 1982 argumentierte Daniel Bensaid dafür, daß die Zeit für etwas mehr Realismus gekommen sei: "Wir sollten jede Art messianischen Größenwahns beiseite lassen, der Realität, darunter auch der unsrigen, klar ins Auge sehen und unsere Arbeit geduldig beginnen". Der Grund für das Fallenlassen der Hysterie des 11. Kongresses war jedoch eine Rückkehr zur These von der ständigen "Neuzusammensetzung der internationalen Arbeiterbewegung" des Kongresses von 1974, die mit einer anderen Variante des objektivistischen und prozeßverhafteten VS-Verständnisses der "Weltrevolution" verbunden wurde.

Bensaid entwarf die neue Orthodoxie der VS-Führung. Die Perspektive war nur eine geringe Veränderung der des 11. Kongresses. Er sagte: "Wir befinden uns jetzt bloß an der Schwelle zu einer neuen Welle der Radikalisierung im internationalen Ausmaß, die unvergleichlich tiefer und proletarischer sein wird als die der späten 60er Jahre."

Die Revolution stünde zwar nicht wieder einmal vor der Tür, aber sie schien zumindest auf das Haus zuzukommen. Und auch das erforderte eine starke Prise Impressionismus und Übertreibung:

"Mehr denn je können wir heute tagtäglich sehen, daß die Weltrevolution eine dialektische Einheit bildet. Es gibt kein einziges bedeutenderes Ereignis des internationalen Klassenkampfes, das nicht eine unmittelbare Kettenreaktion bei seinem Gegenüber in Gang setzt."

Die objektive Grundlage für diese apokalyptischen Perspektiven war die sandinistische Revolution. Nachdem das VS Nikaragua als Arbeiterstaat betrachtete, begann es auch über die Konsequenzen des FSLN-Sieges und des Guerillakrieges in El Salvador nachzudenken. Gleichzeitig befand sich die europäische Arbeiterklasse aufgrund der Schärfe der kapitalistischen Offensive und des Verrats der reformistischen Führung zu dieser Zeit auf dem Rückzug. Damit waren die Bedingung für eine neue "Wende" der VS-Perspektiven hin zur Revolution in der "Dritten Welt" gegeben. Wirksam wurde diese Sicht am 12. Weltkongreß 1985.

Auf den ersten Blick schien das VS einige grundlegende Lehren aus den Fehlern der eigenen Vergangenheit gezogen zu haben. "Im Leben der Internationale wurde jede bedeutendere Periode von der Perspektive eines kurz- oder mittelfristigen Durchbruchs bestimmt." Ähnlich einem Alkoholiker, der behauptet, das Saufen endgültig aufgegeben zu haben, bemühte sich das VS festzustellen: "... Funktion und Zukunft der Internationale liegen nicht in einem kurzfristigen Wunder. (...) Die wirkliche Perspektive ist ein langfristiger und viel komplexerer Prozeß der Neuzusammensetzung der Avantgarde im internationalen Maßstab."

Aber diese scheinbare Wandlung zu Mäßigung und Realismus hielt nicht, was sie versprach. Statt sich dem Aufbau von Propagandagruppen (denn das sind und waren die Sektionen des VS) als Kern zukünftiger revolutionärer Parteien zuzuwenden, war diese "Mäßigung" nur der Vorwand dafür, einer neuen Ersatzavantgarde hinterher zu jagen.

Wie üblich betrachtete die VS-Führung ihre Sektionen und sogar die "Vierte Internationale" als Hindernis für die Neuzusammensetzung einer neuen Avantgarde.

"Die internationale Entwicklung des Klassenkampfes, das Voranschreiten der Revolution, die Bildung neuer Arbeiterstaaten fördern in diesem Moment den allgemeinen Trend zu einer Neuzusammensetzung der Arbeiterbewegung und ihrer Avantgarde. In dieser Situation können Strömungen entstehen, die nicht mehr zwischen Reform und Revolution schwanken, sondern zwischen revolutionärem Internationalismus und der Sowjetbürokratie; oder, in einer komplexeren Variante, zwischen Revolution, Reform, der Sowjetbürokratie und der chinesischen Bürokratie."

Diese Analyse bestand aus zwei Teilen. Erstens aus dem üblichen objektivistischen Optimismus, der keine Bilanz ziehen kann, die sowohl Niederlagen als auch Siege beinhaltet. "Wir befinden uns am Beginn von tiefgehenden und lang andauernden Umwandlungen in der Arbeiterbewegung."

Zweitens ist sie eindeutig auf "zukünftige Sandinisten in einer Reihe von Ländern" und all jene Tendenzen, die die "Neuzusammensetzung" repräsentieren könnten, ausgerichtet. Der Kongreß erwartete offenkundig, daß weitere "Sandinisten" auftauchen würden. Die Aufgabe der VS-Sektionen bestand darin, diese Elemente ausfindig zu machen, und sie dazu zu ermuntern, ihre Mission zu erfüllen.

Der Methode, mit der sich das VS auf diese Tendenzen zu beziehen versuchte, war nicht die, mit der Trotzki versucht hatte, gegenüber sich nach links bewegenden zentristischen Strömungen zwischen 1933 und 36 zu operieren - Vorschläge für gemeinsame Aktionen, Blöcke mit dem Ziel der Fusion und, im Falle von Massenparteien, der Entrismustaktik.

Der 12. Kongreß behauptete, daß der "Block der Vier", den Trotzki 1933 vorgeschlagen hatte, impliziere, daß "ihm keine Internationale vorschwebte, die auf revolutionäre Marxisten begrenzt sei, sondern eine breitere Internationale, in der sie ein entscheidender Bestandteil sein würden". Die Kongreßthesen zum Parteiaufbau, die sich als Wiedergabe von Trotzkis Positionen verstehen, halten folgendes fest:

"Die Annäherung an andere Kräften kann verschiedene Formen annehmen, angefangen von systematischen gemeinsamen Aktionen bis hin zur Schaffung ständiger Verbindungskomitees und der Vereinigung. Bei Fusionen mit revolutionären Organisationen oder sich nach links bewegenden Massenströmungen ist die Zugehörigkeit der vereinten Organisation zur Vierten Internationale keine grundsätzliche Bedingung."

Im Gegensatz dazu war Trotzkis organisatorische Flexibilität mit dem Beharren auf klare und deutliche Kritik an den zentristischen Führern und einem unablässigen Kampf für das Programm verbunden. Das wichtigste Ziel, das er keine Minute verbarg, war der Aufbau einer neuen revolutionär-kommunistischen Internationale, der Vierten Internationale.

Die VS-Position beinhaltet das genaue Gegenteil von Trotzkis Praxis - und das wurde den VS-Sektionen auch signalisiert:

"Falls ihr mit einer anderen Gruppe fusionieren könnt, dann tut es; die nächste Internationale, die wir aufbauen wollen, wird ein Block mit den Sandinisten und ihren Nachahmern sein; vergeßt daher die Vierte Internationale für die nächste Periode."

Die Sektionen setzen die neue Wende um

Die erste Sektion, die den Rat es 12. Kongresses befolgte, war die deutsche "Gruppe Internationale Marxisten" (GIM). Anfang 1985 fusionierte sie mit der KPD, einer Gruppe ehemaliger Maoisten, um die reformistische VSP zu bilden. Das Fusionsprogramm ließ nicht nur die Frage der Internationale offen, sondern auch die des Charakters der UdSSR und anderer degenerierter Arbeiterstaaten, des Charakters von SPD und Grünen, revolutionärer Taktiken in den Gewerkschaften, des "Sozialismus in einem Land" und des Charakters der sozialistischen Revolution!

Diese Fusion stellte nicht nur einen Weltrekord an Prinzipienlosigkeit dar, sondern dieser Minimalkonsens erwies sich auch für jede bedeutendere gemeinsame Aktion in Deutschland als selbstzerstörerisch. Das hatte das VS natürlich nicht erwartet. Seine Hauptsorge war es, sich auf einen Teil der "Neuzusammensetzung der Arbeiterbewegung" zu orientieren. Unglücklicherweise fusionierte die GIM nicht mit einer neu zusammengesetzten Führung, sondern mit einem sich zersetzenden maoistischen Überrest der 70er Jahre. Das ganze mündete in einen Wettlauf um die Frage, welcher Teil schneller zerbröselt.

In Peru wurde eine ähnliche Taktik angewandt. Aber während die GIM ihren Zenit längst überschritten hatte, war die peruanische Sektion, die PRT, relativ stark. So erhielt der international bekannte Führer der peruanischen Sektion, Hugo Blanco, bei den Präsidentschaftswahlen 1978 über 9% der Stimmen. Trotz dieser starken Basis wurde die PRT 1985 "formell" in der linksreformistischen PUM aufgelöst. Bald stellte sich heraus, daß diese Auflösung nicht bloß formell war. Die peruanische Sektion hörte einfach auf zu existieren.

Der Eintritt in die PUM trieb die PRT-Führung schon bald zur Annahme noch opportunistischerer Positionen. So rief die PUM bei den peruanischen Präsidentschaftswahlen von 1990 zur Unterstützung des reaktionären, neoliberalen bürgerlichen Kandidaten Fujimori auf. Das wurde damit entschuldigt, daß die Massen glaubten, daß der Reaktionär Fujimoro "besser" als der Reaktionär Mario Vargas Llosa sei.

