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Aktionstage am 2./3. April

DGB-Führung bremst

Martin Suchanek, Neue Internationale 88, März 2004

Kapital und Regierung blasen zum Angriff. Die Massen geraten in Bewegung - die DGB-Führung tritt auf die Bremse. Nach dem Ausverkauf der IG Metall in der Tarifrunde bereiten die Gewerkschaftsbürokraten den nächsten Rückzieher vor.

Der europaweite Aktionstag am 2./3. April wird vom DGB u.a. europäischen Gewerkschaftszentralen frei nach dem Motto "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel" organisiert. Es sollen so viele mobilisiert werden, dass es zu keiner öffentlichen Blamage kommt. Aber es sollen wenig genug sein, damit der Ruf nach weiteren Aktionen, Demos und Streiks gegen den Sozialraub der Regierung nicht zu laut wird.

DGB: Beten statt kämpfen

Zur Erinnerung: Der europäische Aktionstag vom 2./3. April war den Gewerkschaftsspitzen aufgenötigt worden. Einerseits durch den Druck des Kapitals und der neo-liberalen Offensive in ganz Europa. Andererseits durch den wachsenden Widerstand auf dem Kontinent, durch die Massen- und Generalsstreiks in Italien, Frankreich und Österreich oder den 1. November in Deutschland, als 100.000 ohne Unterstützung der Gewerkschaftsführungen gegen die Agenda 2010 demonstrierten.

Ganz wohl war den Gewerkschaftsführern also nie bei der Aussicht auf eine, und sei es vorerst nur symbolische Konfrontation mit den Herrschenden. Daher liest sich der Aufruf der Gewerkschaften auch wie eine Drohung, für die man sich zugleich entschuldigt. Ein "soziales Europa" wäre schließlich auch im Interesse der Unternehmer, die mit "zufriedenen" und besonders motivierten Ausgebeuteten in der internationalen Konkurrenz besser bestehen könnten.

Zum Leidwesen dieser "Arbeiterführer" will das Kapital aber keinen "sozialen Frieden" und "partnerschaftliche" Unternehmensberater, sondern gewerkschaftsfreie Zonen und eine weitestgehende Entrechtung der Lohnabhängigen.

Das hindert die Europas Gewerkschaftsführer nicht, diesen ersten, ihnen im Grunde aufgezwungenen Aktionstag, möglichst klein zu halten. Der DGB steht hier als exemplarisches Beispiel.

Der 2. April, der als ein erster, europäischer Generalstreiktag gedacht war, wird in der offiziellen Planung praktisch totgeschwiegen. Von offizieller Seite wird es höchstens einige Betriebsversammlungen und Info-Veranstaltungen geben. Wenn es zu betrieblichen Aktionen kommt, so nur auf Initiative der lokalen Gewerkschaftslinken.

Für den 3. April wurde statt einer mächtigen, bundesweiten Mobilisierung, die eine Kraftprobe mit der Regierung einläuten und gut eine Million Menschen in Bewegung setzten könnte, alles getan, um die Demos nicht allzu groß werden zu lassen und sie auf kaum bevölkerte Routen zu leiten. So z.B. in Berlin, wo die Demo teils durch einen Wald führen soll.

Der DGB grenzt die sich formierende gewerkschaftliche und soziale Bewegung von unten aus. Die Aktionsbündnisse wurden in die Planung erst gar nicht einbezogen, die "Chaoten", die immerhin 100.000 Menschen zu einer bundesweiten Demo ohne DGB-Logistik mobilisieren konnten, sollen die Gewerkschaftsführer nicht "diskreditieren".

IG Chemie Chef Schmoldt ging sogar soweit, dass er selbst einen Sprecher von attac ablehnte. Neben lahmen Gewerkschaftsbossen wie Sommer sind Pfaffen als Redner vorgesehen. Mit den "Oberhirten" der großen Kirchen kann schließlich auch ein DGB-Schaf noch in Sachen Radikalität mithalten - außerdem kennen sich die Herrschaften auch aus den Kamingesprächen beim Kanzler oder der Hartz-Kommission.

Die Gewerkschaftsführer versuchen, die rot-grüne Regierung möglichst wenig Schwierigkeiten zu machen und "vernünftige" Kapitalisten davon zu überzeugen, dass die Ausbeutungsmaschinerie mit einigen sozialen Zugeständnissen besser laufen würde.
Aber die sozialdemokratischen Bürokraten verkennen - ebenso wie linke "Reformpolitiker" von Lafontaine bis Gysi und größere Teile der globalisierungskritischen Bewegung wie attac - die Ursachen der gegenwärtigen Angriffe. Das Kapital muss angesichts fallender Profitraten und verschärfter internationaler Konkurrenz zwischen den Großkonzernen und den sie vertretenden führenden imperialistischen Staaten zum Generalangriff auf die Lohnabhängigen hier und die Unterdrückten in aller Welt ausholen.

