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Wahlen in Israel

Netanjahu siegt

Tobi Hansen, Neue Internationale 198, April 2015

In den letzten Wochen hatten viele Medien schon das Ende der Likud-Regierung vorhergesagt. Selbst führende Militärs und Geheimdienstfunktionäre sprachen sich öffentlich gegen die Nahost Politik von Netanjahu aus und auch die aktuelle US-Regierung ging immer stärker auf Distanz zur rechtsnationalen Regierung in Tel Aviv. Am 7. März demonstrierten mehr als 50 000 Menschen in Tel Aviv gegen die letzte Regierung und forderten einen Wechsel und ein Ende des Stillstandes im so genannten „Friedensprozess“. In der Nahostpolitik und speziell gegenüber dem Iran war Netanjahu zuletzt immer stärker auf Konfrontationskurs gegangen. Der so genannte „Friedensprozess“ existiert de facto nicht mehr und in den Fragen einer möglichen nuklearen Aufrüstung des Iran widersprach „Bibi“ auch offiziell der aktuellen US-Politik.  

Angeführt wurde die Großdemonstration und Kundgebung von einer neuen Wahlallianz, der „Zionistischen Union“, bestehend aus der Arbeitspartei (Awoda) mit dem Spitzenkandidaten Herzog und der Partei der ehemaligen Justizministerin Livni „Die Bewegung“ (Ha-Tnu´a), welche Ende 2014 die Koalition mit dem Wahlblock Likud-Jisra'el Beitenu verließ bzw. von Netanjahu entlassen wurde.  

Neben einer Fortsetzung des „Friedensprozesses“, dem Eintreten für die Zwei-Staaten-Lösung versprach dieses neue Wahlbündnis, sich den drängenden sozialen Problemen des Staates anzunehmen. Hohe Inflationsraten, hohe Mieten, Verdrängung und Gentrifizierung belasten viele Haushalte der israelischen ArbeiterInnenklasse, wie auch das Protestcamp alleinerziehender Mütter vor der Knesset 2013/14 ein Symbol der sozialen Proteste war und die Verhältnisse widerspiegelte.

Wahlsieg mit Rechtsschwung

Lange führte die Zionistische Union in den Umfragen und es wurde schon darüber spekuliert, welche Parteien eine Regierung gegen den Likud bilden könnten. Speziell die ebenfalls im Dezember 2014 entlassene Ex-Regierungspartei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft), die Likud-Abspaltung Kulanu (Wir alle) oder auch die linkszionistisch-„sozialdemokratische“ Meretz (Energie) galten als potenzielle Mitglieder einer neuen Regierungskoalition.  

Am Ende feierte der Likud unter Netanjahu aber einen klaren Wahlsieg und kann mit kleineren rechten Parteien Jisra'el Beitenu (Unser Haus Israel, mit der der Likud 2013 eine gemeinsame Liste bildete) und  HaBajit haJehudi (jüdisches Heim), sowie den ultrareligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum (VTJ) eine mögliche Koalition bilden, wie auch die ehemaligen Koalitionspartner wieder zur Verfügung stehen könnten.  Mit 23 zu 18% hatte der Likud am Ende 5% Vorsprung vor der Zionistischen Union. Dies wurde vor allem durch die rechtsnationale aggressive Rhetorik von Netanjahu vor der Wahl begründet. Dieser wandte sich scharf gegen die Zwei-Staaten-Lösung, was er nach der Wahl wieder relativierte, drohte täglich vor dem Iran und pries sich als den alleinigen Beschützer Israels in einer Welt voller Feinde. Dies mobilisierte die Likud-Wählerschaft, so dass sie fast das gleiche Ergebnis bekamen wie der Wahlblock mit Liebermans Jisra'el Beitenu im Jahr 2013.  

Der Status quo des Staates Israel, die permanente Kriegführung in den besetzten Gebieten, der alltägliche Rassismus und die Kriegsdrohungen gegen den Iran haben zwar inzwischen schon einige Generäle „kriegsmüde“ gemacht, sie können aber nicht verhindern, dass die politische Rechte in Israel weiterhin davon profitiert.  

Hoffnungsschimmer?

Während die traditionelle Arbeitspartei durch ihr Bündnis mit Livni, welche zuvor eifrig Scharon, Olmert und Netanjahu Mehrheiten in der ehemaligen Kadima-Partei (Vorwärts-Partei) verschaffte, sich nochmals als willige Partnerin des konservativen-nationalen Blocks präsentiert hat, hat das Bündnis „Vereinigte Liste“ um die Chadasch-Partei (Neu-Partei; ehemals Kommunistische Partei Israels), die vereinigte arabische Liste und Balad (Nationales Demokratisches Bündnis) einen großen Wahlerfolg erreicht.  

Mehr als 10% und 13 Sitze in der Knesset bedeuten den größten Erfolg einer Kraft, welche sich hauptsächlich auf arabische Israelis stützt und die in ihrem politischen Programm demokratische und sozialistische Inhalte in den Vordergrund stellt, quasi eine „Volksfront“ der arabischen Parteien verkörpert, in der auch islamische Kräfte vertreten sind.

Sie verneinen die zionistische Politik, treten für gleiche Staatsbürgerschaftsrechte und für einen palästinensischen Staat ein, wie sie auch den palästinensischen Widerstand in den besetzten Gebieten verteidigen.  

Für den Fall eines Wahlerfolgs der Zionistischen Union hatte die „Vereinigte Liste“ klar gemacht, dass sie nicht in die Regierung gehen, aber progressive Maßnahmen unterstützen würde, quasi eine Tolerierung. Dieser Wahlerfolg wurde sofort mit rassistischen Äußerungen der rechten Parteien und zuvorderst Netanjahu beantwortet, die allein schon in dem Ergebnis eine Bedrohung des Staates Israels erkennen wollen.

Die großen Streitfragen der israelischen Gesellschaft, der „Friedensprozess“, die sozialen Spannungen, die finanzielle Bevorzugung der Siedlungen, religiösen Vereine und Verbände, die permanente Kriegspropaganda und -führung können nicht auf bürgerlich-nationale Weise beseitigt werden. Dies führt nur zur Fortsetzung dieser Politik. Die Arbeitspartei hat durch ihr Bündnis mit der  Ha-Tnu´a-Partei ihr Ergebnis von 2013 kaum verbessern können. Stattdessen wurde ein Bündnis mit Teilen der ehemaligen Koalition ins Regierungsamt gehievt.

So müssen der Wahlerfolg der „Vereinigten Liste“ und die Zusammenführung der arabischen WählerInnen ein klares Zeichen an die israelisch-jüdische Linke sein.  

ArbeiterInnenpartei

Die Linke in Israel braucht eine Arbeiterpartei, welche klar mit dem Zionismus bricht, sich endgültig vom so genannten „Links-Zionismus“ verabschiedet - den Meretz beispielsweise noch vertritt - und gemeinsam mit den arabischen Israelis den zionistischen Kapitalismus und Militarismus bekämpft.  

Dies muss zu einem Programm für eine sozialistische Föderation im Nahen und Mittleren Osten führen, der einzigen Möglichkeit gegenüber Zionismus, Rassismus und Islamismus eine Perspektive der ArbeiterInnenklasse zu verfolgen.

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Nr. 198, April 2015
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