Arbeitermacht
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1940-1953:

Die Epigonen zerstören Trotzkis Internationale

Die allgemeine Dezimierung von Kadern vor und während des Krieges, wozu man noch den 40%igen Verlust durch die Abspaltung der Shachtman-Gruppe in der SWP/USA rechnen muß, fand ihre Parallele in einer Reihe von opportunistischen und sektiererischen Abweichungen, die die Kräfte des Trotzkismus politisch schwächten.

In den USA verfälschte die SWP unter Cannon Trotzkis proletarische Militärpolitik angesichts des Kriegseintritts der USA Ende 1941. Die SWP legte das ganze Gewicht auf den taktischen Kompromiß in dieser Politik, das bürgerliche Militarisierungsprogramm mit dem Kampf um Arbeiterkontrolle zu kombinieren, verdunkelte aber Trotzkis strategischen Zusammenhang, das unzweideutige Eintreten für revolutionären Defätismus in der Realität des imperialistischen Krieges. Unter dem Vorwand, die Legalität um jeden Preis wahren zu müssen, zögerte Cannon eine Stellungnahme der SWP zum Kriegsausbruch hinaus, was erst nach oppositionellem Drängen, v.a. durch den spanisch-mexikanischen Genossen G. Munis geschah. Sie wurde erstmals in der Ausgabe vom Januar 1942 des theoretischen Organs der Partei "Fourth International" abgedruckt, aber nicht im Parteiorgan "The Militant" trotz dessen höherer Auflage. Die Verlautbarung bezog allerdings eindeutig Stellung gegen den Krieg und hißte die Fahne des Internationalismus gegen den wahnwitzigen Taumel aufs Schlachtfeld. Aber sie sprach nirgendwo aus, daß amerikanische Marxisten die Niederlage der bürgerlichen amerikanischen Armeen als das kleinere Übel erachten. Sie war eine internationalistische Stellungnahme gegen den Krieg, aber kein leninistisches defätistisches Manifest.

Die Partei ging sogar noch weiter und behauptete mehrfach, der Faschismus und nicht die amerikanischen "demokratischen" Imperialisten sei der Hauptfeind der US-Arbeiterschaft. Das Übergangsprogramm hatte die Leitlinien für die Vierte Internationale in den imperialistischen Ländern festgelegt:

"Der Grundsatz dieses Kampfes lautet: Der Hauptfeind steht in eurem eigenen Land oder Die Niederlage unserer eigenen (imperialistischen) Regierung ist das kleinere Übel".

Das Manifest der Vierten Internationale zum Krieg hatte 1940 festgestellt: "Im Gegensatz zur II. und III. Internationale stützt sich die IV. Internationale nicht auf die militärischen Erfolge der kapitalistischen Staaten, sondern auf die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg der Arbeiter gegen die Kapitalisten, auf den Sturz der herrschenden Klassen aller Länder, auf die sozialistische Weltrevolution."

Trotzki kritisierte seine palästinensischen Gesinnungsgenossen zuvor schon wegen ihrer Abweichung von dieser Linie.

Die SWP wich in der Kriegsglut und aus Furcht vor Verfolgung von den Positionen der Vierten Internationale zurück. In "Sozialismus auf dem Prüfstand" nahm Cannon in einem Massenpamphlet von einer Klarstellung Abstand, daß der Hauptfeind im eigenen Land stand.

"Frage: Ist es wahr, daß die Partei genauso gegen Hitler ist wie gegen die kapitalistischen Machtansprüche der USA? Antwort: Das kann man so nicht beantworten. Wir sehen Hitler und den Hitlerismus als größten Feind der Menschheit an. Wir wollen beides aus der Welt schaffen. Wir unterstützen keine Kriegserklärung durch die USA, weil wir nicht glauben, daß die amerikanischen Kapitalisten Hitler und den Faschismus besiegen können. Wir meinen, daß der Hitlerismus nur durch einen Krieg unter Führung der Arbeiter zerschmettert werden kann."

Diese kurze Passage enthält drei zentristische Abgleitflächen:

a) Hitler und nicht die "60 großbürgerlichen Familien" erscheint als größter Feind der amerikanischen Arbeiter;

b) Cannon schlägt einen Krieg, vermutlich eine Invasion Deutschlands, als Weg, Hitler zu schlagen, vor. Trotzki wiederum sagte der palästinensischen Gruppe, die einen ähnlichen Krieg befürwortete: "Nein, auf diese Weise werden wir den deutschen Arbeitern nicht helfen, sich aus der Betäubung aufzuraffen. Wir müssen ihnen in der Praxis zeigen, daß revolutionäre Politik aus einem gleichzeitigen Kampf gegen die betreffenden imperialistischen Regierungen in allen kriegführenden Ländern besteht. Diese 'Gleichzeitigkeit' darf klarerweise nicht mechanisch aufgefaßt werden. (...) Für Hitler oder Mussolini wäre der Erfolg einer sozialistischen Revolution in irgendeinem entwickelten Land unendlich schrecklicher als die kombinierte Kriegsmacht aller imperialistischen 'Demokratien".

c) Cannon spricht lediglich von der "Führung" der Arbeiter. Dies ist unbestimmt bis zur Bedeutungslosigkeit. Wir sagen, nur wenn die Regierung ein wirkliches Arbeiterregime ist, werden wir das "Vaterland verteidigen". Darüber kann es keinen Zweifel geben. Doch die SWP blieb zweideutig. Sie wandelte die revolutionär defätistische Losung "Macht den imperialistischen Krieg zum Bürgerkrieg" in den ausweichenden demokratischen Slogan "Die wirkliche Lösung ist die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Krieg gegen den Faschismus" ab. Diese Parole wurde sogar vor dem Kriegseintritt der USA ausgegeben.

Die Bedeutung dieser Abgleitfläche spiegelte die Neigung der SWP wider, sich nationalem Druck und Erwägungen zu beugen und zu ihren Gunsten internationalistische Prinzipien umzustoßen. Alle Rechtfertigungen Cannons für seine vorsichtigen Formulierungen, in Wahrheit seine Politik, sind gebettet in die Absicht, das momentane Bewußtsein der "amerikanischen Arbeiter" zu erreichen. Dieses für sich korrekte und lobenswerte Ansinnen war aber nicht an die Erkenntnis gekettet, daß die SWP sich gegen das in der ersten Kriegsphase chauvinistische Bewußtsein stellen mußte und darüber hinaus ihrer Internationalistenpflicht als stärkste Partei der trotzkistischen Bewegung, die unter den relativ besten Bedingungen arbeiten konnte, zu genügen hatte und der Weltarbeiterklasse in klaren revolutionär defätistischen Begriffen die Wahrheit verkünden mußte.

Während die SWP-Mitglieder in der Handelsmarine und den Streitkräften mutige Anstrengungen unternahmen, internationale Kontakte herzustellen, handelte die Partei nicht als internationales Organisationszentrum für die Vierte Internationale. Sie errichtete auch kein solches Zentrum in einem neutralen europäischen Land, um die zersplitterten europäischen Sektionen zu koordinieren. Ein solches Vorhaben, obschon schwierig, war nicht unmöglich. Die Europäer waren 1943 selber imstande, den Kontakt wiederaufzunehmen, als sie internationale Zusammenkünfte in von den Nazis besetzten Ländern abhielten. Ein internationales Zentrum in der Schweiz z.B. hätte diesen Reorganisierungsprozeß erleichtert. Die SWP handelte nicht entschlossen, um der kriegsbedingten organisatorischen Zersplitterung Einhalt zu gebieten, sonst hätten einige ihrer schädlichen Wirkungen geglättet werden können. Die SWP entzog sich weiter ihrer Verantwortung als führende Sektion der Weltbewegung, die sie trotz gesetzlichem Ausschluß von der Mitgliedschaft der Vierten Internationale war, als sie nach dem Krieg die Führung den jungen und unerfahrenen europäischen Genossen Pablo und Germain alias Mandel willig überließ.