Das VS hat seine Unterstützer dafür nie kritisiert. Der Weltkongreß von 1991 schwieg sich dazu aus. Selbst angesichts der knallharten Angriffe durch Fujimoris Austeritätspolitik haben sich die VS-Unterstützer in Peru gerade dazu durchringen können, über die "Verwirrung", die der Wahlaufruf für Fujimori hervorrief, zu grübeln. Hugo Blanco, der mit nur 0,2% der Stimmen zum Senator gewählt wurde, bereut es jedenfalls nicht, die peruanischen Arbeiter und Bauern zur Wahl eines bürgerlichen Kandidaten aufgerufen zu haben. Und das, obwohl er zugibt, daß "Fujimori natürlich dasselbe Programm wie Vargas Llosa verfolgt". Über seinen Verrat erzählt er munter, daß "ich noch immer glaube, daß das kein Fehler war", und gibt dafür die eigentümliche Begründung, daß die Massen nun mehr kämpfen würden, als wenn sie den thatcheristischen Dichter gewählt hätten, da sie sich von Fujimori verschaukelt fühlen!

Vergeßt die erste Pflicht der Revolutionäre: Zu sagen, was ist, die Massen im Voraus zu warnen, so daß später wenigstens ihre Avantgarde sagen wird: "Diese Partei hat uns gewarnt, sie hat unsere dummen Illusionen nicht geteilt, sie konnte einen proletarischen Standpunkt einnehmen."

Opportunismus gegenüber bürgerlichen Kräften war, beginnend mit Perron in Argentinien und Ben Bella in Algerien, immer ein Markenzeichen der VS-Politik. Neuerdings hat auch der VS-Heros unter den lateinamerikanischen Sektionen, die mexikanische PRT, diesen Weg beschritten. Das Objekt ihrer Begierde ist Cuauhtemoc Cardenas, ein radikaler Bürgerlicher, der sich von der regierenden PRI abspaltete. Sein Programm war eine Wiederauflage reinsten populistischen Nationalismus. Ohne Cardenas offen zu unterstützen, begann die PRT, seine Politik nachzuahmen.

Vor der Cardenas-Abspaltung verlautbarte Rosalia Pereo-Aguilar, Abgeordnete und eines der Aushängeschilder der PRT, im Parlament:

"Um dieses Land voran zu bringen, muß ein anderer Weg eingeschlagen werden, ein nationaler, volkstümlicher und demokratischer Weg, auf dem die Bedürfnisse der Arbeiter befriedigt und die Unabhängigkeit des Landes gegen auswärtige Aggression verteidigt werden können."

Von einem anderen der PRT-Führer wurde ihre Politik so beschrieben: "Aufbau politischer Fronten mit anderen Kräften, um die bürgerlichen Nationalisten unter Druck zu setzen."

Cardenas landete bei den Präsidentschaftswahlen vom Juli 89 knapp hinter dem PRI-Kandidaten. Eine Minderheit der PRT unter dem Veteran des mexikanischen Trotzkismus, Adolfo Gilly, war mit der Entscheidung der Partei, einen unabhängigen Kandidaten zu stellen, unzufrieden und spaltete sich von der PRT ab, um Cardenas zu unterstützen. Die PRT, deren Politik sich nicht sonderlich von der Cardenas unterschied, saß zwischen den Stühlen und ihr Stimmenanteil sank auf 0,38% nach offizieller Zählung bzw. auf 1,5% nach ihrer eigenen und verlor daher ihre Sitze im Parlament.

Für die PRT stellt sich das Problem, den Widerstand der Arbeiter und armen Bauern gegen die Politik der bürgerlichen Nationalisten aufzubauen, nicht. Vielmehr sollten die Führer der Bourgeoisie unter Druck gesetzt werden. Seit den Wahlen wurde der PRT-Opportunismus weiterentwickelt - oder vielmehr zurechtgestutzt - auf das einfache Projekt der Klassenkollaboration mit Cardenas PRD in Form eines "privilegierten Bündnisses".

Auf dem 13. Weltkongreß wurde diese Linie in einer Reihe von Thesen zu Lateinamerika kodifiziert. Der Kongreß kam zur Überzeugung, daß "die revolutionäre Linke den Kampf für Demokratie und für die Verteidigung der unterdrückten Nation mißachtet hatte".

Die entscheidende Lehre, die laut VS zu ziehen wäre, bestehe in der Wichtigkeit des "Volkes" - einer soziologischen Kategorie, die durch Kriterien wie Wohlstand, Einkommensniveaus etc. ohne offenen Bezug auf die jeweilige Klassenlage bestimmt ist - und der Strategie des "Aufbaus politischer Fronten", die "das grundlegende Mittel zum Kampf für die Hegemonie in möglichen Allianzen und in der Gesellschaft" seien. "Sie erfüllen eine Funktion, die nicht bloß konjunkturell, sondern langfristig ist."

Die politische Basis solcher Organisationen und die Ziele, die ihre unvermeidliche Langlebigkeit rechtfertigen würden, wurden nicht genannt. Handelt es sich um Einheitsfronten, Blöcke oder gemeinsame Propaganda? Sind sie Quasi-Parteien oder eine Mischung all dieser Dinge? Das einzige, was mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, daß es sich um einen Ersatz dafür handelt, Parteien auf der Grundlage eines klaren Programms aufzubauen.

Zwischen dem 12. und 13. Kongreß schwollen die bislang gelegentlich durchgeführten prinzipienlosen Fusionen und Bündnisse zu einer riesigen Welle an, da die VS-Sektionen weltweit dazu übergingen, sich in jeder nationalistischen, reformistischen oder rechtszentristischen Organisation, die sie haben wollte, aufzulösen:

• In Kolumbien löste sich die Sektion spurlos in der verschwommenen reformistischen Front A Luchar auf.

• In Italien trat die LCR in die "Democrazia Proletaria" (DP) nur drei Jahre, nachdem sie das aus programmatischen Gründen abgelehnt hatte, ein. Die DP selbst hat erst vor kurzem beschlossen, der MRC beizutreten, die von ehemaligen PCI-Mitgliedern gegründet wurde, die es ablehnten, die Sozialdemokratisierung der Partei mitzumachen.

• In England spalteten sich die VS-Unterstützer über die Frage, welchem Teil der Labour-Linken sie sich anpassen sollten. John Ross' Socialist Action ging mit den Anhängern Livingstones zusammen, während Socialist Outlook zu einem Wasserträger T. Benns wurde. Auf der Suche nach Wegen, die Avantgarde "neu zusammenzusetzen", lehnten es beide Sektionen ab, die "linken" Bürokraten scharf und deutlich zu kritisieren.

• Im Baskenland fusionierte die LKI mit der nationalistischen MKE auf der Grundlage einer vollkommen opportunistischen Position zur nationalen Frage.

• Die korsischen Mitglieder der französischen LCR schlossen sich Mitte 1991 mit einer korsischen nationalistischen Gruppierung zusammen und gaben dabei ihre VS-Mitgliedschaft auf.

• Die bolivianische POR-Gonzales brach de facto zusammen, nachdem sie 1985 an den Wahlen der Gewerkschaftsföderation COB auf der DRU-Liste von Lechin teilgenommen hatte. Lechin, ein nationalistischer reformistischer Bürokrat, war seinerseits ein begeisterter Unterstützer der reaktionären MNR-Koalition.

• In der Schweiz nahm die PSO an den Wahlen vom November 1990 auf der Liste der "Sozialistischen Grünen Alternative" teil. Hans-Peter Uster, ein PSO-Führer, wurde dabei zum Justiz- und Polizeiminister des Kantons Zug gewählt!

Die Fusionsmanöver konnten jedoch nicht immer durchgeführt werden. Wo die Sektionen nicht in der Lage waren zu fusionieren, waren die Auswirkungen jedoch nicht anders als bei den sogenannten Erfolgen:

• Die französische LCR gab ihr bestes, um sich mit den Ex-KPF-Mitgliedern um Pierre Juquin zu vereinigen. Trotz einer langen Reihe schmeichelhafter Artikel und Resolutionen und der Tatsache, daß die LCR bei den Präsidentschaftswahlen vom Mai 1988 einen Großteil der Kampagne für Juquin geführt hatte, schlug er diese Angebote in den Wind, nachdem er zuvor eine Reihe von LCR-Mitgliedern rekrutiert hatte.

• In Belgien bot die PTB einer maoistischen Organisation, die behauptete, daß Trotzki konterrevolutionär war, eine Fusion an! Die Maoisten erwiesen sich dabei jedoch als prinzipienfester und schlugen diesen opportunistischen Vorschlag aus.

In anderen Teilen der Welt, wo das VS keine Sektionen hatte und wo es beschlossen hatte, daß es schon reale oder zumindest potentielle "Sandinisten" gab, wurde kein Versuch unternommen, offen revolutionäre Kerne zu bilden.