Daher der permanente Sozial- und Lohnraub. Daher die permanente Attacke auf die Länder der "Dritten Welt" durch die wirtschaftlichen, politischen und militärischen Institutionen des globalen Kapitalismus. Daher die verschärfte Konkurrenz zwischen den Großkonzernen und Banken und den führenden Mächten der Erde - insbesondere zwischen den USA und dem entstehenden EU-Imperialismus.

Es geht ums Ganze

Angesichts dessen ist eine Politik des Interessenausgleichs zwischen den Klassen, wie sie von der deutschen (und europäischen) Sozialdemokratie und den Gewerkschaften jahrzehntelang betrieben wurde und wird, heute perspektivlos.

Der Kapitalismus ist insgesamt in eine Krisenperiode eingetreten, die sich - solange man auf dem Boden dieser Produktionsweise argumentiert - nicht durch diese oder jene Reform, nicht durch das illusorische Hoffen auf eine besonderes "Modell" lösen lässt.

Das Kräfteverhältnis muss klar zugunsten des Kapitals verschoben werden. Die noch bestehenden Errungenschaften der Lohnabhängigen müssen zerstört, die noch vorhandenen Machtpositionen der organisierten Arbeiterbewegung zerschlagen und die Ausweitung und Radikalisierung der Bewegung gegen den globalen Kapitalismus, gegen Krieg und Sozialabbau "präventiv" verhindert werden.

Die Führungen in der Arbeiterbewegung und das linke Kleinbürgertum wollen den grundlegenden Charakter dieser Konfrontation nicht wahrhaben.

Die rechten Gewerkschaftsführer wie Schmoldt sehen daher ihr Heil darin, sich bis zur Selbstaufgabe an die Vorgaben des Kapitals anzupassen. Politisch heißt das Schröders "neue Mitte", im "Tagesgeschäft" Standortpolitik und Co-Management der Gewerkschaftsvorstände und tausender Betriebsräte.

Die "Traditionalisten" in den Gewerkschaften oder die attac-Führung setzen dem Kurs der Regierung und der rechten Gewerkschaftsführer die politischen Konzepte der Sozialdemokratie der 70er Jahre entgegen - die Hoffnung auf einen "besser regulierten" Kapitalismus, der der zum Wohl aller Klassen wäre.

In die politische Sackgasse führen beide Strategien. Während die einen die kampflose Kapitulation propagieren, versprechen die anderen, dass sich die Krise des Kapitalismus durch "kluge" Reformen wie die Tobin-Steuer lösen ließe. Beide eint aber eines: die Macht der herrschenden Klasse soll nicht angetastet werden.

Aufgaben der Bewegung

Um die Angriffe zurückzuschlagen, muss sich die entstehende Basisbewegung von unten organisieren, bundesweit und internationale als Aktionsbündnis koordinieren. Sie muss das im Stadtteil und auf betrieblicher Ebene tun. Dazu ist es notwendig, dass eine bundesweite Koordination von Delegierten geschaffen wird, die den unterstützenden Organisationen und lokalen Aktions- und Sozialbündnissen verantwortlich ist.

Ihre gemeinsames Ziel muss sein, den Generalangriff auf die Lohnabhängigen in Deutschland und europaweit zu stoppen, die Arbeiterbewegung und die antikapitalistische Bewegung im Kampf um unmittelbare Forderungen in der Aktion zusammenzuführen:

Gegen alle Entlassungen, für die Einführung der 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, der zu einem menschwürdigen Leben reicht!

Für ein Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen von 1000 €!

Gegen jede Privatisierung öffentlicher Dienste und sozialer Einrichtungen! Für freien und kostenlosen Zugang zu Bildung und Ausbildung und zum Gesundheitswesen!

Für die Rücknahme aller gesetzlichen Verschlechterungen, die durch Agenda und Hartz-Gesetze entstanden sind! Schluss mit allen Angriffen auf die Flächentarife!

