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Amtsantritt Trumps

Ein Präsident für wenige, Proteste für viele

Tobi Hansen, Neue Internationale 216, Februar 17

Als Trump seine Antrittsrede hinter sich hatte, gingen die wahrscheinlich größten Proteste gegen die Angelobung eines Präsidenten in der US-Geschichte los. Mehr als 3 Millionen versammelten sich landesweit in mehr als 100 Städten, um ihren Protest gegen diesen Präsidenten auf die Straße zu tragen, eine eindrucksvolle Manifestation.

„America first“ bis zum Abwinken

Normalerweise gilt die Antrittsrede als eine „versöhnlerische“. Der gewählte Präsident versucht, die Gräben und Spaltungen des Wahlkampfes zu überwinden, und geht auf die Opposition zu. Das hat gewissermaßen Tradition in den USA, nicht zuletzt, um den ideologischen Anspruch des Präsidenten zu untermauern, für „alle AmerikanerInnen“, also auch WählerInnen der Opposition, da zu sein.

Trump blieb sich treu und brach mit dieser Tradition. Seine Antrittsrede war eine Wahlkampfrede, eine Rede für seine „Bewegung“, von Versöhnung keine Spur. So zeichnete er das Bild einer niedergehenden Nation, die keine guten „Deals“ mehr mache, die quasi in Schutt und Asche liege und wiederaufgebaut werden müsse. Als Orientierung dienten seine beiden Hauptslogans aus dem Wahlkampf „ America first“ und „Make America great again“, diese wurden auch in hoher Frequenz unter seine Anhängerschaft gebracht.

Seine Rede war nationalistisch, protektionistisch und hetzerisch. Er malte ein Bild der USA, die von allen ausgenutzt werden, als „Selbstbedienungsladen“ der Welt herhalten müssen, während es allen anderen besser gehe.

Dass Trump zu der Klasse gehört, die das Land hat ausbluten lassen, die verantwortlich dafür ist, dass die öffentliche Infrastruktur, die Verkehrswege verrotten, Bildung und Gesundheit unzureichend finanziert ist, diese Realität werden manche der Trump-WählerInnen erst merken, wenn Vermögen und Einkommen der Reichen unter Trump weiter steigen. Der Anfang dazu ist schon gemacht. Als eines der ersten Dekrete wurde „Obamacare“ (Patient Protection and Affordable Care Act; PPACA) die Finanzierung entzogen. Damit soll diese ohnedies unzulängliche Gesundheitsvorsorge für einkommensschwache US-AmerikanerInnen praktisch abgeschafft werden. Das werden 40 Millionen AmerikanerInnen merken, unter denen wahrscheinlich die wenigsten Trump-WählerInnen zu finden sind.

Während Trump den Niedergang von Nation und Volk herbeiredet, um dabei eine nationalistische und rassistische Agenda umzusetzen, werden elementare Rechte von 40 Millionen per Dekret beschnitten. So funktioniert die Trump-Regierung.

Erste Handlungen

Dazu gehört auch die Kündigung von TPP per Dekret, die Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem oder die Ankündigung einer Flugverbotszone über Syrien. Ein Dekret zur Aufnahme des Mauerbaus an der mexikanischen Grenze wurde just in der Woche unterzeichnet, als der mexikanische Präsident Nieto seinen Antrittsbesuch machen wollte. Auch die Brüskierung anderer erreicht derzeit neue Höhen. Gleichzeitig werden Großbritannien und Japan eingeladen, bilaterale Freihandelsabkommen zu unterschreiben. Während dies für die britische Regierung zumindest einen der wenigen aktuellen Erfolge darstellen könnte, bleibt doch die Frage offen, was zwischen den USA und Großbritannien noch „liberalisiert“ werden kann - aber Johnson, May und Trump werden vielleicht noch was finden.

Ob Japan sich zu diesem Schritt hinreißen lässt, ist offen. Für das gescheiterte TPP hat Australien jetzt China als Ersatz ins Spiel gebracht. Das wäre ein herber Rückschlag für Trumps Manöver.

Neben dem Mauerbau wurde auch ein Einreiseverbot für Staatsangehörige von sieben muslimischen Staaten ausgesprochen. Dies richtet sich vor allem gegen Flüchtlinge und soll die eigenen AnhängerInnen mit offen anti-mulismischem Rassismus bei der Stange halten.

Trumps Agenda läuft an, umso erfreulicher waren die Proteste gegen diese Administration.

Frauen und alle anderen - gegen Trump

Initiiert wurden die Proteste nach dem Amtsantritt von feministischen Organisationen. Trumps Sexismus, sein selbst ausgestellter Freifahrtschein für jegliche Art von Belästigung und Missbrauch war der Aufhänger. Allerdings waren die InitiatorInnen von Beginn an offen für weitere Unterstützung. Und so kamen eben nicht „nur“ die feministischen Gruppen zusammen, sondern auch viele Teile der sozialen Bewegungen, von UmweltaktivistInnen, von regionalen und lokalen Gewerkschaftern, der „Black Lives Matter“-Bewegung (BLM), den Studierenden, der Hispanics - alle, die diesem Trump ihren Protest entgegensetzen wollten.