• In Südafrika konnte sich das VS zu keiner Entscheidung durchringen, wo die sich nach links bewegende Strömung entstehen sollte. Ursprünglich setzte es seine Hoffnungen auf AZAPO und das Nationale Forum. Aber im Februar 1986 beschloß das Internationale Exekutivkomitee (IEK) des VS, daß das Nationale Forum im Kampf um die Hegemonie über die Massenbewegung unterlegen war. Obwohl die VS Resolution - wenn auch nur einmal! - die Notwendigkeit einer revolutionären Partei in Südafrika erwähnte, bestand für das VS - so wie heute in der UdSSR - die Hauptfrage darin, die Führung der Massen unter Druck zu setzen. Die logische Folgerung daraus wurde nicht einmal ein Jahr später gezogen, als das IEK feststellte, daß "die Organisationen der Vierten Internationale alles tun sollten, um besonders ihre Verbindungen zum ANC aufzubauen".

• Auf den Philippinen lehnte es das VS ab, eine Sektion aufzubauen, und empfahl Revolutionären statt dessen, sich hinter der bürgerlichen Führung von Cory Aquino zu verstecken. Es sprach sich für eine passive Unterstützung Aquinos bei den Präsidentschaftswahlen aus, um "das Zerbrechen der Einheit des Kampfes gegen Marcos um jeden Preis zu vermeiden".

• In Sri Lanka wurde diese klassenversöhnlerische, "anti-imperialistische" Wahlpolitik ebenfalls angewandt. Die NSSP, die ihre Verbindungen zur britischen Militant-Tendenz abgebrochen hatte, wurde am 13. Weltkongreß 1991 als sympathisierende Sektion trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Reaktionärin Bandaranaike anerkannt.

Salah Jaber, der den Kongreß über die NSSP informierte, drückt das so aus:

"Die NSSP ... stimmte einer Unterstützung von Frau Bandaranaike als gemeinsamer Oppositionskandidatin im Fall von Wahlen öffentlich zu, aber nur auf Grundlage einer getrennten Plattform, die von einem Kandidaten ihrer Partei (der NSSP) präsentiert wird, für den sie jedoch nicht zur Wahl aufruft."

Vollkommen verlogen fuhr Jaber fort: "Unter den besonderen Bedingungen dieser Insel könnten das die breiten Massen möglicherweise nicht als taktische Frage erkennen." In der Tat! Die Position der NSSP, die vom VS noch immer nicht öffentlich zurückgewiesen wurde, war die des Verrats an den Kämpfen der Arbeiter und Bauern Sri Lankas, ganz zu Schweigen vom nationalen Kampf der Tamilen, die allesamt durch die Regierung Bandaranaike blutiger Unterdrückung ausgesetzt waren. Ihre "Taktik", einen Scheinkandidaten zu stellen, ist nicht mehr als ein Feigenblatt, hinter dem sie ihre reformistischen Positionen verbirgt.

Revolution in Polen

Die 80er Jahre begannen und endeten mit großen Umbrüchen in den stalinistischen Staaten. Die politisch revolutionäre Krise, die Polen 1980-81 erschütterte, war die Generalprobe für die historischen Ereignisse von 1989-90. Eine offene Krise der stalinistischen bürokratischen Planwirtschaft führte zu Massenkämpfen der Arbeiter gegen die stalinistische Diktatur. Zum ersten Mal errang eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung, Solidarnosc, ihre Legalisierung. Embryonale Arbeiterräte entstanden.

Die Frage der Führung stellte sich besonders dringend. Die Walesa-Führung von Solidarnosc nahm ein Programm an, das einen "reformistischen" Weg zur Wiedereinführung des Kapitalismus verfolgte. Aber die Arbeiterklasse als ganzes war weit davon entfernt, hinter dem Programm der Walesas vereint zu sein, und die Möglichkeit eines Kampfes um die politische Macht bestand für das Proletariat bis zu dem Tag, als Jaruzelskis Panzer die Bewegung zerschlugen.

Erwartungsgemäß rollte das VS das Banner der politischen Revolution schnell ein. Kein Wort wurde über die Notwendigkeit des Aufbaus einer revolutionären trotzkistischen Partei zur Führung der antibürokratischen Revolution verloren. Statt dessen war das neueste "stumpfe Instrument" der Weltrevolution niemand anderer als die Walesa-Führung und ihr Programm. Die Kritik an Walesa wurde fast vollkommen eingestellt.

Statt sich auf die sowjetähnlichen Organe des Kampfes zu orientieren und dafür zu kämpfen, sie zu Instrumenten des Kampfes um die Macht zu machen, versteckte sich die VS-Führung hinter dem Parlamentarismus der Solidarnosc-Führer, die für eine zweite Abgeordnetenkammer eintraten, und versuchte das zu begründen, indem sie sich "für die Zentralisierung und Entwicklung von Arbeiterkomitees und ihrer nationalen Repräsentanten in einer zweiten Kammer der Produzenten" aussprach.

Die erste Kammer sollte auf "normalem" bürgerlichen Weg gewählt werden. Diese "Kombination" von bürgerlicher und proletarischer Demokratie, die den rechten Zentristen der frühen 20er Jahre entlehnt ist, pries das VS als Übergang zur proletarischen Rätedemokratie an. In Wirklichkeit sind jedoch alle Arbeiterräte, die zulassen, auf diese Art neutralisiert zu werden, dazu verurteilt, in kurzer Zeit zu verschwinden. Das zeigen sowohl die deutsche Revolution von 1918-19 als auch die polnischen Arbeiterräte von 1956.

Die zersplitternde indirekte Demokratie der bürgerlichen Parlamente, die die Arbeiter in die Passivität drängt, maximiert das tote Gewicht der Bauern und der Mittelklassen. Sie gestattet es der Exekutive und der staatlichen Bürokratie, systematisch gegen die Interessen der Produzenten zu handeln. Kurz gesagt, es ist keine neutrale Institution. Es ist sogar in Abwesenheit einer Bourgeoisie und kapitalistischer Eigentumsverhältnisse ein bürgerliches Instrument, das gegen die proletarische Diktatur eingesetzt wird.

Die Stalinisten benutzten ihre Scheinparlamente dazu, Arbeitersowjets zu ersetzen, und um, wie vergeblich auch immer, die Diktatur der Partei der Bürokratie über die Arbeiter zu verschleiern. Der Triumph richtiger parlamentarischer Demokratie über die bürokratische Diktatur führt andererseits sowohl zur Zersplitterung der politischen Kräfte, die eine schnelle Restauration beabsichtigen, wie er ihnen gleichzeitig eine Form für ihren Triumph verschaffte.

Bürgerlichen Parlamentarismus zu fordern oder zu unterstützen, ist ein bösartiger Verrat am Programm der politischen Revolution. Arbeiterräte, mit denen Polen und Ungarn Erfahrung gemacht haben, hätten im Zentrum revolutionärer Agitation und Propaganda stehen müssen. Wir entschuldigen uns nicht dafür, zu sagen, daß Trotzkisten, weit davon entfernt, bürgerliche und proletarische Demokratie miteinander zu vermischen, letzere ersterer entgegengesetzt hätten. Das war nicht einfach oder hauptsächlich eine Frage der Propaganda, sondern die Aufgabe, die fabrikübergreifenden Komitees für ein Aktionsprogramm zur Machtergreifung zu gewinnen und dafür, dieses zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme Polens durch einen demokratisch erarbeiteten Plan zu verwenden.

Nach Jaruzelskis Coup entwickelte sich eine Reihe von Debatten in den Gefangenenlagern, im Exil und im Untergrund, wo die polnische Linke versuchte, die Lehren aus des Fehlern von Solidarnosc zu ziehen. Unterstützer des VS spielten eine Schlüsselrolle, um den Kern einer neuen Organisation in Polen zusammenzuführen. Aber sie hielten erneut nach einer anderen Führung, der sie sich anhängen konnten, Ausschau. Zentraler Bezugspunkt für diese Gelüste war damals die offen konterrevolutionäre WSN (Freiheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit) Jacek Kurons. Diese Organisation wurde nach der Auflösung der KSS-KOR im Oktober 1981 gegründet und befürwortete eindeutig die parlamentarische Demokratie und die Restauration des Marktes als integrale Bestandteile einer zukünftigen polnischen Revolution.

Das VS lehnte es ab, die WSN als Kraft zu charakterisieren, die den Kapitalismus wiedereinzuführen versuchte, und bog sich Kuron zurecht, indem es argumentierte, daß "der Charakter des Eigentums über die Produktionsmittel in keinster Weise aus dem System der parlamentarischen Demokratie folgt". Reiner Sophismus! Er mag zwar nicht aus den parlamentarischen Institutionen folgen, aber die parlamentarische Demokratie ist ein mächtiges Mittel, um sie zu schaffen! Kuron, der zweifellos über das linke Deckmäntelchen, das ihm das VS gab, froh war, wollte indes höher hinaus und er wies zunehmend auch das Feigenblatt der "sozialistischen" Rhetorik zurück.