Entscheidend ist, dass diese Bündnisse Aktionsbündnisse sind, die sich auf die Mobilisierung konzentrieren. Sie müssen vor allem die ArbeiterInnen in den Betrieben in die Bewegung zu ziehen, denn nur durch einen europaweiten Generalstreik werden die Kapitalisten zum Rückzug gezwungen werden können.

Die Forderung nach einem Generalstreik und nach jedem, auch noch sei kleinen Schritt in Richtung international koordinierter Aktionen und Arbeitsniederlegungen muss auch an die Führungen der Gewerkschaften gestellt, in ihre Gremien eingebracht und eingefordert werden.

Das gleiche gilt für alle Ansätze internationaler Koordinierung wie z.B. das europäische Sozialforum. Natürlich wird ein Sozialforum oder ein Sozialbündnis keinen Streik durchführen können; natürlich wird es darauf ankommen, in den Gewerkschaften und Betrieben die notwendige Unterstützung aufzubauen - aber auch solche Bündnisse und die beteiligten Organisationen können in den Betrieben und Gewerkschaften gemeinsam dafür kämpfen, erste Aktivitäten zu verabreden usw. Das nicht zu tun, bedeutet, darauf zu verzichten, die Gewerkschaftsbürokraten und den reformistischen Großorganisationen unter Druck zu setzen.

Unerlässlich ist neben dem Aufbau und der Koordinierung bundesweiter und internationaler Aktionsbündnisse bzw. der Transformationen internationale Foren der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung in Betrieben und Gewerkschaften. Es ist klar, dass die europäischen und deutschen Gewerkschaftsbosse alles tun werden, um einen politischen Massen- oder Generalstreik zu verhindern (oder maximal in eine Eintagesroutine wie in Italien verwandelt wollen).

Umgekehrt sind die Gewerkschaften die einzige nennenswerte betriebsübergreifenden Organisationen der Beschäftigten. Es geht darum, diese den Händen der Bürokratie zu entreißen und eigene Strukturen aufzubauen, welche die Gewerkschaften wieder zu Organisationen des Klassenkampfes machen können. Nur so wird es möglich sein, aus der Mobilisierung auf der Straße auch eine Mobilisierung von unten in den Betrieben aufzubauen und die notwendigen Streiks gegen die Angriffe zu organisieren. Ein gewisse Basis dafür ist in der Gewerkschaftslinken wie in der Mobilisierung aus den Großbetrieben am 1. November sicher vorhanden. Dort konnte auch der Zugriff der Bürokratie (oder jedenfalls von deren oberster Spitze) für einen Tag durchbrochen werden. Der 1. November war nur ein Tag. Auf die Demo folgten keine Streiks - und diese werden . auch nicht einfach spontan erfolgen, sondern nur, wenn in den Gewerkschaften und in den Betrieben eine politische Auseinandersetzung erfolgt, bei der sich die Linken als die besten VertreterInnen der Interessen der ArbeiterInnen erweisen.

Um eine solche Bewegung aufzubauen, müssen sich alle, die nicht nur gegen den Angriff, sondern auch für die Beseitigung der Ursachen von Lohnraub, Sozialabbau und Aufrüstung kämpfen wollen, politisch zusammenschließen - zu einer neuen Arbeiterpartei, die eine wirkliche Alternative zum Reformismus von SPD und PDS darstellt, einer Partei, die offen für den Sturz des Kapitalismus, die Zerschlagung des bürgerliche Staatsapparates, Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse und die internationale Revolution eintritt.

Ein solche Partei ist gerade in einer Krisenperiode wie heute, in einer Phase entscheidender Klassenkämpfe von größter Bedeutung. In einem haben die Gewerkschaftsbürokraten nämlich recht: Ein europäischer Generalstreik gegen die Angriffe würde die Machtfrage stellen. Die Reformisten wollen (und können) sie aber nicht ergreifen. Wir schon!

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Nr. 88, März 2004

* Aktionstage am 2./3. April: DGB-Führung bremst
* Metall Tarifrunde 2004: Vergebene Chancen
* Heile Welt
* SPD mit neuer Spitze: Wechsel ohne Wandel
* Uni-Streiks: Eine Zwischenbilanz
* Studentenstreik: Bremer Erfahrung
* 200. Todestag Kants: Freiheit, philosophisch betrachtet
* Demokratischer Rassismus: Nein zum Kopftuchverbot!
* Slowakei: Hungeraufstand der Roma
* Wahlen im Iran: Weg mit dem Mullah-Regime!
* Brasilien: Tropischer Blairismus
* München: Solidarität mit den Festgenommenen!
* Deutschland rüstet nach: Militärische Globalisierung