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Der Abwehrkampf bei der Deutschen Post DHL

Neues vom gelben Riesen

Martin Schneider, Infomail 810, 1. April 2015

Die Erfolgsgeschichte der Deutschen Post DHL ist nicht aufzuhalten. Beim international größten Logistikkonzern steigen die Aktien, sprudeln die Gewinne. 2014 erhöhte sich der Umsatz um 3,1 Prozent auf 56,63 Mrd. Euro und der operative Gewinn um 3,5 Prozent auf 2,97 Mrd. Euro. Dazu soll der operative Gewinn bis 2020 im jährlichen Schnitt noch mal um mehr als acht Prozent wachsen; das entspricht einer Steigerung von fast 2,9 Milliarden, also auf mehr als 5 Milliarden Euro im Jahr 2020. Die DPAG hat in Deutschland einen Marktanteil von 42,5% und lässt die Konkurrenten ziemlich blass hinter sich zurück.

Anfang 2015 gab der Bonner Konzern bekannt, dass er wegen des boomenden Geschäfts 49 zusätzliche Gesellschaften unter dem Namen DHL Delivery GmbH an den Start bringt und bis 2020 noch mal 10.000 neue Arbeitsplätze schafft, bis 2025 könnten es sogar 20.000 sein. Im ersten Schritt wolle man 5.000 Zustellbezirke einrichten.

Mit diesem Konzept käme man sogar den Forderungen der Gewerkschaft ver.di entgegen, die seit Herbst letzten Jahres endlich mit mehr Nachdruck gegen den Zustand vorgeht, dass sich die Post mittlerweile 26.000 Beschäftigte in befristeten Arbeitsverhältnissen hält; viele davon über Jahre hinweg. Jahrelang hatten Betriebsratsgremien diesem Verfahren zugestimmt, plötzlich gab es gegen diesen Zustand Protestaktionen, BetriebsrätInnen verweigerten die Unterschrift zu Überstunden und weiteren befristeten Arbeitsverträge. Das gipfelte in bundesweiten Betriebsversammlungen an einem Tag. Was dem 5. Dezember14. folgte, war die oben zitierte Offerte der Post. Ob diese als Maßnahme gegen den zarten Widerstand der Gewerkschaft oder schon von langer Hand vorbereitet war, ist letztlich nicht maßgeblich. Schauen wir sie uns genauer an.

DHL Delivery

Die Post will die Beschäftigten in den neuen Gesellschaften nicht zu den Post-Tarifen, sondern zu den jeweils regional geltenden tariflichen Bedingungen der Speditions- und Logistikbranche einstellen. Diese sind von den Arbeitgeberverbänden dieser Branche mit derselben Gewerkschaft die auch maßgeblich die PostkollegInnen organisiert hat, nämlich ver.di, ausgehandelt worden und die Entgelte – das betont die DPAG – liegen über dem Mindestlohn. Wenn man so etwas betonen muss, dann deshalb, weil die Löhne in der Logistik mit die niedrigsten in Deutschland sind. Bekanntlich will Amazon seine Beschäftigten lieber nach diesem Tarif bezahlen als nach dem Einzelhandelstarif, der auch nicht gerade hoch ist.

Bestehende Arbeitsverträge bei der Deutschen Post AG blieben davon – so die Post-AG - unberührt. Wie viel Gehalt diese Aussage hat, kann sich jede/r ausrechnen. Die Delivery KollegInnen die von der Paket- oder Briefpost kommen, erhalten zudem sofort ein unbefristetes Angebot. Das ist höchst interessant für die MitarbeiterInnen der Post, deren Verträge auf wundersamer Weise exakt zum GmbH-Start ausliefen und die die Delivery – gut ausgebildet und an den extremen Arbeitsdruck gewöhnt - bevorzugt einstellt. Sie gewährt sogar eine freiwillige Zulage, die aber mit den möglichen zukünftigen Tarifsteigerungen „abschmilzt“.