Andere Sektionen folgen Cannon: Nationalismus bei den französischen Trotzkisten

In der Kriegsgeschichte der IV. Internationale drifteten neben der SWP auch eine Reihe von anderen Sektionen von einer konsequent revolutionären Linie zum Krieg ab. In Frankreich gab es zu Kriegsbeginn keine offizielle Sektion der Vierten Internationale. Ehemalige Mitglieder der POI, der im Juni 1939 vom internationalen Exekutivausschuß aufgelösten Sektion, formierten sich unter dem Namen "Französische Komitees für die Vierte Internationale" und übernahmen sozialpatriotische Positionen und nationalistische Forderungen angesichts der deutschen Besetzung Frankreichs. Sie betrachteten den nationalen Kampf eines Teils der eigenen imperialistischen Bourgeoisie als fortschrittlich. Diese Zugeständnisse der POI an den kleinbürgerlichen Nationalismus waren besonders bemerkenswert, weil die französische Arbeiterklasse bei Kriegsausbruch noch nicht mit dem chauvinistischen anti-boche-Gift verseucht war, das die PCF später propagierte. Die andere Hauptgruppe war die CCI, die großenteils aus der Vorkriegs-PCI um Molinier/Frank stammte. Diese Formation widerstand zwar der Flut des kleinbürgerlichen Nationalismus und versagte dem Kampf der gaullistischen Fraktion der französischen Bourgeoisie die Gefolgschaft, verfiel aber in abstrakten Propagandismus und sektiererische Haltung gegenüber jenen Kämpfen der französischen Arbeiter und Bauern, die sie in Konfrontation mit den Truppen des deutschen Imperialismus brachten.

In Frankreich wurde 1943 ein vorläufiges europäisches Sekretariat der IV. Internationale unter Pablos Führung eingerichtet. Es organisierte im Februar 1944 eine Konferenz der europäischen Sektionen. Eines der Ziele der Konferenz war die Vereinigung der beiden französischen Hauptgruppen. Die Konferenz kritisierte die nationalistische Abweichung der POI, ließ aber deren fälschliche Behauptung durchgehen, sie sei bei Kriegsausbruch vom Nationalismus der Massen angesteckt worden. Die Konferenz bezichtigte aber auch die CCI der sektiererischen Haltung gegen die Partisanenbewegung und stellte sie auf eine Stufe mit dem nationalistischen Opportunismus der POI. Zentristen wie Mandel behaupten ja heute noch, es wäre ein grundlegender Fehler gewesen, sich nicht voll an dem gaullistisch/stalinistisch geführten Widerstand gegen den deutschen Imperialismus beteiligt zu haben. Kein Versuch wurde jedoch unternommen, die wahren Wurzeln des Sektierertums der CCI aufzudecken. Beseelt von dem Wunsch nach Vereinigung kamen z.B. weder die falschen Perspektiven der CCI noch ihre Fehldiagnose zum Verhältnis von Partei und Klasse zur Sprache. Ihr Bemühen, "Arbeitergruppen" als Keimform von Sowjets zu errichten, entsprach der zentristischen Position von Molinier/Frank 1936/1937, die mit sogenannten revolutionären Aktionsgruppen embryonale Sowjets schaffen wollten (siehe Braun "Die Massenzeitung", in: "Die Krise der französischen Sektion"). Deshalb kam in Frankreich keine umfassende und ehrliche Bilanz der Kriegsperiode zustande.

Die deutsche Sektion IKD schlingerte in menschewistisches Fahrwasser. Als sie der Meinung war, der Sieg der Nazis hätte statt der proletarischen die "demokratische Revolution" wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

In Britannien begingen die beiden trotzkistischen Gruppen ähnliche Irrtümer. Die "Workers' International League" (WIL), die ansonsten gute Arbeit in den Fabriken leistete und auch Streiks leitete, schloß sich letzten Endes der Cannon-Linie an. Vor dem Fall Frankreichs nahm die WIL eine klar defätistische Position ein. Im Dezember 1938 führte sie aus: "Der einzige Weg des Handelns ist, der deutschen Arbeiterklasse zu zeigen, daß wir gegen unsere eigene Bosse kämpfen und sie durch unser Beispiel ermuntern, Hitler zu stürzen."

Unter Vorwegnahme der späteren Fehler der anderen britischen Trotzkistengruppe Revolutionary Socialist League (RSL) reagierte die WIL sektiererisch auf die praktischen Probleme bei Kriegsausbruch. Sie vertrat die Ansicht, daß Forderungen nach geeigneten Luftschutzbunkern für Arbeiter gleichbedeutend sei mit der Unterstützung der Kriegshandlungen. Nach der Kapitulation Frankreichs 1940 änderte sich jedoch ihre Linie. Als der "Feind vor der Tür stand", begann die WIL, dem chauvinistischen Druck zu erliegen. Die Niederlage war nicht länger das kleinere Übel, sondern eine reale Möglichkeit.

Die WIL erklärte im Februar 1941 die "Umwandlung des derzeitigen imperialistischen Krieges in einen wirklichen Kampf der Arbeiter gegen den Nazismus" zur Aufgabe. Die WIL verband dies ausdrücklicher als die SWP mit einer Kampfansage an die britischen Kapitalisten. Trotzdem war ihre Losung keine konsequent revolutionär defätistische. Die kleinere offizielle Sektion der Vierten Internationale RSL versteifte sich auf eine strenger defätistische Haltung. Wie die CCI offenbarte sie definitiv sektiererische Abgleitflächen, insbesondere im taktischen Anwendungsbereich.

Es wäre falsch, Sektierertum und Opportunismus während eines imperialistischen Krieges als gleich einzustufen. Lenin war im Ersten Weltkrieg bereit, mit den Sektierern einen Block zu bilden, ohne dabei ihre Politik zu unterstützen, in der Absicht, die konsequentesten Kräfte um das Banner des Internationalismus zu scharen. Wir glauben, daß die Vierte Internationale schlecht beraten war, bei ihren Nachkriegsfusionen in Britannien und Frankreich beide Fehler als gleichrangig zu verurteilen. Der Opportunismus der POI, der SWP und der WIL spiegelte den Druck des Sozialchauvinismus wider. Wo der sektiererische Trend nicht in passives Fernbleiben von den Kämpfen umschlug (was in Frankreich eindeutig nicht geschah), mußte er klar den Vorzug erhalten. Bezeichnend war auch, daß weder die Vierte Internationale noch die SWP eine ehrliche Bilanz vorlegten, wie die Fehler der SWP während des Krieges verantwortet und korrigiert wurden.

Wiederaufbau der Vierten

1944 formierten sich mehrere europäische Sektionen aufs Neue bei einer Konferenz auf von den Nazis besetztem Territorium. Sie verabschiedeten die "Thesen zur Liquidierung des Zweiten Weltkrieges und zum revolutionären Aufschwung". Diese Thesen bezeugten das revolutionäre Potential der Sektionen der Vierten Internationale. Sie sprachen sich für eine defätistische Position im Krieg aus, als sich der antideutsche Chauvinismus und die Sympathie für die Alliierten in Europa rasch ausbreiteten. Die Thesen zeigten, daß der Wiederaufbau der Vierten Internationale auf revolutionärer Grundlage im Bereich des Möglichen lag. Eine gravierende Desorientierung über die entscheidende Frage der Perspektive verhinderte indes ihre Realisierung.