Lähmung und Anpassung angesichts Gorbatschows

Gorbatschows Glasnost und Perestroika scheinen das VS unvorbereitet erwischt zu haben. Sein erstes programmatisches Statement wurde von einem IEK im Jahr 1987 erarbeitet, mehr als zwei Jahre nach Gorbatschows Machtübernahme. Um sich gegen die Eventualität zu sichern, daß sich der sowjetische Bonaparte als empirischer Agent des trotzkistischen Programms entpuppt, wurde vorsichtshalber vermieden, die politische Revolution und die Notwendigkeit, für den Aufbau einer Sektion in der UdSSR zu kämpfen, zu erwähnen.

Statt dessen entwickelte das IEK ein Programm zur Vertiefung von Glasnost, wie es Catharine Samary, die SU-Expertin des VS, nannte. Es verband eine Reihe grundlegender demokratischer Forderungen (Abschaffung der Zensur, Freiheit der politischen Gefangenen, Streikrecht, etc.) mit der abstrakten Maximalforderung nach einer "allgemeinen Arbeiterkontrolle über alle wirtschaftlichen Aktivitäten", die wie üblich die Frage der Arbeiterräte wegließ, eine Frage, die der alte Trotzki für den Schlüssel zum Übergangsprogramm hielt.

Wie in den vorhergegangenen Krisen der 50er und 70er Jahre versuchte das VS, den Reformflügel der Bürokratie nach links zu drängen. Für das VS ist die "politische Revolution" (bei den seltenen Gelegenheiten, wo sie beim Namen genannt wird) einfach die Beschreibung der Teilnahme der Massen an einer Reform, nicht die Machtergreifung durch die Arbeiter. Wenn "Formen der Selbstorganisation" erwähnt werden, so als Mittel, die Bürokraten zur radikalen Reform zu drängen, nicht als embryonale Organe der politischen Revolution.

Inzwischen ist Gorbatschow in den Augen der Massen total diskreditiert. Mehr noch, er ist als der entlarvt, der die UdSSR nahe an die Restauration des Kapitalismus gebracht hat. Angesichts dieser Tatsachen ging der 13. Weltkongreß schließlich daran, die "Perspektive" des Aufbaus einer Sektion des VS in der UdSSR aufzuwerfen. Aber dabei ist der Blick vorrangig noch immer auf das gerichtet, was sich in der KPdSU abspielt:

"Die KPdSU ist noch immer eine verschieden zusammengesetzte Organisation, die zweifellos explodieren und als Instrument der Bürokratie verschwinden muß, so daß eine wirkliche Arbeiterpartei aufgebaut werden kann."

Die Krise des Stalinismus in Osteuropa

Während der Ereignisse im Osteuropa des Jahres 1990 war das VS nicht nur gänzlich unfähig, ein Aktionsprogramm für die politische Revolution vorzuschlagen, es bejubelte sogar die Machtübernahme sozial konterrevolutionärer Kräfte.

Als die Mazowiecki-Regierung im August 1989 gebildet wurde, feierte Zbigniew Kowalewski, ein polnisches VS-Mitglied, der zu dieser Zeit als Linker galt, diese Entwicklung als "nächsten Schritt auf dem Weg der antibürokratischen politischen Revolution" und rief zur "Bildung einer Solidarnosc-Regierung ohne Bürokraten, zu sofortigen freien Wahlen und zur Einberufung einer konstituierenden Versammlung" auf - Losungen, die in den nächsten zwei Jahren vom VS ständig wiederholt werden sollten.

Kein einziges Wort wurde über die grundlegenden Veränderungen in den Jahren zwischen der Gründung von Solidarnosc als Massengewerkschaft 1980 und der Schaffung von Solidarnosc als politischer Partei, die die Wahlen von 1989 gewonnen hat, verloren. Vielmehr insistierte Kowalewski darauf, daß diese Veränderung nie stattgefunden habe.

Das VS bedachte weder die Frage, was diese Solidarnosc-Regierung für die polnischen Massen bedeuten würde, noch die Probleme, die die Beschränkung ihres Programms auf den Aufruf für eine konstituierende Versammlung aufwarf. Die Geschichte spielte ihm jedoch einen bösen Streich. Ihr Programm wurde verwirklicht! Das Resultat kann man heute sehen, wenn die letzten Überreste der Planung zerstört werden und sich der Kapitalismus darauf vorbereitet, das erste Mal seit 40 Jahren in Polen zu herrschen.

Drei Monate später, nach dem Fall der Berliner Mauer, wischte Ernest Mandel jeden Gedanken an Arbeiterräte und eine proletarische politische Revolution in der DDR vom Tisch: "Das Ziel freier Wahlen zu einer parlamentarischen Institution ist vollkommen korrekt. Es verlangt die Unterstützung der revolutionären Sozialisten, die nicht gänzlich vom sektiererischen Dogmatismus geblendet sind."

Unter den Massen in den degenerierten Arbeiterstaaten existierten zweifellos bedeutende Illusionen in die bürgerliche Demokratie. Nach Jahrzehnten brutaler und verdummender stalinistischer Diktatur ist das keine Überraschung. Die Schlüsselfrage besteht freilich darin, wie die Massen von diese Illusionen gebrochen werden können. Für das VS besteht die einzige Lösung darin, sie zu bestärken! Tatsächlich war es jedoch möglich, diese Illusionen zu bekämpfen und den Weg zur politischen Revolution zu weisen, indem man die Übergangsmethode verwendete.

Die LRKI machte genau das, als wir im November 1989 feststellten:

"In Wirklichkeit eröffnen Parlamentswahlen schier unendliche Möglichkeiten für die SED-Bürokraten, aber auch für neu entstehende bürgerliche und sozialdemokratische Parteien, die Massen zu täuschen. ... Die Arbeiterklasse kann und muß den Prozeß der 'freien Wahlen' für sich selbst beginnen, indem Fabrikkomitees und städtische Arbeiterräte gewählt werden. Bei diesen Wahlen sollten Parteien, Programme und Plattformen frei zugelassen werden, so daß die Arbeiter entscheiden können, welche Parteien sie als die ihren ansehen.

Falls die Bürokratie gezwungen ist, Parlamentswahlen auszurufen, rufen wir die Arbeiter auf, unverzüglich Massenversammlungen abzuhalten, um ihre Kandidaten zu wählen und die der anderen Parteien zu hören. Diese Versammlungen sollten jährliche Wahlen und die Abwählbarkeit der Abgeordneten durch ihre Wahlbezirke fordern. Sie sollten von allen Kandidaten die Zusicherung fordern, das verstaatlichte Eigentum und die Planwirtschaft zu verteidigen. Durch diese Mittel kann der Schwindel des bürgerlichen Parlamentarismus aufgezeigt werden. Seine Gefahren können auf ein Minimum reduziert und auf dieser Grundlage kann für die Prinzipien eines Rätesystems gekämpft werden".

Ein anderes schlagendes Beispiel für den Opportunismus des VS während der Zeit der antibürokratischen Bewegungen 1989-90 ereignet sich in der Tschechoslowakei. Nach der sowjetischen Invasion von 1968 wurde das führende VS-Mitglied Petr Uhl wegen seiner Weigerung, vor der bürokratischen Herrschaft in die Knie zu gehen, wiederholt verfolgt und von den Stalinisten eingesperrt. Sein Ansehen als Oppositioneller war enorm.

Aber trotz seines außer Zweifel stehenden Mutes zeigte sich Uhl unfähig, den Weg der politischen Revolution nur irgendwie zu verfolgen. Im Herbst 1989 war er ein Gründungsmitglied der Linken Alternative, die kurz darauf vom Demokratischen Forum aufgesogen wurde. Die Linke Alternative entwickelte ein Programm - für die Restauration des Kapitalismus! Sie schrieb:

"Wir meinen, daß die Entwicklung des Marktes und die Rehabilitation der Finanz- und Marktbeziehungen eine wirtschaftliche Notwendigkeit sind."

Die politische Form, die diesen Produktionsverhältnissen entsprechen sollte, wurde recht unverblümt dargestellt:

"Wir meinen, daß die repräsentative Demokratie die grundlegende Form eines zukünftigen demokratischen Systems sein sollte; es sollte eine parlamentarische Demokratie sein."

Zeichen in diese Richtung gab es schon lange - für die, die keinen Grund hatten, sie zu übersehen. Der "Trotzkismus" war nie die starke Seite Petr Uhls. Zu Beginn der 80er Jahre hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er sich eindeutig von der Politik der Bolschewiki distanziert, jeden Gedanken an eine leninistische Partei zugunsten "einer unabhängigen Gruppe von Intellektuellen, die die Interessen der Arbeiter besser verteidigen würden" verwirft und allen Versuchen entgegentritt, eine Untergrundorganisation aufzubauen.

Es ist daher kein Wunder, daß Uhl - damals noch ein Führungsmitglied des VS! - als Direktor der offiziellen Presseagentur CTK ein Sprecher der restaurationistischen Regierung Havel wurde.

Zur selben Zeit, als sich das VS für die Harmlosigkeit bürgerlich-demokratischer Formen verbürgte, verniedlichte es die Gefahr der Rekapitalisierung während des Jahres 1989 und zu Beginn 1990. Ernest Mandel, der wieder einmal die Rolle Karl Kautskys, des ewigen Optimisten, übernahm, erklärte im April 1989 blauäugig:

"Die europäische Bourgeoisie blickt nicht wohlwollend auf diese Destabilisierung. Sie hat keine Hoffnung darauf, Osteuropa für den Kapitalismus zurückzugewinnen."