Aktuell haben 4000 KollegInnen dieser versüßten Nötigung zum Wechsel in die Delivery nachgegeben, wartet doch sonst - Agenda 2010 sei Dank - nur die Sperre seitens der Bundesanstalt für Arbeit auf sie. Sie haben im Schnitt – von freiwilligen Zuzahlungen der Delivery abgesehen – ca. 20% weniger Lohn als ihre KollegInnen bei der DHL oder im Briefdienst. Bei der „Gründung“ von Betriebsräten und der Etablierung von Mitbestimmung, will die Delivery hilfreich zur Seite stehen. Na toll, stehen die Chancen also nicht schlechter als bei den anderen Logistikunternehmen und ihren Drecksmethoden. Soweit die Kapitalseite.

Die Antwort der Gewerkschaft

Bei Ver.di gibt es Unmut. Zum einen über die Methode des Vorgehens: Viele der bisher befristet Beschäftigten, die bislang zu den Konditionen des Haustarifvertrages der Deutschen Post arbeiten, werden nun vor die Wahl gestellt, die Arbeit zu verlieren oder die oft exakt gleiche Arbeit zu schlechteren Bedingungen bei den neu gegründeten Regionalgesellschaften fortzusetzen. Es bedeute auch eine Spaltung der Belegschaft, den Verlust von Bezirken und Veränderungen im Dienstplan. Bei ver.di sprich man außerdem von Tarifflucht, Vertragsbruch und mokiert sich vor allem auch moralisch über den Gelben Riesen, der „trotz“ satter Gewinne noch „gieriger“ zu werden scheint. Diese Empörung ist durchaus berechtigt, es mutet nur etwas befremdlich an, dass sich die Gewerkschaft darüber empört, dass ein Kapitalist die Regelungen des bürgerlichen Rechts, insbesondere die der Agenda 2010 der damaligen rot-grünen Schröder Regierung, zu seinen Vorteilen nutzt.

Die Antwort der GewerkschaftsfunktionärInnen ist nun, um den Schutz des Staates zu bitten, ohne jedoch die Re-Verstaatlichung zu fordern. Die Thematik war am 25. März Gegenstand einer Bundestagsrede der Linkspartei. Die SpitzengewerkschafterInnen sprechen auch bei PolitikerInnen der Hartz4-Parteien vor. Der Post AG wirft man vor, dass man schließlich durch die Abschlüsse in den vergangenen Jahren - der letzte mit einer Laufzeit von sage und schreibe 26 Monaten - also durch extrem „moderate“ Lohnabschlüsse, die Einführung einer Niedriglohngruppe „0“, trotz einer fulminanten Zunahme der Arbeit und deren Verdichtung genau zu diesen Gewinnen beigetragen habe. Für die KollegInnen ist das eine Binsenweisheit, wissen sie doch am Besten, auf wessen Rücken das höchst profitable Brief- und Paketgeschäft trotz aller Unkenrufe seit Jahren gedeiht.

Diese zwei „Gegenmaßnahmen“ der Gewerkschaft, nämlich Betteln bei den politisch Verantwortlichen und Jammern darüber, dass der Teufel die ganze Hand will, wenn man ihm schon drei Finger gegeben hat, sind absolut untauglich. Im Gegenteil, die Strategie des Verzichts hat das Dilemma erst geschaffen, in dem man jetzt steckt.

Für den Vertrag zum „Schutz vor Fremdvergabe“, d.h. mit der Beschränkung der Vergabe von posteigenen Bezirken an externe DienstleisterInnen auf 990 Paketzustellbezirke und dem Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen - in einem trotz Krise dauerhaft boomenden Geschäftszweig (!) - opferte das Verhandlungsgremium die Kurzpausen der Beschäftigten, die Überstundenzuschläge, „freie Tage“ am 24. und 31. Dezember. Das wurde alles unter völlig unnötigem Verzicht auf jegliche Arbeitskämpfe zur Durchsetzung eigener Forderungen und trotz eines gewerkschaftlichen Organisationsgrads von rund 80 Prozent, von dem jede Klitsche in der Logistik nur träumen kann, zugestanden. Über was reden wir also hier? Ist es für die Gewerkschaft völlig neu, dass Zugeständnisse auf Kosten der KollegInnen keine Schweinereien verhindern? Die Zahl der Beispiele, wo dies tagtäglich passiert, ist sogar noch größer als die der GewerkschaftsfunktionärInnen, die sich bei ihrem Korporatismus nicht ausreichend gewürdigt fühlen.