Die Nachkriegszeit verlief anders, als sie Trotzki vorausgesagt hatte. Zur Entstehungszeit des Übergangsprogramms waren die Kernelemente seiner Perspektive für die kommende Periode: a) eine massive revolutionäre Welle, besonders in Deutschland, Italien, Frankreich, Britannien und den USA; b) die qualitative Verwandlung der Vierten Internationale in eine Massenkraft, die imstande ist, das Übergangsprogramm für den Bezug auf und die Durchsetzung als Führerin im revolutionären Aufschwung zu nutzen; c) der Todeskampf des Kapitalismus bzw. sein Überleben nur auf totalitärer Basis; d) die Zerstörung der stalinistischen Bürokratie in der UdSSR entweder durch die politische Revolution oder den siegreichen Imperialismus; e) die Auflösung der alten Arbeiterführungen, der Sozialdemokraten und Stalinisten, da ihre materiellen Grundlagen verschwinden, Krümel vom Tisch des Imperialismus und bürokratische Privilegien in der UdSSR.

Das Übergangsprogramm war keine Ansammlung von zeitlosen marxistischen Weisheiten, sondern ein "Handbuch der Aktion". Es war notwendig, seine Forderungen, Taktiken und Perspektiven ständig anhand der Wirklichkeit zu überprüfen und das Programm entsprechend weiterzuentwickeln. Trotzkis Nachfolger haben das nach dem Krieg wiederholt unterlassen. Nach Trotzkis Perspektive würde der Zweite Weltkrieg ähnlich große oder noch größere revolutionäre Aufschwünge hervorbringen als die Periode nach dem Ersten Weltkrieg. Die kapitalistische Ökonomie, die bürgerliche Gesellschaft und ihre reformistischen Schmarotzer würden in eine Todeskrise gestürzt. Die stalinistische Bürokratie würde, wenn sie einem militärischen Menetekel durch die Imperialisten entgehen könnte, der politisch proletarischen Revolution unterliegen, die von den revolutionären Geschehnissen im Westen angefacht werden würden. An Trotzkis hergeholtem Zeitplan der historischen Erschöpfung des US-Monopolkapitalismus kann sicher Kritik geübt werden. Doch auch Marx, Engels und Lenin sind solchen Irrtümern aufgesessen, die unabweisbar einem revolutionären Optimismus geschuldet waren.

Trotzki blickte auf dem Dritten Weltkongreß der Komintern folgendermaßen auf einen früheren perspektivischen Fehler zurück:

"Wir hatten keine Sonnenfinsternis vorausgesagt, d.h. ein Ereignis, das von unserem Willen und unseren Handlungen zur Gänze unabhängig ist. Es dreht sich um ein geschichtliches Ereignis, das mit unserer Teilnahme geschehen kann und wird. Wenn wir von der Revolution als Ergebnis des Weltkrieges sprechen, heißt das, daß wir danach strebten und streben, die Folgen des Weltkrieges zu nutzen, um die Revolution in jeder Hinsicht zu beschleunigen."

Trotzkis Perspektiven erweisen sich als falsch

Trotzkis Perspektiven erwiesen sich nach dem Krieg als falsch. Dazu trugen mächtige objektive Faktoren bei. Britannien und Frankreich, zwei von drei "demokratischen Imperialismen" zeigten sich so morsch und instabil, wie Trotzki das gesehen hatte. Das galt jedoch beileibe nicht für die USA. Das kolossale Ausmaß und die Dynamik ihrer Produktivkräfte versetzten sie in die Lage, das absterbende britische Empire zu erhalten und den französischen Imperialismus vor dem Grab zu retten, beide als abhängige und untergeordnete Kreaturen, die außerstande waren, ihren Herren aus der Wall Street gefährlich zu werden.

Im russischen Arbeiterstaat behauptete sich die Planwirtschaft trotz Sabotage und Pfusch von Seiten der stalinistischen Bürokratie. Obwohl Stalin und seine Clique den Arbeiterstaat 1941 an den Rand des Abgrunds gebracht hatten, bescherte der heldenhafte Widerstand der Arbeiterklasse und die Hilfeleistung der Bauernschaft wie der Nationalitäten trotz Stalins Verbrechen und wegen der faschistischen Greuel der UdSSR den Sieg. Dieser Sieg stärkte allerdings nicht nur den Staat, sondern auch die bonapartistische Bürokratie. Das Vorrücken der US-amerikanischen und sowjetischen Armeen auf dem europäischen Festland plazierte mitten unter die französische, italienische und deutsche Arbeiterklasse Besatzerheere, die der Ausbreitung der proletarischen Revolution einen Riegel vorschoben. Der Triumph des Stalinismus und des anglo-amerikanischen demokratischen Imperialismus begünstigte die politischen Kräfte, die diesen Lagern zuzurechnen waren.

Zum einen wurden die offen bürgerlichen Parteien sowie die Sozialdemokratie dank des Sieges der "Demokratien" wiederbelebt. Andererseits erhielten die stalinistischen Parteien durch das Gewicht des sowjetischen Triumphes und die eigenen Partisanenkämpfe ebenfalls Auftrieb. Diese Kräfte hatten weder ihre materielle Grundlage eingebüßt noch ihr politisches Ende oder organisatorische Auflösung zu beklagen, sondern gingen aus dem Krieg sogar noch gekräftigt hervor. Die Politik der Klassenkollaboration, die über die Volksfront vor dem Krieg mit dem Ansehen der II. und III. Internationale etabliert wurde, brach erst 1946/1947 wieder auf, als die Nachkriegskrise überwunden war. Das ganze Gewicht der bürgerlichen Demokratie und des Stalinismus wurde gegen die proletarische Revolution in die Waagschale geworfen.

Sobald die unmittelbaren potentiell revolutionären Situationen vorbei waren, trug die enorme Wirtschaftskraft der USA im Westen mittels des Marshall-Hilfsplans Früchte, während die Kreml- Bürokratie ihren osteuropäischen Gürtel abschloß und zur Umwandlung dieser Länder in degenerierte Arbeiterstaaten überging, indem sie zuvor das Proletariat politisch enteignet hatte. In Deutschland war die Klassenerhebung schwach und wurde sofort von Westalliierten und Sowjettruppen militärisch unterdrückt. In Italien und Frankreich demobilisierten die Stalinisten die Partisanenmilizen. Konstellationen aus sowjetischem Militär, einheimischen Stalinisten und deren Volksfrontverbündeten konnten in Mittel- und Osteuropa jede revolutionäre Regung im Keim ersticken.

Die Trotzkisten waren schwach und desorganisiert, aber sie fanden auch schlechte objektive Bedingungen vor, um dem Stadium von propagandistischen Randgruppen zu entwachsen. Statt dessen blühten die konterrevolutionären sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien auf und isolierten die Trotzkisten wieder. Sozialdemokratie und Stalinismus übten gewaltigen Druck auf die winzigen und desorientierten Kräfte der IV. Internationale aus.

Die Notwendigkeit einer neuen Perspektive

Es war legitim, eine neue politische und gesellschaftliche Krise im Kapitalismus zu erwarten. Aber 1946/1947 war auf jeden Fall eine neue Einschätzung der Perspektiven und eine Bilanz der Fehlschläge der alten Erwartungen vonnöten. Wäre dies damals geschehen, hätte es wahrscheinlich keine solch einseitige falsche Perspektive einer katastrophalen Krise, eines baldigen neuen Krieges und der verzögerten Revolution gegeben. Die Transformation des marxistischen Verständnisses von Krise, Krieg und Revolution als Ereignisse zu langgezogenen Prozessen war das Resultat eines kurzsichtigen Empirismus, der die "revolutionäre Perspektive" um jeden Preis verlängern wollte.

Die isolierten und geschlagenen Führer der IV. Internationale wollten nicht wahrhaben, daß nach einer mißratenen revolutionären Periode 1944/1945 nun eine konterrevolutionäre anbrach, allerdings in Form einer demokratischen Konterrevolution in den imperialistischen Hauptländern statt bonapartistischer oder faschistischer Reaktion. Die Mehrheit der alten Führer schloß davor einfach die Augen und hielt an der "Orthodoxie" fest. Die neue europäische und dann internationale Führung um M. Pablo und E. Germain wiederum begann Trotzkis Taktiken, Strategie und Programm unter dem Deckmantel der scheinbaren Treue zu seinen revolutionären Perspektiven stückweise und empirisch zu verändern. Um den Schein zu wahren, wurde die "Revolution" zu einem objektiven Prozeß mit Weltgeltung erklärt, der sich hier die stalinistische Bürokratie, dort die titoistischen Partisanen und anderswo die bevanistischen Labour-Parlamentarier zu seinen ausführenden Organen erkor. Es war nur eine Frage der Zeit, wann diese schrittweise Revision systematisiert wurde. Pablo unternahm den ersten Versuch 1950/1951.