Im Oktober 1989 bestand die Führung der französischen Sektion darauf, daß es notwendig ist, "die Idee zu verwerfen, daß die Restauration des Kapitalismus bei den gegenwärtigen Entwicklungen in den Ländern auf dem Spiel steht". Mandel wiederholte das: "Die Hauptfrage bei den stattfindenden Kämpfen ist nicht die Restauration des Kapitalismus."

Die Weigerung, diese offensichtlichen Gefahren zur Kenntnis zu nehmen, entsprangen der ganzen Geschichte der Anpassung des VS. Ursprünglich herrschte die Vorstellung, daß die degenerierten Arbeiterstaaten eine überlegene Produktionsweise wären, die von einer primitiveren - dem Kapitalismus - nicht zerstört werden könnte. Obwohl dieses Thema in den 80er Jahren in den Hintergrund trat, spielte es offenkundig eine Rolle dabei, Mandels angeborenen passiven Optimismus zu bestärken. Zweitens gab es Mandels Vertrauen in den Pluralismus und die Neutralität der Demokratie. Drittens gab es die Verpflichtung gegenüber den verschiedenen Dissidentenführern, deren prokapitalistische Sichtweise im Grunde als persönliche Marotte betrachtet wurde.

Die Restauration des Kapitalismus in der DDR mußte ein sehr schmerzhaftes Erwachen für diese zentristischen Tagträumer sein!

Der Umstand, daß die Krise des Stalinismus nicht unmittelbar eine sichtbare sozialistische Alternative hervorbrachte, stellte Revolutionäre vor ein großes Dilemma. Eröffnet die gegenwärtige Situation eine neue Periode? Repräsentiert sie einen zeitweiligen Rückschlag oder eine einschneidende Niederlage auf dem Weg zur sozialistischen Revolution?

Perspektiven für Osteuropa und für das VS

Früher verkündete das VS an Wendepunkten des internationalen Klassenkampfes den herannahenden Sieg der sozialistischen Revolution; heute sagt es eine große Periode der Reaktion voraus. Die grundlegende Analyse, die vom 13. Weltkongreß entwickelt, lautet: "Die Ära, in der die internationale Arbeiterbewegung sich selbst im Verhältnis zum Sieg oder zur Degeneration der russischen Revolution bestimmte, geht ihrem Ende entgegen."

Wenn das VS diese Position erklärt und ausführt, wie "das sozialistische Projekt attraktiv und kreditfähig zu machen" sei, zeigt es, wie sehr es die bürgerliche Sichtweise anerkennt, daß der Bolschewismus unvermeidbar im Stalinismus endete, und wie sehr es sich den anarchistischen und sozialdemokratischen Vorurteilen von Intellektuellen in Arbeiterstaaten angepaßt hat, wenn es alle positiven Bezüge zum bolschewistischen Projekt über Bord wirft.

Der Kongreß behauptete, daß eine qualitativ neue Situation entstanden sei, für die die revolutionären Programme von Marx, Lenin und Trotzki nicht geschaffen seinen:

"Der Wunsch, bewußt über sein eigenes Schicksal zu entscheiden, ist zum charakteristischen Merkmal geworden, das Volksbewegungen gemeinsam ist.... Komplexe Gesellschaften können zunehmend nicht mehr durch ein System wirtschaftlicher Zentralisation gelenkt werden.... Die verallgemeinerte Selbstverwaltung tritt ins Zentrum einer sozialistischen Alternative zum Stalinismus..., eine dezentrale Form der Regulation."

Trotz der Begeisterung des VS darüber, wie neu das alles sei, handelt es sich dabei um Themen, um die die revolutionäre Politik der letzten 150 Jahre kreiste. Natürlich wollen die Massen ihre eigenes Leben kontrollieren, sowohl auf politischem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Genau das ist die treibende Kraft im Kommunistischen Manifest von Marx und Engels. Das ist die Lehre der bolschewistischen Revolution. Das steckt hinter jeder Zeile von Trotzkis Schriften.

Die Arbeiter- und Bauernräte von 1917 und die darauf folgenden ersten Versuche einer nationalen, koordinierten Planung verkörpern die wirkliche "sozialistische Alternative zum Stalinismus". Die VS-Version dieser Alternative ist ein Leitfaden kleinbürgerlicher Vorurteile gegenüber individueller Freiheit und individueller Produktion, eine Anleitung zum vollständigen Zusammenbruch der Ökonomie jedes Arbeiterstaates, der dumm genug ist, sie in der Praxis umsetzen zu wollen.

Das VS selbst gibt den Grund für diesen Rückschritt zum pseudo-wissenschaftlichen Sozialismus, der nach den Kooperativen Proudhons riecht, an:

"Die Auswirkungen der reformistischen Politik in den kapitalistischen Ländern und der Bankrott des bürokratischen Systems führen zum Zweifel an jedem sozialistischen Projekt.... Es bremst jene sozialen Energien, die um ein neues revolutionäres Projekt der sozialen Transformation gebildet werden, und wiegt schwer auf der Entwicklung von Klassenbewußtsein."

Oder, etwas "poetischer" ausgedrückt: "Gedächtnis und Hoffnung müssen wiederaufgebaut werden."

Der Zusammenbruch des Stalinismus und das Ausbleiben einer revolutionären sozialistischen Alternative, die ihn ersetzte, hat zweifellos bestimmte Teile der internationalen Arbeiterklasse, vor allem in kapitalistischen Staaten mit ehemals starken stalinistischen Parteien, demoralisiert. Aber diese Situation ist nicht nur negativ.

Die Trotzkisten haben immer gesagt, daß der Stalinismus keine neue soziale Klasse repräsentiert, trotz seiner brutalen Diktatur unvermeidlich zusammenbrechen würde, und das die Grundlagen der Weltordnung erschüttern würde. Der Niedergang dessen, das Trotzki die Syphilis der Arbeiterbewegung nannte, stellt auch eine gigantische Möglichkeit für revolutionäre Marxisten dar. Die neuen demokratischen Freiheiten in Osteuropa geben uns Chancen, die noch vor wenigen Jahren als Phantasieprodukte abgetan wurden. Der Zusammenbruch der stalinistischen Polizeidiktaturen gibt uns eine Freiheit zu intervenieren, die eine Quelle des Optimismus, nicht des Pessimismus von Revolutionären sein sollte.

Die Gefolgsleute der Stalinisten, die ihre Augen vor dem bürokratischen Horror des Lebens in den degenerierten Arbeiterstaaten absichtlich verschlossen, sind von der gegenwärtigen Situation am meisten schockiert. So auch das VS, dessen systematische Anpassung an den Stalinismus in Osteuropa und anderswo auf die zentristische Degeneration der Vierten Internationale in der Zeit von 1948-51 zurückgeht. Die demoralisierten Zentristen des VS sind wie übernächtigte Saufkumpane, die nun den Preis für die Exzesse der Nacht zahlen. Wie all diese reuigen Sünder blicken sie nach oben und sagen: "Nie wieder!"

Damit soll die Situation in Osteuropa keineswegs beschönigt werden. Der zeitweilige ideologische Triumph des Westens bedeutet, daß harte Kämpfe im Rahmen dessen, was von den degenerierten Arbeiterstaaten übrig geblieben ist, auszutragen sind. Aber um solche Kämpfe zu gewinnen, ist, solange der Restaurationsprozeß nicht endgültig vollzogen ist, das Festhalten an unseren wichtigsten politischen Waffen unabdingbar - der politischen Revolution auf der Basis revolutionärer Arbeiterdemokratie, demokratischer Planung, der zentralen Rolle der revolutionären Partei. An jedem dieser Punkte zieht das VS den "alten Bolschewismus" in den Dreck. Die schmählichen Kämpfe, die es führen wird, sind zum Scheitern verurteilt. Es bereitet seine eigenen zukünftigen Niederlagen vor.

SWP(US): Von der Blutvergiftung zur Selbstamputation

In der Degeneration der Mehrheit des VS während der 80er waren Konsequenzen in zwei Richtungen angelegt. Einerseits würden die rechneten Elemente die Schlußfolgerung ziehen, daß es wenig Sinn macht, mit dieser Politik in der "Vierten Internationale" zu bleiben. Andererseits würden Tempo und Ausmaß der Degeneration unvermeidlich zu einigen oppositionellen Ängsten führen. Das beste Beispiel für erstgenannte Entwicklung bietet die SWP(US).

Während der 70er Jahre war das VS von einem langen, erbitterten Fraktionskampf zwischen der Internationalen Mehrheitstendenz (Mandel et al) einerseits und der leninistisch-trotzkistischen Fraktion (SWP(US)) andererseits geprägt. All das war Bestandteil des Innenlebens der Internationale.