750.000 in Los Angeles, 500.000 in Washington, ebenso viele in Chicago, Hunderttausende in New York und Boston - aber auch 60.000 in Austin (Texas) verdeutlichen den Massencharakter der Mobilisierungen. Natürlich waren vielerorts die DemokratInnen eine führende Kraft, wie auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Sanders sich schon als Kopf des künftigen Protests wähnt.

Dies wird eine entscheidende Frage der nächsten Wochen und Monate: Gelingt es ihnen, diese eindrucksvolle Protestbewegung vor ihren „Karren“ zu spannen, gelingt es z. B. Sanders, ein zweites Mal eine Bewegung in Richtung der Demokratischen Partei zu lenken? Viele sehen dies schon als ausgemacht, nur weil eben diese Kräfte in den Protesten aktiv waren. Dabei ist es jetzt eine Aufgabe der linken, antikapitalistischen und sozialistischen Kräfte und Organisationen, in die Bewegung zu intervenieren und für eine klassenkämpferische, internationalistische Perspektive zu kämpfen.

Dies wäre eine Taktik, welche den Sozialismus und den Kampf für ein revolutionäres Bewusstsein in die vorhandenen Kämpfe einbringt, diese Politik zu den Massen trägt. Jegliche Form von Passivität und Sektierertum ist eben fehl am Platz. Was ist aber notwendig, um den Einfluss bürgerlicher Kräfte in der Bewegung zu brechen und ihr eine revolutionäre, sozialistische Perspektive zu weisen?

Wie weitermachen?

Auch wenn die Massendemonstrationen Menschen aus allen Klassen gegen Trump auf die Straße brachten, so waren Lohnabhängige, darunter vor allem Jugendliche, rassistisch Unterdrückte, Frauen stark vertreten. Aber politisch kam das nicht zum Ausdruck. Wie also kann die ArbeiterInnenklasse zu einer führenden, prägenden Kraft werden?

Erstmal wird es wichtig werden, den Protesten eine Perspektive über einzelne Protesttage hinaus zu geben. Dazu braucht es lokale und regionale Koordinierungen, brauchen wir Bündnisse vor Ort, um den Kampf gegen Trumps Politik weiterzuführen. Hier können viele von den AktivistInnen zusammengeführt werden, die erst zu diesen Protesten wirklich gemeinsam auf der Straße waren. Die antirassistische Bewegung BLM kann ein Ansatzpunkt sein, um den herum der Kampf gegen die nationalistische und chauvinistische Politik aufgenommen werden kann. In vielen Städten waren Slogans zu hören, welche die Rechte von Frauen, ethnischen Minderheiten, aber auch der ArbeiterInnenklasse als Menschenrechte bezeichneten und damit als „unverhandelbar“.

Für SozialistInnen und Linke muss dies ein Ansatzpunkt sein, um durch Vorschläge für einen gemeinsamen Kampf den kapitalistischen und imperialistischen Charakter der DemokratInnen zu enthüllen und den Massen die Notwendigkeit eines Bruchs vor Augen zu führen. So können demokratische Basisstrukturen für den Widerstand der ArbeiterInnenklasse zugleich rassistisch Unterdrückte, Frauen und Jugendliche gegen Trump organisieren und auf die Straße zu bringen versuchen. Dazu werden Streikaktionen wichtig sein, aber auch spontane Proteste wie aktuell gegen das Einreiseverbot an verschiedenen Flughäfen. Die Angriffe Trumps haben auch die Möglichkeit geschaffen, eine politische Kraft der ArbeiterInnenklasse gegen das „wild gewordene“ Kapital aufzubauen, weil die für Millionen zu einer praktischen Notwendigkeit geworden ist, wenn sie nicht zum Opfer des „Trump-Systems“ werden wollen.

Die Losung einer ArbeiterInnenpartei, einer Labor Party für die USA ist daher aktuell von entscheidender Bedeutung. Alle, die das umgehen oder eine klassenübergreifende, dritte Partei mit den Grünen als „Zwischenlösung“ betrachten, bleiben vor der politischen Schlüsselfrage auf halbem Weg stecken - eine Partei zu schaffen, die gegen Trump, die RepublikanerInnen und DemokratInnen die Interessen der großen Mehrheit der ArbeiterInnenklasse zum Ausdruck bringt. Die Forderung nach der Schaffung einer Labor Party richtet sich an die Gewerkschaften, an die Massenbewegung, aber auch an die verschiedenen Gruppierungen der US-amerikanischen Linken. So notwendig es ist, diese Forderung breit zu streuen, so darf die Initiative dafür nicht von der Zustimmung der Bürokratie in den Gewerkschaften oder den DemokratInnen nahe stehender BewegungsführerInnen abhängig gemacht werden. Es gilt vielmehr, das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist, und die Initiative dafür zu ergreifen. Genau das ist die Schlüsselaufgabe von RevolutionärInnen heute, die diese Aufforderung mit der Propagierung eines Aktionsprogramms verbinden müssten.

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Nr. 216, Februar 17

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*  Verschärfung rassistische Gesetze: Deutsche und europäische Flüchtlingsabwehr
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