Nun hat man die Bedürfnisse der Kapitalseite schon über Gebühr befriedigt - und trotzdem geben sich die „Gierigen“ nicht zufrieden. Als Beispiele bei der Post werden die hinter der AG stehenden KapitaleignerInnen genannt, Gesellschaften wie „BlackRock“ und deren anglo-amerikanische Konzernführung werden zum Bösen deklariert, völlig unterschlagend, dass die bundesdeutsche KfW Bankengruppe mit 25,5 Prozent immer noch die größte Einzelaktionärin ist damit eine sogenannte Sperrminorität innehat. Als wäre die Ausbeutung durch gutes deutsches Kapital eine angenehmere und würde sich den Interessen der Beschäftigten widmen.

Wie kann der Widerstand erfolgreich sein?

Dabei ist von außen betrachtet auch völlig evident, dass die Deutsche Post DHL natürlich kein Wohlfahrtsverein ist und ausschließlich allen ihren AktionärInnen zur Kapitalvermehrung dient. Ob das nun mit Briefen und Paketen, mit Busverkehr oder Erdnüssen passiert, ist im Kapitalismus absolut uninteressant. Im Brief-Geschäft hat der ehemalige Monopolist allerdings gegenüber seinen Konkurrenten erhebliche staatlich gesicherte Vorteile, wie z.B. die Mehrwertsteuerbefreiung Das Geheul der AG, man sei nur mit Lohnabsenkung konkurrenzfähig, ist also kompletter Bullshit.

Es geht um Kapitalvermehrung und in diesem personalintensiven Bereich läuft das wie anderswo durch die extensive Verbilligung der Lohnkosten. Anderweitige Illusionen sollte man sich, falls noch in den Hinterköpfen der Beschäftigten vorhanden, die gerne noch von „unserer Post“ und „guten alten Zeiten“ erzählen, tunlichst abschminken. Dahin gibt es auch kein Zurück, es sei denn, die ArbeiterInnen setzen das – also eine Verstaatlichung unter Kontrolle der Beschäftigten - gegen den Widerstand von Staat und Kapital durch.

Die Post AG startet, so die völlig berechtigte Schreckensvision der Gewerkschaft, die Zerschlagung der Konzernstruktur mit dem Angriff auf die Befristeten. Das kann sich aber mit Ablauf der Regelung zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, nämlich mit 31. Dezember 2015 auf eine weit größere Anzahl der Beschäftigten ausdehnen und es ist sowieso hinfällig, jetzt noch von Vertragsbestand auszugehen. Die Beschäftigten werden zum Spielball und was danach kommt und wann die Struktur endgültig zerschlagen ist, lässt sich nicht prognostizieren, erscheint aber für die Kapitalseite als logischer Schritt.

Der Widerstand kann also nur erfolgreich sein, wenn er mit dem Co-Management der Vergangenheit bricht.

Der Versuch der Gegenwehr: Arbeitszeitverkürzung

Ver.di hat die Forderung 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich jetzt aufgestellt. Dabei argumentiert die Gewerkschaft, dass mit der Errichtung der 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung die Deutsche Post AG gegen den mit ihr abgeschlossenen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe von Zustellaufträgen an interne oder externe Unternehmen verstößt. Diesen hatte man, wie oben erläutert, mit der Preisgabe von Rechten bezahlt, unter anderen Zugeständnissen schon im Vorfeld.

Als Antwort darauf wurde die Regelung zur Arbeitszeit aus dem Manteltarifvertrag zum 31.03.15 gekündigt und eine tarifpolitische Forderung zur Arbeitszeit entwickelt, die den stattgefundenen Vertragsbruch kompensieren soll. Diese liegt bei 36 Stunden und das bei vollem Lohnausgleich!