Anfang der 80er Jahre trat jedoch eine qualitative Veränderung in den Beziehungen mit der SWP ein. Die relativ neue Barnes-Waters-Jenness-Führung, die das alte Hansen-Novack-Team Mitte der 70er Jahre ersetzte, war von der sandinistischen Revolution tief beeinflußt. Mit der Perspektive, eine internationale Organisation mit den "revolutionären Führern" der Sandinisten und Castroisten zu bilden, begannen sie, eine Reihe noch größerer politischer Anpassungen an den Stalinismus zu machen, die sie zuerst zu einem Bruch mit den ideologischen Resten ihres Trotzkismus und nach einigen Jahren der kalten Spaltung zum Bruch aller Verbindungen mit dem VS führen sollte.

Im August 1980 stand die Notwendigkeit, sich zur kubanischen KP, zur FSLN und zur grenadischen New Jewel Bewegung zu orientieren, im Mittelpunkt der Schulungskonferenz der SWP in Oberlin, Ohio. Im März 1982 stellt Jack Barnes das Problem folgendermaßen:

"Ein glorreiches neues Kapitel der sozialistischen Revolution ist eröffnet.... Das war natürlich eine Hilfe für uns. Was sonst könnte die Ausweitung der sozialistischen Revolution unter revolutionären Führungen sein?"

Während des nächsten Jahrzehnts sollte kein Lob für Castro, die FSLN oder Maurice Bishop zu übertrieben sein. Verglichen mit diesen neuen Heroen waren Lenin, Trotzki und die Bolschewiki kleine Lichter. Ihre langatmigen und sich ständig wiederholenden Ansprachen an die Zuhörerschaft auf den Plätzen von Kuba und Managua wurden zur Gänze in der SWP-Presse veröffentlicht. Die Last formal trotzkistischer Positionen und selbst der Name wurden ein Hindernis für engere Beziehungen mit Castro und Tomas Borge.

1983 argumentierte Barnes daher:

"Die permanente Revolution hilft heute weder uns noch anderen Revolutionären, sich dafür zu bewaffnen, die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten zur Machtergreifung zu führen.... Sie ist ein Hindernis dafür, die politische Kontinuität mit Marx, Engels, Lenin und den ersten vier Kongressen der Komintern wieder herzustellen."

Diese Verbeugung vor dem Stalinismus wurde von Barnes als "das Entwachsen einer mehr als 25 Jahre dauernden halb-sektiererischen Existenz" beschrieben.

Zwischen 1982 und 1985 wurden zwischen der SWP und der europäischen Führung eine Reihe von polemischen Artikeln zur permanenten Revolution, zum Charakter der bolschewistischen Revolution und zum Verhältnis des Programms Lenins mit dem Trotzkis ausgetauscht. Von Anfang an argumentierte die SWP, daß die Oktoberrevolution von 1917 eine "Arbeiter- und Bauernregierung" an die Macht gebracht hatte, die über kapitalistische Eigentumsverhältnisse herrschte.

Die wiedergeborene Etappentheorie der Revolution wurde anhand der Entwicklung der südafrikanischen Revolution schnell vor eine konkrete Probe im Klassenkampf gestellt. In diesem Fall unterstützte die SWP die stalinistische ANC-Perspektive einer demokratischen Etappe und wies die Frage der sozialistischen Revolution zurück. Schon 1981 hatte die SWP Castro nachgeäfft, als sie die Teilnahme an einer Demonstration gegen Jaruzelskis Zerschlagung von Solidarnosc ablehnte.

Diese Bewegung nach rechts ging Hand in Hand mit einer Reihe von Ausschlüssen. Zwischen 1982 und 1984 wurden langjährige SWP-Mitglieder, die diesen Mist nicht einfach schlucken konnten, ausgeschlossen. Gleichzeitig zog sich die SWP von allen Führungsgremien des VS zurück, das sie als "ultralinke Sekte" charakterisierte, die von einer "Geheimfraktion" geführt wird. Außerdem verwehrte die SWP dem VS den Zugang zu den Protokollen der SWP-Leitungen und stellte mit einer überraschenden Unverschämtheit fest:

"Das Konzept einer Internationale, die von Parteien gebildet wird, die Anweisungen von höheren Organen erhalten, ist all dem fremd, wofür die Vierte Internationale je gestanden ist."

So skandalös diese Behauptung hinsichtlich der Vierten Internationale Trotzkis und der Kommunistischen Internationale Lenins ist, so sehr trifft sie jedoch auf die SWP nach 1953 zu. Nüchtern betrachtet, war das der wirkliche Grund für Cannons Abspaltung in jenem Jahr - und eine Voraussetzung für die Wiedervereinigung von 1963.

Die VS-Führung war weit davon entfernt, darauf mit einem Beharren auf der Notwendigkeit und dem Zweck des demokratischen Zentralismus in einer Internationale zu antworten. Vielmehr strich sie den förderalen Charakter des VS hervor und plädierte pathetisch dafür, daß die Festlegung einer Linie keine Frage der internationalen Führung sei. Als die SWP Unterstützer der VS-Mehrheit bürokratisch ausschloß, beschränkte sich der VS-Kongreß darauf, lahme Appelle für ihre Wiederaufnahme zu verabschieden und ansonsten die Existenz von dreieinhalb VS-Gruppen in den USA zur Kenntnis zu nehmen!

Selbst zur Frage der permanenten Revolution war das VS nicht in der Lage, sich effektiv zu verteidigen. Obwohl Mandel Trotzkis Analyse der Oktoberrevolution wiederholte, war sein Verständnis der permanenten Revolution selbst von den Schwächen Trotzkis vor 1917 geprägt. Dessen Vorkriegsirrtum hinsichtlich des Charakters und der Notwendigkeit der Partei war nicht bloß eine organisatorische Frage, sondern beeinflußte auch seine erste spontaneistische, objektivistische Formulierung der Theorie. 1906 schrieb er in Ergebnisse und Perspektiven:

"Gleichgültig, unter welcher politischen Flagge des Proletariat an die Macht gekommen ist - es wird gezwungen sein, eine sozialistische Politik zu verfolgen.... Die Schranke zwischen dem minimalen und maximalen Programm verschwindet, sobald das Proletariat die Macht erlangt."

Natürlich dachte Trotzki dabei daran, daß es sich darum handle, daß die Massen ihre eigene revolutionäre Partei korrigieren müssen, so wie Rosa Luxemburg dachte, die SPD könnte reformiert werden. Daher sahen beide in Lenin einen Sektierer und seine Spaltungen und fraktionellen Kämpfe als Ausdruck der russischen Rückständigkeit. Sich auf die Formulierungen von 1906 gegen die der Permanenten Revolution von 1928 zu stützen, ist selbst eine Nachahmung der SWP-Methode hinsichtlich Lenins vor der Oktoberrevolution. Die schlechten Formulierungen in "Ergebnisse und Perspektiven" wurden von Mandel und Co. wiederholt dazu verwendet, um zu erklären, wie Tito, Mao und Castro durch die objektive Logik der permanenten Revolution gezwungen wurden, "unbewußte Revolutionäre" zu werden.

Obwohl der politische Bruch zwischen VS und SWP Mitte der 80er Jahre feststand, wurde er auf organisatorischer Ebenen erst im Juni 1990 vollzogen. Diese Vorgangsweise unterscheidet sich von der hinsichtlich der australischen SWP, die schneller zum pro-Moskauer Stalinismus degenerierte, und deren Austritt aus dem VS 1985 explosiver war. Der Grund für den langsamen Verfall der Beziehungen der SWP(US) zum VS liegt im Kräfteverhältnis in der SWP-Führung. Wichtige Teile der Führung, wie Malik Miah und Barry Sheppard, akzeptierten zwar die theoretischen Revisionen, bestanden jedoch darauf, die Verbindung zum VS beizubehalten. Die Spaltung konnte daher erst stattfinden, sobald diese Elemente aus der SWP hinausgetrieben waren.

Der politische und organisatorische Verfall der SWP zu stalinistischer Politik und Praxis zeigt, daß der verknöcherte Zentrismus des VS trotz seiner relativen Langlebigkeit vom Gang der Geschichte nicht verschont bleibt. Früher oder später wird es ohne revolutionäres Programm, ohne ein revolutionäres demokratisch-zentralistisches Regime auf internationaler Ebene entweder zu einer offen antitrotzkistischen rechtszentristischen Formation oder einer Spielart des Linksreformismus werden.

Können die neuen Oppositionellen das VS retten?

Der Niedergang des VS und die damit verbundene Krise zentraler Sektionen führten zur Entstehung neuer Oppositionsgruppen, die gegen die Mehrheitslinie zu dieser oder jener Frage am 13. Kongreß auftraten.

Die drei Oppositionsgruppen - die von Matti geführte französische Tendenz für den Aufbau der Vierten Internationale (TAVI), Socialist Action (US) und die von Franco Grisolia in der italienischen Sektion geführte Linke Tendenz - beschränkten ihre Opposition auf die Ebene des Aufbaus von Tendenzen. Keine von ihnen war bereit, eine Fraktion zu bilden, was nicht nur einen Kampf gegen diesen oder jenen Aspekt der VS-Politik, sondern gegen die ganze Methode der Führung und den Versuch, diese durch eine andere zu ersetzen, bedeutet hätte. Und noch viel weniger wagten sie es, die Führung offen als zentristisch zu bezeichnen.

