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Gewerkschaftsbürokratie sabotiert Widerstand

Auf zum Winterschlaf?

Susanne Kühn, Neue Internationale 94, Oktober 2004

Den Helden aus den Hauptvorständen der Einzelgewerkschaften ist kein Argument zu blöde, um sich nicht gegen jede Keimform von Widerstand zu stellen.

Nachdem Bsirske und Peters einige Monate mit der Bewegung gegen Hartz IV und dem Widerstand gegen Agenda 2010 kokettiert hatten, ist wieder der Schulterschluss mit Kanzler und SPD angesagt. Die "linken" Bürokraten entpuppen sich als praktisch ununterscheidbar von den rechten Co-Managern wie Schmoldt oder DGB-Chef Sommer.

Unter dem Druck des Kapitals und eines Teils der Arbeiterklasse - sei es der Demonstration vom 1. November wie auch der Montagsdemos - sahen sich die linken Bürokraten anfangs gezwungen, die Demos zu unterstützen.

Das führte auch dazu, dass viele Verwaltungsstellen der Einzelgewerkschaften, Ortskartelle des DGB, ja selbst ver.di-Chef Bsirske für die Montagsdemos mobilisierten oder wenigstens aufriefen.

Allerdings lehnten die Gewerkschaftsführungen von Beginn ab, dass es eine landesweite Massendemonstration im Oktober in Berlin geben solle.

Kanzlertreue

Sommer hingegen hatte eine "konsequent" kanzlertreue Linie. Von Beginn wurden die Montagsdemos als "manipuliert" als Tummelplatz für Populisten, Extremisten, Rechtsradikale und Linksradikale diffamiert.

Sommer hielt an dieser Diffamierung auch fest, als längst klar war, dass sich die große Mehrheit der Demos und Vorbereitungsbündnisse eindeutig von NPD und DVU abgrenzt und als klar wurde, dass die überwältigende Mehrheit der DemonstrantInnen links gesinnt ist. All das ist mittlerweile sogar von der bürgerlichen Sozialforschung anerkannt.

Die DGB-Verständler schert das freilich nichts. Sie haben aber ihre Argumentation, teilweise im Gleichklang mit der bürgerlichen Presse, modifiziert. Nicht die Nazis, sondern die "linken Demagogen", die "Kommunisten aus den 70er Jahren" usw. würden die Menschen mit "einfachen Parolen" wie "Weg mit Hartz IV und Agenda 2010" "ködern", während der DGB weiter auf "realistisches Lösungen" und "Nachbesserungen" setze.

Eine mögliche Radikalisierung nach links - genauer die Herausbildung einer klassenkämpferischen Bewegung auf den Demos und noch vielmehr in den Betrieben - ist für den DGB aktuell die Hauptgefahr.

Daher kommt auch das gebetsmühlenartige Warnen aller Gewerkschaftschefs, dass keine "überzogenen" Forderungen ausgestellt werden sollten, dass es "auch gute Element in Hartz IV gebe" (Bsirske), dass außerdem erst die Umsetzung abgewartet werden solle, um zu sehen, wie groß die Probleme wirklich seien.

Unter "überzogene" Forderung verstehen die Gewerkschaftsspitzen nicht mehr und nicht weniger als die Ablehnung der "Reformen" der Regierung, des Generalangriffs des Kapitals. Kein Wunder, waren ihrer VertreterInnen doch schon in der Hartz-Kommission für die "Reformen" gestimmt und lediglich einige "Nachbesserungen" verlangt.

Damit führen die Gewerkschaftsspitzen auch jene Politik fort, die sie auf tariflicher Ebene, in der Auseinandersetzung um Arbeitszeit, Flexibilisierung usw. betreiben.

Für Bsirske oder Peters war die Unterstützung der Montagsdemos immer nur ein Mittel, etwas mehr Kredit bei den kampfwilligeren Schichten der Beschäftigten oder bei den Erwerbslosen zu erhalten - eine Konfrontation mit der Regierung wollten sie nie. Sie unterstützen die Bewegung nur, um ihre Spitze zu brechen.

Alle Äußerungen von Bsirske und Peters gingen von Beginn an in diese Richtung. Sie lehnten jeden landesweiten, vereinheitlichten Tag der Mobilisierung ab. Daher gab es weder für den 2. noch für den 3. Oktober Unterstützung aus den Gewerkschaftszentralen.

Statt einer bundesweiten Bewegung sollte man besser auf Aktionen vor Ort setzen, erklärte Bsirske. Die bundesweite Demo gegen die Bundesagentur für Arbeit am 6. November in Nürnberg unterstützt der Bundesvorstand von ver.di auch nicht - weil es ja schließlich die "Politik" und nicht die Bundesagentur, in der jede Menge GewerkschaftsbürokratInnen mitbestimmen, für die Kürzungspolitik verantwortlich sei.

Dass bei ver.di als der für die Beschäftigten in der Bundesagentur zuständigen Gewerkschaft über gewerkschaftliche Aktionen gegen die Umsetzung der Hartz-Reformen erst gar nicht nachgedacht wird, braucht nicht weiter zu verwundern.

Genau solche Schritte wären es jedoch, die die Montagsdemo-Bewegung weiterbringen und die eine Bündnis von Erwerbslosen und Beschäftigten schaffen würden. Dass das möglich ist, hat nicht zuletzt die französischen Arbeitslosenbewegung bewiesen.

Jetzt, wo die Demonstrationsbewegung selbst auf ihre inneren Probleme gestoßen ist, verlassen die Gewerkschaftsbürokraten auch diese. Die Berliner ver.di steigt nach dem 2. Oktober aus der Bewegung aus und stellt die Mobilisierung ein - unter dem Vorwand, dass sich nicht vor den Karren der MLPD spannen lassen wolle. Erbärmlicher geht es nicht! Eine Massenorganisation mit 50.000 Mitgliedern in Berlin fürchtet, von 100 Maoisten überrannt zu werden!

Reaktionen

In Wirklichkeit registrieren die Gewerkschaftsbürokraten einfach die rückläufige Teilnahme an den Demos und damit die Abnahme des Drucks auf ihre Organisation.

Nach der Demo soll daher, geht es nach dem Willen der meisten Gewerkschaftsführer (einschließlich jener, die den 2. Oktober unterstützen) Schluss sein mit den Demos. Statt weitergehender Aktionen und Streiks soll es "Beratung", Hilfe für die Betroffenen und Unterschriftensammlungen gegen das Böse in der Welt geben.

Kurzum, die Gewerkschaftsführer wollen das Ende des Widerstandes - und bis auf weiteres den Sozialabbau kritisch und "beratend" begleiten.

Eine solche Führung schreit geradezu nach einer Opposition, nach einer bundesweiten, betrieblich verankerten Basisbewegung, die gegen die Stillhaltepolitik aller Flügel der herrschenden Bürokratie, für die Verwandlung der Gewerkschaften in Kampforganisationen und für eine klassenkämpferische Führung eintritt.

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Nr. 94, Oktober 2004

*  Wie weiter mit der Bewegung gegen Hartz IV? Demos, Besetzungen, Streiks!
*  Gewerkschaftsbürokratie sabotiert Widerstand: Auf zum Winterschlaf?
*  Die MLPD und die Montagsdemos: Alle für die Einheit?
*  Frauen und Hartz IV: Küche oder Klassenkampf?
*  Heile Welt
*  Konflikt bei VW: Immer wieder Hartz?
*  Europäisches Sozialforum: EGB vereinnahmt ESF
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*  Irak: Keine Friedhofsruhe!