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Wahlen im Iran

Weg mit dem Mullah-Regime!

Clare Heath, Neue Internationale 88, März 2004

Am 20. Februar fanden die Wahlen zum iranischen Parlament statt. Die Wahlbeteiligung lag aber nur bei etwa 40%. Am niedrigsten war sie in der Hauptstadt Teheran mit 28%.

2004 ist das Jahr der 25. Wiederkehr der ‘islamischen Revolution’, die 1979 den von den USA ausgehaltenen und verhassten Schah stürzte. Vier Jahre nachdem die ‘Reformer’ die Kontrolle im Parlament nach den Wahlen im Jahr 2000 übernommen haben, ist die Masse der IranerInnen, vor allem die Jugend, über ihre Führer verbittert und desillusioniert.

Ein Grund dafür ist der zynische und reaktionäre Beschluss des "revolutionären Wächterrates", 2500 KandidatInnen nicht zur Wahl zuzulassen.

Der größten reformorientierten Fraktion, der Islamisch Iranischen Partizipations Front, wurde ein Großteil ihrer Spitzenkandidaten aberkannt, worauf sie nicht an der Wahl teilnahm. Unter den Abgelehnten waren 80 Parlamentsabgeordnete, darunter einige der bekanntesten PolitikerInnen. Dieser Beschluss führte dazu, dass 130 von 290 Abgeordneten ihr Mandat niederlegten und einen spontanen befristeten Sitzstreik im Parlament durchführten.

Der formale Grund für die Ausgrenzung der Kandidaten durch die konservativsten Klerikalkräfte nach den Wahlen ist ein Verstoß gegen Artikel der islamischen Verfassung, wonach sie nicht an die islamische Republik glauben und auch nicht an die Herrschaft der Juristen, welche die größte politische Macht in die Hände des obersten Führers (Ayatollah Ali Khamenei) als Verkörperung des "Willens Allahs" legt.

Einige Jahre gab es im Iran ein Patt zwischen "Reformern" und "Konservativen". Das Parlament hat zwar die Befugnis zu Entwurf, Beratung und Verabschiedung von Gesetzen. Der direkt gewählte Präsident des Iran, Khatami, verfügt auch über ein demokratisches Mandat und hat die Außenpolitik des Iran stärker nach Westen geöffnet.

Dem steht jedoch der Wächterrat (bestehend aus klerikalen Kräften, die von Khamenei ernannt worden sind) gegenüber, der befugt ist, jedes verabschiedete Gesetz außer Kraft zu setzen und die außenpolitischen Initiativen des Präsidenten zu widerrufen.

In der Vergangenheit sind alle Korrekturversuche, besonders jene, die darauf abzielten, die Macht des Wächterrates zu beschneiden, niedergeschlagen worden. Ayatollah Khamenei trachtet danach, die klerikale Mehrheit im Parlament wieder herzustellen und sich von einem demokratischen Störfaktor, der seinerzeit nur widerwillig zugestanden worden war, zu befreien. Deshalb auch die Verhinderung der Wahlkandidaturen von OpponentInnen, um die Kontrolle über das Parlament wieder zu erlangen. Die "Reformer" vertreten die Interessen des liberalen Bürgertums und der Mittelschichten, die an der Diktatur der Mullahs vor allem kritisieren, dass sie ihren Geschäftsinteressen zuwider läuft.

Die Unterdrückung der Arbeiterbewegung, nationaler Minderheiten, der Frauen und der Studentenbewegung ist für sie nur von Interesse, wenn es darum geht, die Massen vor ihren Reformkarren zu spannen.

Die deutschen und US-Imperialisten sehen in den "Reformen" einen Hebel, um den Einfluss der großen Konzerne und kapitalistischen Mächte im Iran geltend zu machen.

Das erlaubte Ayatollah Khamenei, den Ausgang der Wahlen demagogisch als Triumph über den US-Imperialismus hinzustellen, insbesondere über George Bush. Mit "Anti-Imperialismus" hat das jedoch nichts zu tun. Während die USA verdammt werden, gelten die "konservativen" deutschen Imperialisten und Großkonzerne als willkommene "Partner".

Widerstand

Wie halbherzig anderseits die "Opposition" der "Reformer" ist, zeigt eine Bilanz ihrer Politik. In den vergangenen drei Jahren haben Millionen StudentInnen auf den Straßen gegen die theokratische Herrschaft und für größere demokratische Rechte demonstriert. Im Mittelpunkt dieser Proteste standen Forderungen nach einer freien unzensierten Presse und der Kampf gegen die steigenden Kosten der Bildung.

Zunächst hatten die StudentInnen stark auf Khatami nach dessen Wahl zum Präsidenten gesetzt. Er versprach den Studenten zwar Unterstützung, suchte aber dann nur einen Ausgleich mit dem Wächterrat. Zurecht wurden die StudentInnen und ArbeiterInnen gegen Khatami und das Parlament misstrauisch.