Die größte Tendenz, die schon seit langem bestehende Matti-Gruppe, legte großen Wert darauf, daß sie die Führung nicht einmal für opportunistisch hielt und löste sich auf dem IEK-Treffen nach dem Kongreß als internationale Tendenz auf.

Solche Tendenzen sind nicht viel mehr als Instrumente, um die Stellung von Führern bestimmter Cliquen zu stärken. Fraktionskämpfe, die Trotzki selbst wenn es um prinzipielle Fragen ging, als notwendiges Übel bezeichnete, verkehrte sich für diese Typen zur grundlegenden Daseinsweise ihrer politischen Existenz.

Hinsichtlich des Parteiaufbaus waren sich alle drei Oppositionsgruppen in der Kritik einig. Die Mehrheit des VS bezweifelte immer die historische Berechtigung der Vierten Internationale - und noch viel weniger liegt ihr die Existenz der Sektionen am Herz. Angesichts einer empirisch revolutionären Kraft haben sie immer wieder das Hindernis zerstört, das eine VS-Sektion für die "Verschmelzung mit der Massenbewegung" darstellen könnte. Diese Politik geht auf die zentristische Anpassung an den jugoslawischen Stalinismus 1948 zurück und wurde danach in Algerien, Kuba, Vietnam, Nikaragua usw. wiederholt.

1979 macht die von Nahuel Moreno geführte internationale Opposition die Frage des "Sektionsaufbaus in jedem Land" zu einem zentralen Punkt ihrer Plattform. Dieses Lied wurde von allen darauffolgenden Oppositionsgruppen wiederholt, neuerdings v.a. in Hinblick auf die UdSSR. Im Gefolge der Reformen Gorbatschows und der Öffnung der politischen Diskussion trat die VS-Mehrheit, insbesondere die von Sandor und Verla geführte Osteuropa-Zelle gegen den Versuch auf, eine Sektion des VS in der UdSSR aufzubauen. Das sollte dem Verschmelzen mit oppositionellen Tendenzen in der KPdSU (eine politische Orientierung, die einige Zeit durch die Ausrichtung auf die "Marxistische Plattform" Buzgalins begeistert durchexerziert wurde) und einer deutlichen Zurückhaltung beim Erheben des Slogans der politischen Revolution den Weg bereiten.

Dieser opportunistische Makel war ein beliebtes Angriffsziel aller drei Tendenzen, die seit 1989 zum Aufbau einer VS-Sektion in jedem Land aufriefen. Doch da ihre Kritik auf einer rein organisatorischen Ebene verblieb, war sie vollkommen zahnlos. Die Mehrheit erwidert schlicht, daß sie dieses Ziel durch taktische Kompromisse (Entrismus etc.), die auch Trotzki einging, zu erreichen versucht.

Ohne die programmatischen Folgen klarzumachen, die im Namen dieser falsch benannten Taktiken entstehen, erscheint das Pochen auf die Notwendigkeit von Sektionen als reiner Organisationsfetischismus. Da diese Oppositionellen auch keine tiefgehenden Vorbehalte gegenüber der Methode des VS hatten und haben, machte es weiter wie bisher.

Schlimmer noch, solche Oppositionen können durch die VS-Führung problemlos ausgebremst werden - indem sie zum Aufbau von Sektionen aufruft. Wenn auch halbherzig proklamierte der 13. Weltkongreß, daß das VS für den Aufbau von Sektionen/einer Sektion in der UdSSR ist. Es fragt sich jedoch, wie und auf welchem Programm? Hier wartet man vergeblich auf eine Antwort von der Mehrheit wie auch ihrer Kritiker.

Der einzige Versuch der Matti-Tendenz, dieses Problem anzugehen, war erbärmlich bis zum letzten. In ihren Augen bestand die zentrale programmatische Frage beim Aufbau einer Sektion in der "Unterstützung der Revolution in den drei Sektoren" (d.h. in den imperialistischen und imperialisierten Ländern sowie in den degenerierten Arbeiterstaaten). Bis jetzt war die TAVI die erfolgreichste Oppositionsgruppe, wenn man die am Kongreß erhaltenen Stimmen (11%) als Maßstab nimmt. Matti war lange Zeit ein Oppositioneller in der französischen LCR, die wegen ihrer Größe, Geschichte und Nähe zum internationalen Zentrum noch immer das europäische Flaggschiff des VS ist.

Mattis Politik - und die seiner britischen Mitstreiter in der TAVI - war als "orthodoxer Trotzkismus" bekannt. D.h. sie ließen sich von der Stalinophobie in der Tradition des alten Internationalen Komitees, v.a. in dessen lambertscher Spielart, die besonders in Frankreich stark ist, inspirieren. Wie bei ihren politischen Ziehvätern in der Organisation Lamberts, der PCI, ist die Kombination radikal klingender Kritiken am VS mit einer besonders opportunistischen Anpassung an die Sozialdemokratie und sogar an radikale bürgerliche Tendenzen das Markenzeichen der TAVI.

Ihren lambertistischen Ahnen getreu, argumentierte die TAVI für die Vereinigung Deutschlands, ohne die Konsequenzen für die nachkapitalistischen Eigentumsverhältnisse in der ehemaligen DDR in Erwägung zu ziehen. Matti ging sogar soweit zu leugnen, daß an den nachkapitalistischen Eigentumsverhältnissen, die das Wesen der degenerierten Arbeiterstaaten ausmachen, irgend etwas Fortschrittliches wäre: "Diese Systeme stellten keinen Fortschritt dar und auf keine Weise und unter keinen Umständen waren sie ein Fortschritt gegenüber dem Kapitalismus." Ja, in den Augen Mattis war die kapitalistische Wiedervereinigung "für die gesamte Menschheit und in erster Linie für die Arbeiter gut".

Diese mechanistische Sichtweise, die die stattfindende politische und soziale Dynamik nicht begreifen kann, war mit dem für die verrottete Tradition des Internationalen Komitees ebenfalls typischen zügellosen Euphorismus und Katastrophismus verbunden. Befreit vom konterrevolutionären Einfluß des Stalinismus, würde die Arbeiterklasse im Osten und Westen "dazu tendieren, ihre sozialen Forderungen auf höchstem Niveau zu vereinheitlichen, neue erringen und das Ausmaß demokratischer Freiheiten und politischer Demokratie vergrößern. Diese Realität unterminiert bereits klar ersichtlich alle Pläne der europäischen Bourgeoisie."

Es stimmt natürlich, daß eine in Zukunft geeinte deutsche Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Offensive kämpfen und neue soziale Errungenschaften erreichen wird. Aber die erste Aufgabe von Revolutionären besteht darin zu sagen, was ist - und zwar, daß die ostdeutsche Arbeiterklasse eine entscheidende Niederlage erlitt, als sie sich zwischen November 1989 und April 1990 unfähig zeigte, die Gunst der Stunde zu nutzen und um die politische Führung zu kämpfen.

Die Zerschlagung der bürokratisch Planwirtschaft und derjenigen sozialen Errungenschaften, die die Stalinisten akzeptieren mußten, markieren eine Niederlage für die Arbeiterklasse im Osten wie im Westen. Die gegenwärtige ideologische Hegemonie des Kapitals bei großen Teilen der Arbeiterklasse wird nicht ewig währen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß diese für Revolutionäre ungünstige Situation unser Ausgangspunkt ist, und nicht ihre Verharmlosung durch irgendwelche tröstlichen Phantasien über zukünftige Kämpfe.

Die Stalinophobie der TAVI machte sie auch blind gegenüber realen Differenzen in der stalinistischen Bürokratie, die sie als undifferenzierten Block betrachtete. Für Matti et al (wie auch für die Lambertisten) ist die Bürokratie einzig und allein ein Agent des Imperialismus in der Arbeiterbewegung und daher zur Gänze und immer für die Restauration des Kapitalismus:

"In unserer Sicht gab es eine Klassenpolarisierung zwischen zwei Lagern - den Imperialismus und die Bürokratie auf der einen Seite, der Arbeiterklasse auf der anderen".

Der mangelnde Realitätsgehalt der TAVI-Position zu Osteuropa zeigt sich auch an ihrer blauäugigen Sorglosigkeit gegenüber der Gefahr der kapitalistischen Konterrevolution. Noch im März 1991 behauptete Matti, daß "die kapitalistische Restauration in nächster Zukunft in Osteuropa und der UdSSR nicht stattfinden wird". Polen und Ungarn werden ihn bald eines bessern belehren.

In einer anderen Huldigung des Lambertismus argumentiert die TAVI, daß die Entwicklung demokratischer Forderungen die Hauptlinie des Voranschreitens des internationalen Proletariats sei. "Radikale Demokratie bis zur letzten Konsequenz umgesetzt, das ist revolutionär", behauptet Matti. Diese Position war es auch, die die TAVI dazu brachte, zuerst und an zentraler Stelle die Losung einer konstituierenden Versammlung für ein vereinigtes Deutschland aufzustellen, statt der Arbeiterräte.