Die IV. Internationale optiert für Dogmatismus

Die Nachkriegsperspektive der IV. Internationale beruhte auf einer Mischung aus Dogmatismus und blindem Optimismus. Dieser Dogmatismus erzeugte eine Reihe von Fehlern, deren Bandbreite vom Sektierertum zum Opportunismus reichte. Mit der Zeit teilten die politischen Erschütterungen die IV. Internationale in zwei Fraktionen, die beide gleichermaßen mit diesen Fehlern behaftet waren. Trotz der Anzeichen des Wirtschaftsaufschwungs in den USA beharrte Cannon auf der Einschätzung, die amerikanische Revolution stünde bevor. Die Perspektive des Dritten Weltkrieges verhieß ferner, daß die Welt am Rande einer dauerhaft vorrevolutionären Situation dahintaumelte. Die Dokumente des internationalen Kongresses von 1946 decken diese Tendenz innerhalb der IV. Internationale klar auf. So wurde in "Der neue imperialistische Frieden und der Aufbau der Parteien der IV. Internationale" argumentiert: "Der Krieg hat die Desorganisation der kapitalistischen Ökonomie verschlimmert und die letzten Möglichkeiten eines relativ stabilen Gleichgewichts der gesellschaftlichen und internationalen Verhältnisse zerstört." Weiter heißt es: "Wenn der Krieg in Europa noch keinen revolutionären Aufschwung in dem Ausmaß und Tempo gebracht hat wie von uns angenommen, so ist es nichtsdestotrotz unleugbar, daß er das kapitalistische Gleichgewicht auf Weltebene zerstört hat und damit den Weg freigibt für eine lange revolutionäre Periode." Diese "lange revolutionäre Periode" wurde immer länger und damit auch letzten Endes immer bedeutungsloser.

Das Potential zur Korrektur dieser Fehler in Bezug auf die Perspektive und den Wiederaufbau der IV. Internationale auf revolutionärer Grundlage war innerhalb des trotzkistischen Lagers vorhanden. Das starre Festklammern an Trotzkis Perspektive blieb nicht unhinterfragt. Eine Opposition in der SWP unter F. Morrow formulierte es so: "Trotzki versuchte uns das Verständnis beizubringen, daß Prognosen notwendig sind, aber genauso notwendig, zu verstehen, daß es unmöglich ist, das Tempo für eine längere Periode vorauszusagen, und deshalb müssen notwendige Korrekturen im Licht der Erfahrung eingebracht werden."

Ähnlich argumentierte die britische RCP, das Produkt der Vereinigung von RSL und WIL1944, gegen das Dokument "Der neue imperialistische Frieden" mit der Feststellung, daß sich der Stalinismus gestärkt hatte und nicht in einer Todeskrise steckte, und machte darauf aufmerksam, daß diese Fehleinschätzung die Gefahr der Desorientierung birgt. Die SWP behauptete 1946, daß der Krieg noch im Gange sei. Die IV. Internationale zauderte, ehe sie zum Rückzug der Sowjettruppen von den besetzten Gebieten aufrief. Anfangs wies sie einen britischen Änderungsantrag ab, korrigierte aber später ihre Position. Die französische Sektion hielt dafür, daß die UdSSR sich 1946 in größerer Gefahr befand als in den schlimmsten Kriegstagen. Noch verwunderlicher war das Statement des trotzkistischen "Neuer Spartakus": "Warum stiehlt Stalin? Weil er den Krieg verloren hat". Zur angeblichen Aktualität der ökonomische Krise des Imperialismus äußerte sich die RCP wie folgt: "Aber in einer Resolution, die unsere Kader auf die unmittelbaren ökonomischen Perspektiven zu orientieren versucht, von denen die nächste Etappe des Klassenkampfes und damit unsere direkte Propaganda und Taktik weitgehend abhängt, ist die Perspektive klar falsch. (...) Zum zweiten Mal innerhalb einer Generation ist es dem Kapitalismus gelungen, wieder Atem zu holen. Die Theorie des spontanen Zusammenbruchs des Kapitalismus ist dem Bolschewismus völlig fremd."

Die SWP- und RCP-Oppositionen übten korrekte Kritik an der Linie der IV. Internationale. Aber keine von beiden reifte zur wirklichen Linksopposition. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum spätere Fehler ungehindert passieren konnten. Die Morrow-Opposition zog den Schluß, daß für Europa ein demokratisches anstelle des Übergangsprogramms erforderlich sei. Ferner verstieg sie sich, getrieben von ihrer Feindseligkeit gegen die konterrevolutionäre stalinistische Besetzung Osteuropas, zu neuen Klassentheorien und zur völligen Preisgabe der Position zur Verteidigung der Sowjetunion. Die SWP-Führung beharrte darauf, daß mit dem Einmarsch der Sowjettruppen der Auftakt zu einer klassischen Doppelherrschaftssituation erfolgt sei; dies tat aber Morrows neuen Klassentendenzen keinen Abbruch. Dieser Oppositionskreis driftete schließlich aus der SWP hinaus und in die abtrünnige Shachtman-Gruppe hinein.

Die Zerstörung der britischen Sektion

Das Schicksal der RCP war anders. Durch ihre Kritik an der Perspektive der IV. Internationale und ihre Weigerung, den vom internationalen Sekretariat favorisierten "tiefen Entrismus" in der Labour Party mitzumachen, zog sich die RCP die Feindschaft Pablos und Germains zu. Cannon und die SWP hegten seit der Fusionsverhandlung vor dem Krieg ihren eigenen Groll gegen die Haston/Grant-Leitung der RCP. Gegen diese Leitung bauten SWP und IS eine Fraktion unter Führung von G. Healy und J. Lawrence auf, die sich 1947 abspaltete, um die Perspektive des tiefen Entrismus zu verwirklichen. Das ruinierte die RCP, schwächte und demoralisierte die alte Leitung und stärkte die Healy-Gruppe. Mit Cannons und Pablos Segen wurden beide Flügel 1949 wiedervereint; die alte Minderheit bildete nun aber die Mehrheit in den Führungsgremien. Mit großem Eifer, der bald sein Markenzeichen werden sollte, ging Healy daran, seine ehemaligen Gegner aus der Partei auszustoßen und die RCP, die nun "der Klub" hieß, in eine Sektion, die Pablo und Cannon ergeben war, zu verwandeln.

Die Kritik der Periode von 1946-1948 verschwand aus der IV. Internationale zu einer Zeit, als Anfang der 50er Jahre eine neue perspektivische Krise ausbrach. 1951 gab es keine Kraft mehr, die sich für eine Korrektur der früheren Fehler als Grundgerüst zur Vermeidung neuer Fehler aussprach.