Auch wenn klar ist, dass diese 2,5 Stunden mehr an Wochenarbeitszeit genau der Preis sind, den die 140000 Tarifkräfte des Unternehmens schon dauerhaft für den durch die AG gebrochenen Vertrag bezahlen und die Arbeitszeitverkürzung nur der zurückgeforderten Ausgleich und keinen Deut mehr darstellt, muss diese Forderung unterstützt werden. Die Frage ist nur, wie soll das durchgesetzt werden? Sicher nicht mit Appellen und Betteln.

Die AG, die zu den ersten Tarifgesprächen kein Angebot vorlegte und den Vertragsbruch rechtfertigte, kam danach sozusagen „postwendend“ mit ihrer Version zu einer Arbeitszeitverkürzung daher, die allerdings mehr wie eine Flexibilisierung aussieht. So will man eine „neue Form der Arbeitszeit-Souveränität” einführen, in der die KollegInnen zwischen 34 und 41 Stunden wählen können, Lohnausgleich gibt es natürlich nicht. Darüber will die AG nach dem Ende des Entgelttarifes zum 31. Mai 15 verhandeln.

Genau das darf natürlich nicht passieren. Auf dieser Basis darf nicht verhandelt werden. Erstens weil solche Flexibilisierung ein hervorragendes Mittel zu weiteren Arbeitsverdichtung ist, zum zweiten, weil wir eine Kompensation brauchen und wollen und keine neuen Arbeitszeitmodelle.

Was schließen wir daraus?

Nach dem jahrzehntelangen Korporatismus, dem Verzicht auf die Durchsetzung längst überfälliger Forderungen, dem Verzicht auf Streiks, steht ver.di – Nein! - stehen die KollegInnen mit dem Rücken zur Wand. Alleine die Erpressung der befristeten KollegInnen wirkt in den Köpfen weiter und sich vorzustellen, dass man aus irgendeinem Grund nicht betroffen sein wird, erfordert schon ein gewaltiges Maß an Fantasie. Selbst die BeamtInnen wissen, was ihnen blüht, wenn sie als sogenannter „Überhang“ (sic!) durch die Zustellstützpunkte geschickt werden.

„Ihre Post“, vom Arbeitspensum nicht mehr von einem Industriearbeitsplatz unterscheidbar, wird sukzessive zerschlagen. Nachdem Postbank und Postfilialen verkauft wurden, kommt nun das Kerngeschäft an die Reihe. Was davon übrig bleibt, hängt hochgradig davon ab, wie hoch die Beschäftigten den Preis für die Zerschlagung treiben und mit welcher Perspektive, welchen Forderungen, welcher Strategie und Entschlossenheit sie den Kampf führen.

Dazu wird eine große öffentliche Solidarität erforderlich sein, es wird notwendig sein, die Kämpfe, für die die kommenden Warnstreiks nur der Auftakt sein können, mit anderen Branchen, insbesondere bei der Bahn und anderen Logistikbereichen wie Amazon zu verbinden. Sie müssen unbefristet und so militant sein, wie die „Arbeitgeberseite“ sie für ihr Einsehen braucht. Sie müssen geeignet sein, eine größtmögliche Kraft der ArbeiterInnenklasse zu mobilisieren. Der in diesem Falle beteiligten Gewerkschaft ver.di sei geraten, sich die rosarote Brille abzuziehen, sich vom Korporatismus zu verabschieden und endlich die Interessen aller Beschäftigten zu vertreten, statt nur die Altbelegschaft vor dem allerschlimmsten zu schützen.

Das bedeutet: Keinerlei weitere Preisgabe der Rechte der Beschäftigten, kein Verzicht, keine faulen Kompromisse, vor allem auch: keine Geschäfte mit der DPAG in den Hinterzimmern, keine intransparenten Deals, die die Belegschaft ein weiteres Mal enttäuschen und so die Kampfkraft unterminieren.

Volle Mobilisierung für die Tarifforderungen!

Nein zu allen Ausgliederungen, Wiedereingliederung von Delivery!

Vom Warnstreik zum Vollstreik!

Kontrolle des Arbeitskampfes durch die Basis, Beschäftigtenversammlungen, gewählte, rechenschaftspflichtige und abwählbare Streik- und Verhandlungskomitees!

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