Von Anfang an akzeptierte die TAVI, daß es eine "demokratische" Etappe der Wiedervereinigung geben werde, daß sie notwendigerweise eine Periode durchlaufen müsse, in der die Losung der konstituierenden Versammlung die Schlüsselforderung sein werde. Selbst zu einem so späten Zeitpunkt wie dem Jahresbeginn 1990 versagte die TAVI darin, die Frage von Arbeiterräten aufzuwerfen. Das ist kein "Mißgeschick". Es ist das Resultat ihrer rechtszentristischen Methode, die versucht, einen "demokratischen" Weg statt den des Kampfes für Arbeiterdemokratie und Arbeitermacht zu beschreiten.

Socialist Action (US) stellte eine anderen Oppositonstendenz zur Mehrheitslinie dar, daß in Nikaragua ein Arbeiterstaat entstanden sei. Andererseits bestehen sie jedoch darauf, daß die FSLN eine "Partei von Revolutionären in Aktion" gewesen sei, was bedeutet, daß die FSLN eigentlich nur in die richtige Richtung gedrängt werden müßte. Zur Frage der politischen Revolution in Kuba äußert sich diese Tendenz ausgesprochen vage. Sie zieht es vor zu sagen, daß sie "Räteformen der Regierung befürworten". Trotz ihres Statements, daß "die Vierte Internationale ohne einen Führungswechsel untergehen wird", stellt Socialist Action keinen qualitativen Bruch mit der zentristischen Methode des VS dar.

Angesichts der Ähnlichkeit vieler Positionen von Socialist Action und der TAVI ist es schwer einzusehen, warum sie keine gemeinsame Opposition gebildet haben, wie das 1989 ursprünglich vorgeschlagen wurde. Aus irgendwelchen fraktionellen Gründen scheiterten die Verhandlungen und Anfang 1991 wurde Socialist Action durch eine prolambertistische Abspaltung, die etliche Führungsmitglieder umfaßte, darunter die Inspiratoren vieler ihrer lambertistischen Positionen, deutlich geschwächt.

Außerdem sind eine Reihe ehemaliger SWP-Führer (Sheppard, Miah und Lund) Socialist Action zu Beginn der 1990er Jahre beigetreten, die ihre vollständige politische Übereinstimmung mit den neo-stalinistischen Positionen der SWP(US) verkündeten.

Die Linke Tendenz (LT) kommt aus einer anderen politischen Tradition, aber sie ist ebenso vom Zentrismus des VS geprägt. Korrekterweise hält sie fest, daß "die Politik der Internationale während der letzten paar Jahrzehnte eine Reihe analytischer, strategischer und taktischer Fehler war". Aber daraus ziehen sie nicht den naheliegenden Schluß: Die Führung des VS ist unrettbar zentristisch und das VS kann nicht als Ganzes in eine revolutionäre Organisation umgewandelt werden.

Das LT-Dokument, das dem Kongreß vorgelegt wurde (wo es eine Stimme erhielt), ist bedeutend kürzer als das ursprünglich intern zirkulierte Papier. Die Kritik an der Linie der Führung zu Nikaragua wurde durch ein vages, obligatorisches Bekenntnis zur permanenten Revolution ersetzt. Ob das geschah, um dem Zorn der Führung zu entrinnen oder um eine opportunistische Allianz zu schaffen, änderte nichts am Ergebnis: Trotz ihres Anspruchs zeigte sich die LT als loyale Opposition im VS.

In keiner Version ihres Dokuments wurde Gorbatschow oder die Krise der UdSSR erwähnt. Bezüglich der Schlüsselfrage der politischen Revolution fand sich nicht die geringste konkrete Kritik an der Bilanz des VS. Wie es bei VS-Oppositionen zumeist üblich ist, mußten allgemeine Bemerkungen als verklausulierte Darstellung bestimmter politischer Differenzen herhalten. Diplomatische Formeln und die Weigerung zu sagen, was ist, sind Kennzeichen des Zentrismus und nicht des Trotzkismus.

Bezüglich der "besonders Unterdrückten", einem der Fetische des LT, liegen sie ganz auf der Linie der VS-Methode, indem sie für "autonome" klassenübergreifende Bewegungen und eine "strategische Allianz" der Unterdrückten mit der Arbeiterklasse eintreten. Die gesamte Strategie der LT und ihrer damaligen Gesinnungsgenossen im "Internationalen Trotzkistischen Komitee" drückte sich schließlich in der erneuten Bekräftigung ihrer Position aus, daß das VS eine besondere Art des "Zentrismus mit trotzkistischem Ursprung" darstelle, der dem stalinistischen, sozialdemokratischen, nationalistischen oder syndikalistischen Ursprungs qualitativ überlegen wäre.

In einer bemerkenswerten Stellungnahme, die mehr mit Metaphysik als mit Marxismus gemein hat, behauptete sie, daß "die Vierte Internationale lebt, aber sie lebt durch die Existenz ihren verschiedenen, organisatorisch getrennten Fraktionen". Anders herum: Trotz der Fehler, die die LT aufzeigt, betrachten diese braven Revolutionäre Mandel, Lambert und den Rest der größeren Organisationen als "Vierte Internationale", die bloß der "politischen Regeneration" bedarf.

Wenngleich dieser zentristische Unsinn Unterstützern der LT im und außerhalb des VS gefallen mag, so trägt er nichts dazu bei, die programmatischen Fragen, die im Zentrum der Wiedergründung einer revolutionär-kommunistischen Internationale stehen, zu klären - ebensowenig wie dadurch der zentristische Bankrott all der Organisationen, die von sich behaupten, die Vierte Internationale zu verkörpern, aufgezeigt wird. Es ist vielmehr ein Rezept für zentristische Verwirrung, ein Fahneneid auf eine zentristische Tradition, die seit über vierzig Jahren besteht.

An einem Wendepunkt

Der Mangel an Selbstvertrauen, mit dem das VS in die Zukunft blickt, wird nirgendwo deutlicher als an seinem langsamen organisatorischen Zusammenbruch. Am 13. Weltkongreß mußten die europäischen Sektionen einen dramatischen Mitgliederschwund von 25% registrieren. Ein halbes Dutzend Sektionen hatte sich allein in der zweiten Hälfte der 80er Jahre im Namen der letzten Kursänderung aufgelöst. Andere hatten sich gespalten. Die schweizer Sektion fand es nicht einmal der Mühe wert, am Kongreß teilzunehmen.

Sowohl an der Basis als auch in der Führung gab und gibt es eine weitverbreitete Demoralisierung. Während der 80er Jahre etablierte sich unter den VS-Leitungen zunehmend eine "Hände weg von ..."-Politik. Das sechsmonatig geplante IEK tagte zwischen 1982 und 1984 fast zwei Jahre lang nicht und hat seither gerade einen jährlichen Rhythmus eingehalten, während die monatlichen Sekretariatssitzungen nur noch vierteljährlich stattfanden.

Der Gehalt der von den einzelnen Gremien und Komitees produzierten Dokumente wird stetig geringer. Sie basieren meist auf mündlichen Berichten oder Artikeln mit außergewöhnlich geringem programmatischen Gehalt. Und der 13. Kongreß ergötzte sich auch noch an dem losen förderalen Charakter des VS:

"Jede nationale Organisation hat ihr eigenes politisches Profil, ihre eigenen Einheitsfronten, ihre eigene Verantwortung und Entscheidungskompetenz".

Kein Wunder, daß sich die internationale Führung so selten trifft und so wenig interveniert! Was würde das auch schon ausmachen, hat doch jede Sektion die oberste Einscheidungsgewalt über ihre Linie?

Das VS bereitet seinen eigenen Zerfall entlang nationaler Linien vor. Das Verschwinden so vieler Sektionen in reformistischen, nationalistischen oder rechtszentristischen Organisationen ist nur die erste Etappe des organisatorischen Zusammenbruchs, den aufzuhalten weder die Führung noch die Mitgliedschaft geneigt zu sein scheinen.

Es gibt kein Zeichen dafür, daß sich eine genuin kritische und revolutionäre Opposition entwickeln wird, um diesen Degenerationsprozeß zu stoppen. Selbst wenn die Führung einen neuen zentristischen Kurswechsel durchführen würde und damit den Laden in letzter Minute retten, so wäre dies nur eine zeitweilige Atempause. Nur ein vollständiger Bruch mit der über 40 Jahre alten zentristischen Methode des VS kann die Basis dazu befähigen, eine Programm und eine Organisation zu finden, die den Weg zur politischen Revolution im Osten und zur sozialen Revolution im Westen weisen kann.

Obwohl das VS behauptet, die Vierte Internationale Trotzkis zu sein, wird es vom Selbstzweifel an seiner historischen Rolle geplagt. Und das zurecht. 1938 schloß Trotzki das Übergangsprogramm, das Gründungsdokument der Vierten Internationale, mit dem krönenden Aufruf: "Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder, sammelt euch um das Banner der Vierten Internationale! Es ist das Banner eures kommenden Sieges!" 1991 war das VS gerade dazu fähig, festzustellen: "Wir sind davon überzeugt, daß unser Programm und unsere Analyse verdienen, gekannt zu werden". Dieser Unterschied sagt alles.

 

Der Letzte macht das Licht aus

1933-1940:

1940-1953:

Zentrismus und Stalinismus:

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vor dem 14. Weltkongreß:

vor dem 14. Weltkongreß:

Socialist Action (US):