Unter Pablos Führung und mit Billigung von Cannon und der SWP systematisierte der 2. Weltkongreß der IV. Internationale 1948 ihre fehlerhaften Perspektiven und versuchte den Eindruck zu erwecken, der kommende Krieg könnte zum "internationalen Bürgerkrieg" werden. Diese Perspektive schloß als Möglichkeit "andere wichtige Faktoren in der politischen Entwicklung anderer Länder" nicht aus, was Pablo später zur dominierenden Perspektive der IV. Internationale umgestaltete. Er benutzte die falschen Positionen der IV. Internationale als Argument für die unvermeidliche Gefahr des Krieges zwischen Imperialismus und Sowjetunion. Das Perspektivdokument von 1948, das zur Rechtfertigung einer Wende zum Aufbau von Massenparteien der IV. Internationale herhalten sollte, machte Pablo zu seinem Werkzeug, als er die Perspektive von der Auflösung trotzkistischer Fraktionen in sozialdemokratische oder stalinistische Parteien verbreitete. Dieser Mißbrauch der alten Perspektive nährte sich aus denselben falschen Wurzeln. Der Optimismus in Bezug auf eine wahrscheinlich spontane Verwandlung des Krieges in einen Bürgerkrieg enthielt einen methodischen Kardinalirrtum der Nachkriegsinternationale. Trotzkis Perspektiven und Prognosen wurden in eine kurzfristige Prophezeiung uminterpretiert. Der Zusammenbruch des Kapitalismus und der Ausbruch einer revolutionären Flut wurden als unabwendbare Resultate eines fortschreitenden objektiven Prozesses dargestellt, auf den sich Trotzkisten einstellen sollten.

Kapitalistische Krisen und Aufschwünge von Arbeiterkämpfen entstehen zwar aus den objektiven Widersprüchen des Kapitalismus, aber es gibt keinen "objektiven Prozeß" zur Lösung solcher Krisen. Ohne den Triumph des subjektiven Faktors, der revolutionären Partei, können die Siege der Arbeiterklasse nicht von Dauer sein.

Die IV. Internationale führte die Arbeiterklasse 1948 in keinem einzigen Land. Die revolutionären oder vorrevolutionären Krisen der unmittelbaren Nachkriegszeit waren eindeutig vorbei. Doch die IV. Internationale hielt an ihren Perspektiven fest. Auf ihrem Kongreß 1948 beschrieben die Thesen zum Stalinismus die Ereignisse in Osteuropa und Jugoslawien nicht als Teil eines revolutionären Prozesses. Diese Bewahrung alter Perspektiven beließ der IV. Internationale ihren orthodoxen politischen Standpunkt. In diesem Sinne können wir auch zu den programmatischen Erklärungen des Kongresses von 1948 wie zu denen des Gründungskongresses 1938 stehen. In dem Maße aber, in dem sich die Weltsicht der Führung von der Realität entfernte, wurde auch ihre Orthodoxie immer brüchiger. Ein scharfer Umschwung in den Weltereignissen genügte, um die orthodoxen Positionen der IV. Internationale, die sie bis 1948 vertrat, aus der Bahn zu werfen.

Der Bruch zwischen Tito und Stalin

Dieser Umschwung trat fast direkt nach dem Kongreß von 1948 ein. Im Sommer 1948 wurde der Bruch zwischen Tito und Stalin bekannt. Die jugoslawische KP wurde aus der Kominform, der verkümmerten Nachfolgeorganisation der Komintern, ausgeschlossen und wahlweise als "trotzkistisch" oder "faschistisch" verleumdet. Die IV. Internationale zog aus den jugoslawischen Ereignissen zentristische Schlüsse. Sie sah in ihnen nur eine Bestätigung ihrer falschen Perspektiven. So wies Jugoslawien angeblich die seit 1944 vorausgesagte Krise des Stalinismus nach. Der gesamte Prozeß war außerdem Teil eines erfolgreichen revolutionären Aufschwungs, der stets Kernelement der Perspektiven der Führung gewesen sei. Der Partisanenkrieg wurde im nachhinein zunächst von Pablo und 1951 dann von allen Führern der IV. Internationale zur "proletarischen Revolution" geweiht. In dieser "Revolution" wurde ein Arbeiterstaat errichtet, der nur quantitativ Deformationen aufwies und auch nicht qualitativ als degenerierter Arbeiterstaat charakterisiert wurde. Titos parasitäre Bürokratie war kein konterrevolutionärer Faktor, sondern ein "leninistischer" Freund, der den Rat der IV. Internationale braucht statt der revolutionären Opposition. In einem offenen Brief, in dem um Beobachterrechte beim Kongreß der jugoslawischen KP im Juli 1948 nachgesucht wird, erklärt das internationale Sekretariat: "Wir verstehen genau die große Verantwortung, die auf euch lastet, und (...) wir betrachten es als unsere kommunistische Pflicht, euch bei der Lösung der gegenwärtigen Krise im Kommunismus entlang proletarischer und leninistischer Leitlinien beizustehen."

M. Pablo, der damalige Führer der IV. Internationale, nutzte die jugoslawische Affäre zum Angriff auf eine Reihe von Kernpositionen der trotzkistischen Bewegung: Stalinismus, revolutionäre Partei und Entrismustaktik; durch die Verfälschung dieser Taktik untergrub er die kommunistischen Prämissen der Einheitsfronttaktik. Außerdem meinte er, daß die seiner Ansicht nach wahrhaft revolutionären Vorfälle in Jugoslawien auch in der übrigen osteuropäischen "Pufferzone", ja sogar in China stattfinden würden.

Pablos Position zu Jugoslawien setzte sich auf dem 3. Weltkongreß der IV. Internationale 1951 durch. Sie wurde von allen wichtigen Sektionen und Führungspersönlichkeiten unterschrieben. Keine revolutionäre Opposition erhob sich gegen Pablos zentristische Auffassung, wonach "in Jugoslawien, dem ersten Land, wo das Proletariat seit der Degeneration der UdSSR die Macht eroberte, der Stalinismus praktisch kein Faktor mehr in der Arbeiterbewegung ist, dessen Rückkunft dennoch unter gewissen Umständen nicht ausgeschlossen ist."

Charakteristisch für Pablos Position war seine Revision des trotzkistischen Stalinismusverständnisses als unverrückbar konterrevolutionär. Das heißt nicht, daß der Stalinismus niemals fortschrittliche Maßnahmen sogar bis hin zur Umwälzung der Eigentumsverhältnisse ergreifen könnte. Aber er wird immer und unter allen Umständen die Arbeiterklasse an der politischen Machtübernahme und deren Nutzung im eigenen Klasseninteresse hindern. Pablo hingegen schrieb in seinem Bericht für den Kongreß 1951: "Wir haben klargemacht, daß die KPen keine reinen reformistischen Parteien sind und unter bestimmten besonderen Bedingungen die Möglichkeit besitzen, eine revolutionäre Richtung einzuschlagen." Pablo verband diese Revision mit einer Attacke auf Lenins Imperialismustheorie als Epoche von Kriegen und Revolutionen. Er ersetzte sie durch eine Formel, die als unmittelbare Perspektive und Merkmalbeschreibung der Epoche grotesk war: "An ihre Stelle tritt der Begriff Revolutions-Krieg, Kriegs-Revolution, von dem Perspektiven und Orientierungen der Marxisten unserer Epoche ausgehen müssen."

Pablo entwaffnet die IV. Internationale

Unter dem Vorwand der theoretischen "Wiederbewaffnung", in Wahrheit aber Revision, steuerte Pablo einen taktischen Kurs zur vollständigen Liquidierung des trotzkistischen Programms. Diese Liquidation war die logische Folge der organisatorischen und politischen Zugeständnisse an den Reformismus, die Pablo mit seiner Politik des "Entrismus sui generis" (besonderer Art) vornahm, die auf langfristigem Entrismus und Verheimlichung des revolutionären Programms fußte. Für Pablo ließ die bevorstehende Kriegsrevolution keine Zeit zum Aufbau trotzkistischer Parteien, aber das war kein Kernproblem mehr, weil in der kommenden Periode verschiedene politischen Formationen in den Kampf um die Macht eingreifen konnten. Die Stalinisten könnten als Parteien gezwungen sein, eine revolutionäre Orientierung anzugehen. Der Entrismus war nötig, um den erforderlichen Druck zu erzeugen. In anderen, sozialdemokratischen oder kleinbürgerlich nationalistischen Gruppierungen zielte die Perspektive auf zentristische Abspaltungen aus diesen Parteien. Hier sollte der Entrismus dazu dienen, eine solche Spaltung vorzubereiten und voranzutreiben. In beiden Fällen war das nicht der Entrismus, den Trotzki zur Zeit der "französischen Wende" befürwortete. Trotzki sah den Entrismus als spezifische Einheitsfronttaktik, um sich nach links bewegende Arbeiter für das kommunistische Programm zu gewinnen, und nicht als dauerhaftes Unternehmen. Der Entrismus "besonderer Art" war tief und langfristig angelegt, wobei das offene Eintreten für das revolutionäre Programm "vorübergehend" zu unterbleiben hatte.

