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Ratschlag der Gewerkschaftslinken

Kampflos weiter zahlen für die Krise?

Frederik Haber, Neue Internationale 172, September 2012

Die Kapitalisten und ihre Regierungen in Deutschland und Europa sind entschlossen, ihre Krise und die ihres Systems auf Kosten der Arbeiterklasse, der Jugend, von MigrantInnen, Frauen u.a. Unterdrückten zu lösen. Und sie führen den Kampf um die schwindenden Profite auch untereinander. Die Stärkeren sichern sich auch hier größere Teile auf Kosten der Schwächeren.

Das deutsche Exportkapital war durchaus erfolgreich auf diesen Gebiet und konnte seine Position in Europa, die ohnehin schon durch Binnenmarkt und Euro verbessert war, in der Krise weiter auf Kosten der anderen europäischen Länder ausbauen. Merkels Vorgabe, von 2009 „gestärkt aus der Krise“ herauszukommen, hat sich weitgehend erfüllt - die Arbeiterklasse in Deutschland und Europa hat einen hohen Preis dafür gezahlt.

Bezahlt wurde dies nicht nur mit der Ausweitung von Niedriglöhnen und Reallohnverlusten, Leiharbeit u.a. prekärer Beschäftigung, sondern auch dadurch, dass die Kosten der Krise auf die schwächeren Volkswirtschaften, vor allem auf Südeuropa abgewälzt wurden, so dass etliche Länder vor dem Kollaps stehen. Die Rettung der Banken durch Steuermittel und Sozialkürzungen konnte zwar das Fließen von Krediten sichern, hat aber die Arbeitslosigkeit, v.a. bei der Jugend, auf den höchsten Stand aller Zeiten getrieben.

Das Profitieren der deutschen Volkswirtschaft auf Kosten der anderen konnte zwar einen kurzen Boom im Land erzeugen, doch auf dem Kontinent insgesamt hat die Krisenpolitik von Merkel und des deutschen Kapitals die Krise verschärft, zielt sie doch auf die Durchsetzung von Kürzungsprogrammen und darauf, die EU und die Eurozone zu einem imperialistischen Block unter deutscher Führung zu machen. Und da sind „Bedingungen“ an die Schuldnerstaaten ein Mittel, diesen auch eine Neuordnung im Interesse des deutschen Kapitals und Imperialismus aufzuzwingen.

Hinzu kommt, dass sich die globale Krise erneut verschärft - und damit auch auf Deutschland zurollt.

Die Krise kommt verschärft

Die Gewerkschaften in Deutschland sind darauf schlecht vorbereitet. Der Organisationsgrad ist auf einem historischen Tiefpunkt. Die Akzeptanz von Leiharbeit, Niedriglohn und Rente mit 67 durch die Gewerkschaften kommen kampflosen Niederlagen gleich. Schichten, die neu und erstmals in Kämpfe eingreifen, tun dies oft ohne die Erfahrung und Unterstützung der organisierten Arbeiterschaft, wie GebäudereinigerInnen, Flughafenbedienstete oder VerkäuferInnen erfahren mussten. LokführerInnen oder Luftverkehrsbeschäftigte werden von DGB-Gewerkschaften für ihre berechtigten Forderungen sogar angriffen.

Zur Spaltung der Klasse und der Belegschaften hat die nicht nur die betriebliche Standortpolitik beigetragen, sondern auch die Sicherung der Stammbelegschaften auf Kosten von Jungen, LeiharbeiterInnen und WerksverträglerInnen.

Die Politik des „Standorts Deutschland“ ist vom „internationalen Wettbewerb“ zur offenen Komplizenschaft mit Merkel gegen die griechischen u.a. südeuropäischen Lohnabhängigen gediehen. Aber die reaktionäre Hoffnung, dass dies die deutschen Kapitalisten dauerhaft von neuen Angriffen abhalten wird, ist ebenso trügerisch wie die Hoffnung, dass die mit dem deutschen Exportboom gesicherten Arbeitsplätze dauerhaft zu halten seien.

