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Sozialchauvinismus in der Linkspartei

Wagenknecht und kein Ende

Tobi Hansen, Neue Internationale 216, Februar 17

Jetzt ist Wagenknecht also Spitzenkandidatin, zusammen mit Bartsch. Die Fraktionsvorsitzenden dürfen den Wahlkampf gestalten, die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger dürfen nach der Wahl verhandeln, wenn es etwas zu verhandeln geben sollte.

Diese Position hat Wagenknecht sogleich für ein Stern-Interview (15.1..) genutzt und sich damit sogar einen öffentlichen Rüffel der Parteiführung eingefangen. Thema waren u. a. die Geflüchteten. Schon seit 2015/16 „schafft“ es Wagenknecht regelmäßig, mit diesem Thema innerhalb der Partei und WählerInnenschaft zu polarisieren, indem sie bewusst Richtung „innere Sicherheit“ blinkt und sich dabei auch als Populistin und Sozial-Chauvinistin präsentiert.

So war es schon mit dem „Gastrecht“, welches bei Falschverhalten aberkannt werden sollte. Dort stimmte Wagenknecht in den Chor der AbschieberInnen und HetzerInnen ein, nur halt als Linkspartei-Politikerin. Dies rechtfertigt sie gegen Kritik mit „Volksnähe“ und damit, dass sie sich immerhin den „wirklichen Problemen“ widmen würde.

Auch im ND-Interview vom 23. Januar versucht Wagenknecht diesen „Spagat“. Richtigerweise benennt sie als Fluchtursachen die „westlichen“, also imperialistischen, Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die Rüstungsexporte in die Region, deren ökonomische Unterwerfung unter das EU/WTO-Diktat und die damit einhergehende Zerstörung der dortigen Wirtschaft. In dieser Klarheit schaffen das eher wenige vom Linkspartei-Spitzenpersonal und das ist auch der Grund für die Popularität von Wagenknecht. Sie stellt die Partei als Bastion der armen Leute, aber auch der Beschäftigten insgesamt dar, kann auch gegenüber dem Kapital rhetorisch ausholen und punktet damit in fast jeder Talkshow - auch das können nicht viele vom Spitzenpersonal von sich behaupten.

„Offenlassen“ als Methode

Im ND-Interview findet es Wagenknecht zwar richtig, dass im September 2015 die Grenzen geöffnet wurden. Da es aber keine europäische Lösung gab, so fährt sie fort, hätte Chaos in der Bürokratie geherrscht und jetzt wisse niemand mehr, wer gekommen sei. Dieses und Ähnliches verzapfte sie auch schon nach dem Attentat vom 19. Dezember 2016.

Damit legt sie nahe, dass die Zunahme von Geflüchteten auch eine solche von „Terrorismus“ mit sich brächte. Sie will damit nicht nur der AfD Stimmen abgraben, sondern macht sich auch das Argument jedes staatlichen Rassismus zu eigen, dass die Aufnahme von Geflüchteten und MigrantInnen vom bürgerlichen Staat kontrolliert werden müsse und daher an den Kapazitäten der Bürokratie eine Grenze finde.

Dann wird auf die bestehenden Gesetze verwiesen. Die Behörden müssten ihren „Job“ machen, also zwischen legitimen und illegitimen Einreisenden unterscheiden, weil ja sonst die „deutsche“ Bevölkerung Gefahren ausgesetzt sein könnte. Da denkt Wagenknecht nicht mehr in den größeren Kategorien wie beim Thema Fluchtursache, sondern beim Terrorismus vor Ort wird die Angst- und Panikmache gegenüber den Geflüchteten mit betrieben.

Denn auch beim Thema Terrorismus ist wahrscheinlich sicher, dass dieser eben nicht durch besonders eifrige MitarbeiterInnen der Dienste verhindert wird, leider tragen diese auch oftmals Unterstützendes dazu bei; letztlich wird er auch nicht durch Grenzschließung bekämpfbar.

Hier müsste die Frage aufgestellt werden, wie eine „Linke“, eine ArbeiterInnenbewegung in Deutschland oder „SupporterInnen“ den ideologischen Kampf gewinnen können. Der gehen Wagenknecht und die gesamte Partei aus dem Weg. Dass der Kampf für offene Grenzen und gleiche Rechte eine Frage elementarer Klassensolidarität darstellt, ist für Wagenknecht ein Buch mit sieben Siegeln. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie Kritik vom rechten Flügel der Linkspartei erntet, der selber aktuell die Abschiebepolitik der Bundesregierung in Thüringen, Berlin und Brandenburg umsetzt. Obwohl Wagenknecht mit ihrer Rhetorik dieser Politik auch auf Bundesebene den Weg ebnet, ist sie diesem anscheinend im Weg.

Die Kritik von „links“ in der Partei wiederholt meistens die offiziöse Willkommenskultur, preist selbstverständlich die SupporterInnen und das allgemeine Ehrenamt. Sie greift aber den sozialchauvinistischen Kern von Wagenknechts Äußerungen nicht an - nicht zuletzt, weil sie letztlich die Logik des reformistischen, auf den Ausgleich der Klassen im nationalstaatlichen Rahmen bezogenen Programms der Linkspartei teilt, keine Abweichung davon darstellt. Ihr gefallen „nur“ die peinlichen Konsequenzen daraus nicht.

Sozialer Kampf und Antirassismus

Wagenknecht spricht zwar die soziale Frage an: Geflüchtete dürfen entweder nicht arbeiten oder werden gezwungen, sich für 80 Cent pro Stunde zu verdingen. Einfach nur die „Spaltung“ zu konstatieren, lässt aber offen, wer sie verursacht. In der Rhetorik des Sozialchauvinismus wird letztendlich der „Überschuss“ an MigrantInnen oder Geflüchteten zur Ursache der Spaltung.

In Wirklichkeit sind jedoch die Geflüchteten das Objekt besonders brutaler Ausbeutung. Wenn es um die Bekämpfung rassistischer Spaltung geht, hat Wagenknecht - aber nicht nur sie - nicht die Interessen aller Lohnabhängigen, ob weiße oder MigrantInnen und Geflüchtete, sondern vor allem der deutschen im Auge. Das ist der Kern ihres Sozialchauvinismus.

Wenn die Linkspartei real etwas daran ändern will, wie z. B. der Vorsitzende Riexinger, welcher ja Wagenknecht zu Recht öffentlich zurückgepfiffen hat, dann müssen die Beschäftigten in Deutschland, allen voran die Gewerkschaften, mobilisiert werden. Dort braucht es Engagement, Rhetorik und Präsenz, nämlich um die Gemeinsamkeiten der Klasse inklusive der Geflüchteten hervorzuheben und ihren gemeinsamen Kampf zu organisieren.

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Nr. 216, Februar 17

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