Dieser durchgreifende Opportunismus trieb die IV. Internationale in einen abrupten zentristischen Rechtsschwenk. Pablo kennzeichnete die peronistische Bewegung in Argentinien als "antikapitalistisch". Die chinesische KP wurde bald nach der jugoslawischen zum revolutionären Faktor. In Britannien mutierte der Linksreformist A. Bevan zum "Linkszentristen". 1952 wies Pablo die französische Sektion an, einen tiefen Entrismus in die PCF zu unternehmen und sich der Arbeiterbewegung so anzupassen "wie sie war". Solche Kompromisse zogen unweigerlich nach sich, daß man jedes Auftreten für prinzipienfeste Politik gegen die Führungen der Parteien oder Bewegungen, in die die Trotzkisten eintraten, unterließ.

1953 stürzte das von Pablo geführte internationale Sekretariat (IS) die Internationale in die programmatische Liquidation. Der "Entrismus sui generis", der "revolutionäre" Charakter des Stalinismus, die Epoche der "Kriegsrevolution" sowie die untergeordnete Rolle der Partei waren sämtlich Pablos Beiträge zum Absturz der IV. Internationale in den Zentrismus.

Das Internationale Komitee spaltet sich ab

Die Hauptkräfte, die 1953 den Bruch mit dem Pablo-IS organisierten, die SWP/USA, PCI/Frankreich und die Healy-Gruppe in Britannien, waren keine revolutionäre "Linksopposition". Das internationale Komitee (IK) verkörperte keine Kontinuität des Trotzkismus gegen den pabloistischen Revisionismus. Es brach nicht entschieden mit den liquidatorischen Positionen des Kongresses von 1951, die Pablos taktischen Schwenks den Weg ebneten. Sie übten keine Kritik, geschweige denn Selbstkritik, am Wiederaufbau der IV. Internationale nach dem Krieg, an der Aushöhlung von Trotzkis Programm und der damit verbundenen Methode.

Das IK barg den nationalen Isolationismus seiner drei größten Bestandteile in sich, jeder von ihnen stellte sich Pablos Drang zur bürokratischen Zentralisierung der Perspektiven des Kongresses von 1951 erst dann entgegen, als die eigene Sektion davon betroffen war. Im IK selber wurde der demokratische Zentralismus ultimativ abgelehnt. Im übrigen verließen sie nie den Rahmen einer öffentlichen Fraktion und weigerten sich, einen unnachgiebigen Kampf gegen Pablo und Mandel aufzunehmen.

Die Spaltung kam 1953 zugleich zu spät und zu früh. Politisch traf sie verspätet ein, weil alle IK-Gruppen bereits mehrfach die Liquidierung der Linie in der Periode von 1948-1951 abgesegnet hatten. Er war jedoch in dem Sinne verfrüht, daß der Bruch erfolgte, ehe überhaupt ein Versuch stattfand, die Mehrheit der IV. Internationale auf dem nächsten Kongreß zu gewinnen. Der Entschluß zur alsbaldigen Abspaltung wich diesem Problem vielmehr von vornherein aus. Die IK-Gruppierungen verfügten über keine klare und durchgängige politische Alternative zu Pablo und Mandel und verharrten daher in einer Lage, wo der fraktionelle Funkenflug Ersatz für die politische Erleuchtung war.

Trotz der Billigung des Revisionismus 1948/1951 übte das IK gelegentlich isolierte, doch korrekte Kritik am IS. Aber solche Kritiken, die aus fraktioneller Profilierungssucht und heftiger Reaktion auf die Verrätereien des IS herrührten, sprengten nur selten den Rahmen einer sterilen Verteidigung dessen, was sie unter "Orthodoxie" verstanden. In Wahrheit war das ein revisionistisches Gemisch aus Katastrophismus, Stalinophobie und weicher Flanke gegen die Sozialdemokratie, an dessen Rezeptur sich Cannon, Bleibtreu-Favre sowie später Lambert und Healy schon lange erprobt hatten. Eine Prüfung der Geschichte jeder dieser Gruppen vor und während der Spaltung belegt dies schlüssig.

Die SWP stimmte mit Pablo bis 1953 politisch überein. Zu Jugoslawien gab sie Pablos Orientierung auf Tito volle Rückendeckung, ebenso für die Kongreßresolution 1951. Schon 1948 hatte die SWP in einer Erklärung ihrer nationalen Leitung darauf bestanden, Tito sei "durch die Logik des Kampfes gezwungen" und sei nicht länger Stalinist. Als die PCI Cannons Beistand gegen Pablos Politik und bürokratische Manöver erbat, erwiderte dieser ohne Zögern: "Ich glaube, daß der 3. Weltkongreß eine korrekte Analyse der neuen Nachkriegswirklichkeit und ihrer unvorhersehbaren Wendungen vorgelegt hat. Es ist die einhellige Meinung der Führer, daß die Verfasser dieser Dokumente der Bewegung einen großen Dienst erwiesen haben, wofür ihnen Anerkennung und die Unterstützung der Genossen und nicht Mißtrauen und Verunglimpfung gebührt."

Es waren dieselben Leute, die im "offenen Brief" vom November 1953, dem eigentlichen Spaltungsdokument, erklärten, daß diese Führung "eine unkontrollierte, heimliche, persönliche Fraktion in der Verwaltung der IV. Internationale, die den Boden des trotzkistischen Programms verlassen hat" sei.

Doch das SWP-Dokument "Gegen den pabloistischen Revisionismus" billigte alle Grundsätze von Pablos Positionen. Der 2. Weltkrieg erzeugte eine revolutionäre Welle von "größerem Ausmaß, Intensität und Widerstand als der Erste Weltkrieg", wird uns da erzählt. Dies hat "die revolutionären Siege in Jugoslawien und China" hervorgebracht.

Die grundlegende Position gegen den Stalinismus im "offenen Brief" war mit dem Zentrismus der SWP vereinbar. Ihre Opposition zum stalinistischen Verrat am französischen Generalstreik, ihre Haltung zum Abzug der Sowjettruppen aus der DDR nach dem dortigen Arbeiteraufstand von 1953 und ihre Weigerung, die Liberalisierung in der UdSSR nach Stalins Tod für bare Münze zu nehmen, waren für sich genommen prinzipientreu. Eine revolutionäre Opposition hätte diese Positionen geteilt.

Aber eine solche Opposition hätte anders als SWP und IK nicht behauptet, das Abrücken von diesen Positionen gehe allein auf die Kappe eines Mannes, von Pablo, wie der offene Brief suggeriert. Im Gegenteil, Revolutionäre hätten diese Fehler aus früheren Fehlern hergeleitet. Nicht so die SWP 1953. Diese Punkte waren, wie die späteren Avancen der SWP an das IS zeigen, nur ein Vorwand für die Spaltung.