Jede nachhaltige Gewerkschaftspolitik muss mit Anpassung und Komplizenschaft Schluss machen und auf Mobilisierung, Entwicklung von Kampffähigkeit und Solidarität - zwischen Belegschaften, in der Branche und auf internationaler Ebene - setzen. Der Klassenkampf seitens des Kapitals wird zunehmen, daher müssen auch wir aus dem Widerstand dagegen, mit der Anwendung kämpferischer Methoden die Kraft und das Bewusstsein der Klasse neu entwickeln.

Dies wird nur in scharfem Konflikt mit den existierenden Führungen möglich sein. Er muss in den Organisationen stattfinden, in denen die Belegschaften organisiert sind und mit der Politik der Bürokratie konfrontiert sind. Er muss versuchen, kämpferische KollegInnen und Schichten mit einzubeziehen und er muss organisiert stattfinden. Zusammengefasst heißt das, eine klassenkämpferische, oppositionelle Basisbewegung aufzubauen.

Eine solche Bewegung/Opposition  kann nicht einfach verkündet oder proklamiert werden. Sie muss natürlich alle Differenzierungen und Möglichkeiten in den bestehenden Strukturen ausnutzen, kann sich aber auf keinen Fall von solchen Spielräumen abhängig machen. Die kämpferischen KollegInnen an der Basis - geschweige denn die Unorganisierten haben dazu schon jetzt keinen Zugang. Entscheidend ist, dass von den bereits bestehenden Netzwerken und Initiativen koordinierte Aktivitäten ausgehen und den Zielen und Methoden der Bürokraten Forderungen und alternative Aktionsschritte entgegengestellt werden.

Solche Aktivitäten sollten sein:

Zu den „Fairteilen“-Demos am 29. September in den Betrieben und bisher nicht beteiligten Gewerkschaften zu mobilisieren und deutlich zu machen: „Fair“ teilen kann nicht durch eine (einmalige) Vermögensabgabe erreicht werden. Nötig ist ein progressives Steuersystem mit deutlich höherem Spitzensatz und Entlastung aller Einkommen unter 60.000. Schluss mit der Plünderung der Sozialsysteme durch die Unternehmen! Kurzarbeit muss aus Unternehmenssteuern bezahlt werden! Verstaatlichung aller Betriebe und Banken, die entlassen oder öffentliche Hilfs-Gelder beanspruchen, und deren Fortführung unter Arbeiterkontrolle! Mindestlohn von 11 Euro/Stunde netto, Mindesteinkommen von 1.600 Euro!

Solidaritätsaktionen, immer wenn Generalstreiks in Griechenland, Spanien etc. stattfinden! Aufbau von lokalen Komitees, evtl. als Teil der Anti-Krisen-Bewegung! Aufrufe an die  Gewerkschaftsstrukturen, diese Kämpfe zu unterstützen!

Unterstützungskomitees für kämpfende Belegschaften und Branchen! Dabei müssen Linke immer auch an anhand der Erfahrungen der letzten Jahre aufzeigen, wie sich die Kämpfenden gegen den drohenden Ausverkauf durch die Bürokratie schützen können. Dazu sind selbstgewählte Aktionsausschlüsse, Beschlussfassung auf Vollversammlungen, Abstimmung über Forderungen und Ergebnisse durch die Betroffenen nötig.

Entscheidend ist jedoch, dass eine solche anti-bürokratische klassenkämpferische Basisbewegung auch für eine politische Antwort auf die Krise eintritt. In den Betrieben und Gewerkschaften gilt es, für einen gemeinsamen Kampf gegen die Krise, für Massenversammlungen, den Aufbau von Aktionskomitees und letztlich für politische Streikaktionen gegen die Krisenpolitik und die nächste Runde von Angriffen einzutreten.

Zudem gilt es, dass sich eine Basisbewegung nicht auf Forderungen zur Abwehr von Verschlechterungen und für Verbesserungen beschränken kann und darf. Sie muss unter den Lohnabhängigen auch deutlich machen, dass die gegenwärtige Krise des kapitalistischen Systems auch dazu führen muss, dass die Gewerkschaften von Organen der sozialdemokratisch geprägten   Klassenzusammenarbeit zu Organen des Kampfes gegen den Kapitalismus selbst werden müssen. Oder, wie es schon Karl Marx in seiner Schrift „Lohn, Preis, Profit“ trefflich formulierte:

“Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen unsachgemäßen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.”

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Nr. 172, September 2012
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