Der studentische Widerstand ist auf heftige Reaktionen seitens bewaffneter Schlägerbanden unter der Kontrolle des Wächterrates gestoßen, die mehrfach Universitäten überfielen, Protestierende niederknüppelten und hunderte von ihnen verhafteten.

Die Arbeiterklasse musste in derselben Zeit einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine deutliche Verschlechterung ihres Lebensstandards hinnehmen.

Die "Reformer" zeigten sich auch ziemlich gleichgültig gegenüber der Verhaftungen von GewerkschaftInnen, vor allem im Vergleich zu ihrer Sorge um das Schicksal von regimekritischen Journalisten und Akademikern.

Zwar haben die Reformer einige Änderungen bewirkt, z.B. die Erlaubnis zum Tragen von Kopftüchern neben dem Ganzkörperschleier bei Frauen, doch einen energischen Kampf gegen die Macht des Klerus haben sie nicht geführt.

Der Grund für die Politik der Reformer ist klar. Sie wollen den Iran liberalisieren und gleichzeitig die Überausbeutung der ArbeiterInnen beibehalten. Ihre Haltung gegenüber dem Widerstand der Massen und vor allem die Niederschlagung der Studentendemonstrationen vor gut einem Jahr haben sie jedoch gegenüber den Theokraten des Wächterrates in die Defensive gebracht, weil sie die Hoffnungen der Massen enttäuscht haben.

Natürlich ist ein Boykott dieser absolut undemokratischen Wahlen gerechtfertigt. Aber der demokratische Unmut muss organisiert, auf die Straße getragen und mit den Problemen der iranischen Arbeiterklasse verknüpft werden.

Wahlboykott ist nicht genug

Dieser Widerstand kam auch in den letzten Wochen nicht zum Erliegen - trotz brutaler Repression. So wurden am 24. Januar vier Arbeiter von der Polizei umgebracht, 40 weitere verletzt und 80 festgenommen, nachdem sie sich geweigert hatten, ihre Besetzung einer Kupferfabrik in Shahr-e-Babak aufzugeben. Das ist nur ein besonders krasses Beispiel für die vielen Kämpfe gegen Entlassungen, befristete Arbeitsverträge oder die Nicht-Bezahlung von Löhnen und Sozialleistungen.

Doch damit der heroische Kampf erfolgreich sein kann, muss die Arbeiterklasse eine eigene, von "Reformern" und "Konservativen" unabhängige politische Kraft, eine revolutionären Arbeiterpartei schaffen, die auch die StudentInnen an ihre Seite zieht.

Eine solche Kraft braucht ein Aktionsprogramm, das die sozialen und politischen Forderungen der ArbeiterInnen, der Bauern und der Millionen Armen ins Zentrum stellt. Ein solches Programm muss natürlich auch jede Einschränkung demokratischer Rechte durch die klerikalen Kräfte bekämpfen. Es muss für die Befreiung der Frauen und das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Nationen wie der Kurden eintreten.

Es muss die Forderung nach eine Konstituierenden Versammlung erheben - als Mittel, um die demokratischen Hoffnungen der Massen zu befriedigen. Es muss zugleich für die Schaffung von Räten (Schoras) und die Bildung von Arbeiter- und Bauernmilizen eintreten, um zu verhindern, dass eine Konstituierende Versammlung nicht zum Hemmschuh für die soziale Revolution wird, sondern der Kampf unmittelbar zur Schaffung einer Iranischen Räterepublik weitergehen kann.

Permanente Revolution

Die Macht der Ayatollahs und Mullahs und der hinter ihnen stehenden Kapitalisten und Grundbesitzer muss gebrochen, die Kleriker aus allen öffentlichen Bereichen entfernt werden.

Zugleich muss sich eine solche Kraft auch gegen die Reformer und ihre "westlichen" Unterstützer wenden, die einen Sturz der Mullahs dafür nutzen wollen, zur Ausplünderung des Landes wie unter dem Schah zurückzukehren.

Nur die Strategie der permanenten Revolution - die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernregierung, die sich auf die Räte in Stadt und Land stützt - kann die Massen zum Sieg führen, ihre Interessen zufrieden stellen und die Ausdehnung einer wirklichen, sozialistischen Revolution in der ganzen Region forcieren.

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Nr. 88, März 2004

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* Metall Tarifrunde 2004: Vergebene Chancen
* Heile Welt
* SPD mit neuer Spitze: Wechsel ohne Wandel
* Uni-Streiks: Eine Zwischenbilanz
* Studentenstreik: Bremer Erfahrung
* 200. Todestag Kants: Freiheit, philosophisch betrachtet
* Demokratischer Rassismus: Nein zum Kopftuchverbot!
* Slowakei: Hungeraufstand der Roma
* Wahlen im Iran: Weg mit dem Mullah-Regime!
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* München: Solidarität mit den Festgenommenen!
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