Der wahre Grund für die Abspaltung der SWP

Der wirkliche Grund war organisatorischer Art. Die SWP kehrte sich gegen Pablo nur wegen seiner "Einmischung" in die SWP über die Cochran-Clarke Fraktion. Getreu ihrer national-isolationistischen Tradition, die sich bereits während des Krieges offenbart hatte, wollten die SWP-Führer nicht als "Ortsverwaltung" der Vierten Internationale behandelt werden. Sie weigerten sich, eine taktische Mehrheitsentscheidung des internationalen Exekutivausschusses auszuführen. Der Bruch kam, als Pablo die Cochran-Clarke Fraktion lancierte. Die SWP-Führer entdeckten eine Reihe von Differenzen und riefen unverzüglich die Spaltung aus. Zuvor hatte Cannon noch geglaubt, daß seine vorausgegangene Loyalitätserklärung für Pablo die SWP davor bewahren würde, unter die Disziplin des IS gestellt zu werden. Die Disziplinierung der PCI in Frankreich hatte er für rechtens befunden. Im Mai 1953 sagte er: "Aber was wäre, wenn Pablo und das IS die SWP-Minderheit unterstützen. Ich sage wenn und unterstelle nicht, daß es so sein wird, ich nehme nur an, daß sich die schier unglaubliche Dreistigkeit der Cochran-Leute auf Gerüchte gründet, sie werden Unterstützung vom IS erhalten. Wenn das zutreffen sollte, würde uns das nicht verpflichten, unsere Meinung in irgendeiner Hinsicht zu ändern. Nein, das würden wir nicht tun."

Wenige Monate später hielt Cannon Wort. Aber auch dann geißelte er nicht die methodischen und programmatischen Fehler des IS und der Cochran-Clarke Fraktion. Nach echter IK-Manier kritisierte er sie und ihren Niedergang von einem rein soziologischen Standpunkt. Die Clarke-Gruppe war kleinbürgerlich - stimmt. Die Cochran-Gruppe waren ausgebrannte Arbeiter auf dem Rückzug - stimmt. Beide hegten die Absicht, die Partei zu liquidieren - stimmt. All diese Faktoren waren nicht unwichtig, und Cannon hatte recht, darauf hinzuweisen. Aber er hatte unrecht mit der Schlußfolgerung, diese Faktoren seien der Schlüssel zum Problem und zum Wesen des "Pabloismus". Denn als klar war, daß Pablo die IV. Internationale nicht liquidiert, sprich: organisatorisch aufgelöst hatte, war der Weg zurück zu dem von Pablo geführten IS wieder frei. Das Wesen von Pablos Politik war zunächst in seinen programmatischen Prämissen, dann in seinen taktischen Konsequenzen und schließlich in seinen organisatorischen Methoden zu suchen. Bei der SWP rührte der Bruch aus nationalen Erwägungen her und kreiste größtenteils um organisatorische Fragen. Es war trotz Cannons gegenteiliger Beteuerungen keine endgültige, prinzipiell politische Spaltung.

Healy - Pionier des "Entrismus sui generis"

Die Healy-Gruppe in Britannien folgte dem amerikanischen Muster fast originalgetreu. Der Mangel an ernsthaften politischen Unterschieden machte sich nicht nur darin bemerkbar, daß in Healys und Pablos Büro Titos Porträt hing. Healy war Cannons Gefolgsmann in der RCP 1944-1947. Er arbeitete eng mit Pablo zusammen, um die Haston/Grant-Führung zu stürzen, v.a. nachdem Haston die kritiklose Haltung Pablos gegenüber Tito verurteilt hatte. Healy konnte keine schonungslose Kritik an der "Entrismus sui generis"-Konzeption äußern, zumal er und Lawrence sie ja seit 1947 mit angebahnt hatte. Diese "Taktik" leitete sich aus einer "Perspektive" ab, die an das Hinüberwachsen von linksreformistischen Führern zum Zentrismus glaubte. Hinter ihnen würde sich eine Massenbewegung zusammenballen, die den Rücktritt der rechtsreformistischen Führer erzwingen könnte. Die Aufgabe von Trotzkisten wäre dabei, sich mit den Linken zusammenzuschließen und bei diesem Prozeß Hilfestellung zu leisten. Das erforderte, daß dem Übergangsprogramm, der IV. Internationale und der revolutionären Partei in der Öffentlichkeit abzuschwören war, und es bedeutete auch, kein spezifisch revolutionäres Propagandaorgan herauszugeben. An ihre Stelle sollte eine Geheimfraktion sowie eine linkszentristische Gruppierung mit einer entsprechenden Zeitung für die Öffentlichkeit treten. Diese Politik betrieb Healy nach dem Kollaps der RCP. Die britische Sektion tarnte sich im "Klub", einer trotzkistische Geheimorganisation. Die breitere, öffentliche Formation hieß "Socialist Fellowship" und nahm auch Labour-Parlamentsabgeordnete und Gewerkschaftsbürokraten um die Zeitung "Socialist Outlook" auf. Pablo hieß diese Taktik gut und integrierte sie in seinen "Entrismus sui generis", den er auf stalinistische wie auf sozialdemokratische Parteien anwendete.

Dieser neue Entrismus-Typ hob sich klar vom trotzkistischen Entrismus ab. Jener war auf der offenen Bildung einer revolutionären Tendenz in einer reformistischen Partei unter Umständen aufgebaut, wo die Entfaltung des Klassenkampfes und sein Einfluß auf subjektiv revolutionäre proletarische Elemente es zumindest zeitweilig erlaubten, das Banner der IV. Internationale zu entrollen. Trotzki wußte, daß ein solcher Eintritt nur von begrenzter Dauer sein konnte, vielleicht nur eine bloße Episode.

Die eigene Bilanz der Trennung der Healyisten vom Pabloismus läßt einige politische Fragen offen. Der Streit entstand, als Lawrence (wie Clarke in den USA) Pablos direkter Agent wurde und Healys Führerschaft anfocht. Zum Krieg in Korea drückte er im Verein mit den "Zentristen" (Healys Begriff für die Linksreformisten) in der Redaktion des Socialist Outlook eine prostalinistische Position durch. Dieser Disziplinbruch und seine Konsequenzen bilden die Basis von "Der Kampf in der britischen Sektion".

Zur Zeit der Spaltung selber erschienen keine politischen Dokumente. Es war ein organisatorisches Gezerre, in dem die Zahl der Anteilseigner von Socialist Outlook mehr zählte als die Fehler des Kongresses von 1951 und davor.

Doch die politischen Differenzen, die der Spaltung zugrunde lagen, waren real genug. Mit dem Ausbruch des Koreakrieges 1950 sah Pablo die Verwirklichung seiner Kriegsrevolutions-Perspektive nahen. Die britische Sektion sorgte dafür, daß der Socialist Outlook auf Pablo-Linie gebracht wurde, und es wurden eine Reihe prostalinistischer Artikel abgedruckt. Healy und Lawrence lebten zu dieser Zeit in friedlicher Koexistenz. Nach der taktischen Wende zum Entrismus in die stalinistischen Parteien 1952 und dem von ihm verursachten Ruin der französischen Sektion, begann Pablo nunmehr, seine Taktik in andere Sektionen einzuschleusen. 1953 drängte Lawrence in Absprache mit Pablo auf eine eindeutigere prostalinistische Orientierung in Britannien. Healys langfristige Hinwendung zu den Bevanisten vertrug sich mit diesem taktischen Schwenk nicht. Aus Furcht vor Pablos Sieg tat sich Healy mit Cannon zusammen, der wiederum ähnliche Manöver in den USA befürchtete. Healy ging nun auf Konfrontation mit Lawrence in Britannien und international mit Pablo.

Der französische Kampf gegen Pablo

Die PCI in Frankreich unterschied sich von der SWP und der Healy-Gruppe insofern, als sie seit 1951 einen begrenzten politischen Kampf gegen Pablo geführt hatte. Dafür zog sich die PCI-Führung den vereinten Unwillen von Pablo, Healy und Cannon zu. Aber die Politik der PCI war nicht revolutionär.

Im Juni 1951 verfaßte der PCI-Führer Bleibtreu-Favre mit Zustimmung von P. Lambert und der Mehrheit der Organisation eine Antwort zu Pablos revisionistischem Dokument "Wohin gehen wir?" unter der Überschrift "Wohin geht Genosse Pablo?". Germain (Mandel) verzögerte dessen Erscheinen. Er gab vor, aus "demokratischen" Gründen gegen Pablo zu sein, warnte Bleibtreu-Favre aber davor, durch die Herausgabe des Dokuments Pablo zu disziplinarischen Maßnahmen zu provozieren. Die Franzosen befolgten seinen Rat. Sie stimmten Germains Schrift "Was soll modifiziert und was soll bewahrt werden an den Thesen des 2. Weltkongresses der IV. Internationale zur Frage des Stalinismus" (die sogenannten 10 Thesen) zu. Der Erfolg war, daß Pablo mit Germain als Kollaborateur eine pabloistische Minderheitsfraktion um M. Mestre in der PCI einnistete.

Pablo isolierte die französische Mehrheit praktisch, indem er sich weigerte, das Bleibtreu-Favre Dokument vor dem 3. Weltkongreß zu zirkulieren. Die Franzosen konnten nur ihre Übereinstimmung mit den 10 Thesen erklären, die aber nicht auf dem Kongreß abgestimmt wurden. Im Januar 1952 trug Pablo der PCI an, die "Entrismus sui generis"-Taktik in der PCF auszuführen, die sich damals in einer linken Phase befand. Die Sektionsmehrheit war aus taktischen Gründen dagegen und zog eine Orientierung auf die loser formierte SFIO vor. Nach einer Kampfabstimmung schlossen Pablo, Germain und Healy mit Billigung Cannons die Mehrheit des französischen Zentralkomitees aus.

Wie sehr wir auch mit der PCI als Opfer bürokratischer Methoden sympathisieren, müssen wir doch sagen, daß ihr Kampf letzten Endes kein gradliniger, sondern politisch falsch war. Erstens hat sie unterstützt, was wir anderswo als Mandels "orthodoxen Revisionismus" beschrieben haben. Mandel revidierte Trotzkis Position zum Stalinismus, indem er die Idee als vom "orthodoxen" Standpunkt unannehmbar verwarf, daß stalinistische Parteien Revolutionen in China und Jugoslawien, die die IV. Internationale für gesund hielt, siegreich führten. Für Mandel hatte der Stalinismus einen "Doppelcharakter", eine gute und eine schlechte Seite. Der Druck der Massen konnte der guten Seite zum Durchbruch verhelfen. Er schrieb: "Die jugoslawischen und chinesischen Beispiele haben gezeigt, daß unter außergewöhnlichen Umständen ganze kommunistische Parteien ihre politische Linie ändern und den Kampf der Massen bis zur Machtergreifung über die Ziele des Kreml hinaus führen können. Unter solchen Bedingungen hören diese Parteien auf, stalinistische Parteien im klassischen Sinn des Wortes zu sein."

Bleibtreu-Favres Dokument äußerte eine ähnliche Sichtweise, besonders mit Blick auf die chinesische Bürokratie. Die PCI griff die chinesischen Trotzkisten heftig dafür an, daß sie nicht schnell genug in die KPC, die zu der Zeit Trotzkisten einkerkerte, eingetreten wären. Die französische Sektion übernahm also Pablos Analyse zu Jugoslawien und China. Sie wollte nur nicht wahrhaben, daß diese Staaten von stalinistischen Parteien beherrscht wurden. Wie alle anderen in der IV. Internationale war die PCI bereit, die Kongreßposition von 1951 zu Jugoslawien anzuerkennen, eine Position, die das Programm des Trotzkismus auslöschte.

Die Franzosen kritisierten Pablos "Einwände", führten aber eigene ein. China so meinten sie, sei der Beweis, daß "sich die Wirklichkeit des Klassenkampfes trotz der Nichtexistenz einer revolutionären Partei mächtiger als der Kremlapparat zeigt". Die KPen wurden vom Kreml gegängelt. Wenn sie sich also gegen den Kreml wandten, konnten sie nicht länger stalinistisch sein: "Es ist auf jeden Fall absurd, von einer stalinistischen Partei in China zu sprechen und noch absurder an etwas derartiges wie einen 'Sieg des Stalinismus in China' zu glauben".

Trotzkis Analyse des Stalinismus als widersprüchlich, doch überwiegend konterrevolutionär, selbst wenn er sich entlang sozialpatriotischer Linien spaltet, wurde verschrottet. Die PCI-Führung kapitulierte vor den stalinistischen Parteien und, um ihre trotzkistischen Seelen zu retten, folgerte man passend, daß diese Parteien gar nicht stalinistisch sein konnten.

Der zentristische Weltkongreß 1951 - keine revolutionäre Opposition zu Pablo

1951 bewiesen die zentristischen Positionen des 3. Weltkongresses zu Stalinismus und Jugoslawien sowie die allgemeinen Perspektiven mit ihrer Bürgerkriegserwartung ohne jeden Zweifel, daß ein programmatischer Zusammenbruch der IV. Internationale stattgefunden hatte. Außerordentlich bedeutend war, daß keine einzige Sektion gegen die Jugoslawien-Resolution, ein Grundpfeiler für alle anderen Fehler, stimmte. Die IV. Internationale war als ganze in den Zentrismus abgestürzt. Seither lautete die Aufgabe für Trotzkisten die Wiedergründung einer leninistisch-trotzkistischen Internationale auf einem wiedererarbeiteten Programm des revolutionären Kommunismus. Manöver zur Ersetzung der Führung der IV. Internationale waren völlig unzureichend. Die programmatische Grundlage mußte geändert werden. Auf welche Art das Anfang der 50er Jahre hätte vonstatten gehen können, ist spekulativ. Ausschlaggebend für uns ist, daß es nicht geschah. Die historische Kontinuität des Trotzkismus wurde zertrümmert, was bezeugt wurde durch Pablos Ausnutzung der Kongreßdokumente auf dem 10. Plenum des internationalen Exekutivausschusses im Februar 1952, womit er den "Entrismus sui generis" einführen konnte.

Die Opposition 1952-1953 in den USA, Britannien und Frankreich war subjektiv gewillt, sich gegen Pablo zu stellen. Doch sie darf nicht nach ihren Impulsen, sondern muß nach ihrer Politik beurteilt werden. Ihre "Orthodoxie" war steril und basierte auf einem Nachkriegsrevisionismus, dessen Auslöser die jugoslawischen Ereignissen waren, und war kein authentischer Trotzkismus. Beide Komponenten der Spaltung von 1953 können nicht als "Traditionswahrer" des Trotzkismus anerkannt werden. Beide waren Zentristen.

Das IK entwickelte sich nach rechts, zu sehen bspw. an Healys Arbeit in der Labour Party, und unterschied sich vom IS durch sein Entwicklungstempo. Es schreckte vor den eklatanten Äußerungen des Liquidatorentums von Seiten des IS zurück, aber nicht vor den rechtszentristischen Urkunden, die dem Liquidatorentum erst die programmatische Grundlage verschafften. Deshalb bildete das IK auch keine "linkszentristische" Alternative zum IS.

Das IS ging nach rechts zum Zentrismus und zog die vollkommen logischen Schlüsse aus den Positionen von 1951. Die korrekten Positionen des IK zu DDR und Ungarn hätten die Taktik einer linken Opposition bestimmen können, wenn es sie denn gegeben hätte. Aber sie hätten keinen Einfluß auf ihre Einschätzung des IK gehabt.

Die Orientierungslosigkeit führte nach dem Krieg zum programmatischen Zusammenbruch der IV. Internationale. Nach dem Kollaps der 3. Internationale hielt Trotzkis linke Opposition eine Reformperspektive aufrecht, weil die Komintern eine Massenbewegung hinter sich hatte. Nach dem Zusammenbruch und dem Nichtzustandekommen einer Opposition stand die IV. Internationale ohne Programm und ohne Massenavantgarde da. Die IV. bestand im Gegensatz zur III. Internationale im wesentlichen aus ihrem Programm. Darum sagen wir, daß authentische Trotzkisten nach 1951 ungeachtet aller Taktik ein neues Programm erarbeiten und damit einen neue Internationale aufbauen mußten.

 

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