Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Südafrika

Polizei-Massaker an streikenden ArbeiterInnen

Peter Lenz, Infomail 638, 21. August 2012

Ein Video zeigt südafrikanische Polizisten, die wild in eine Menschenmenge schießen. Als sich der durch die Schüsse aufgewirbelte Staub legt, sieht man viele menschliche Körper leblos liegen. Die Polizisten prüfen, ob sie auch wirklich tot sind. Der Nachrichtensprecher erklärt, dass die südafrikanischen Polizisten in Selbstverteidigung gehandelt hätten und dabei mindestens 34 Streikende töten mussten. Mehr als 78 Menschen wurden verletzt. 250 Streikende wurden verhaftet. 10 Menschen waren bei gewaltsamen Protesten schon vorher getötet worden.

Worum geht es?

In der Platin-Mine Marikana der Firma Lonmin, dem weltweit drittgrößten Platin-Produzenten, haben die ArbeiterInnen gefordert, dass ihre kümmerlichen Löhne von ca. 400 Euro auf 1.200 Euro angehoben werden. Die vom Betriebs-Management anerkannte Gewerkschaft NUM, Teil des Gewerkschaftsdachverbandes COSATU, hatte diesen niedrigen Tarif unterschrieben und wandte sich gegen die Forderungen.

Immer mehr ArbeiterInnen hatten sich der neuen Gewerkschaft AMCU angeschlossen, die von ehemaligen NUM-Funktionären gegründet wurde. Aktuell ist etwa ein Drittel der Belegschaft in der AMCU organisiert. Anfang August traten die Bergleute in den Streik, vor einigen Tagen besetzten sie die Mine.

Von Anfang an versuchten Wachleute und NUM-Funktionäre, den Streik zu brechen. Es kam zu tödlichen Auseinandersetzungen. Letzte Woche schickte die Regierung 3.000 Polizisten und Spezialeinheiten zur Platin-Grube nahe Rutenburg. Der Auftrag war klar: die Besetzung der Grube zu beenden, da der Konzern Lonmin über sinkende Gewinne und Börsenkurse klagte. Weil die Streikenden die Aufforderung zum Streikabbruch nicht hinnahmen, kam es erst zum Angriff mit Tränengas, dann wurde in die demonstrierende Menge scharf geschossen.

Alle Welt konnte sehen, dass dies keine „Notwehr“ von PolizistInnen war, sondern ein Massaker im Dienste des Kapitals. In der Tat steht die Profitrate der Platinminen unter Druck. Der Preis für Platin als hauptsächlich technisch verwertbares Metall ist Aufgrund der Schwankungen oder gar Einbrüche im Umsatz ihrer Hauptabnehmer in der Autoindustrie unter Druck geraten. Die Platinminen-Kapitalisten wollen eine Senkung ihrer Profite mit aller Macht vermeiden. Deshalb wirken sie auf die Regierung Südafrikas ein, um jede Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne in den Minen zu unterbinden.

Verrat der Gewerkschaftsbürokraten und Stalinisten

Dabei hat die Regierung Südafrikas, die vom ANC (African National Congress) geführt wird, willige HelferInnen. Zum einen die Gewerkschaftsbürokratie in der NUM und im Dachverband COSATU. Das Verhalten dieser „Arbeiterführer“, die mehr mit Regierung und Bossen gemein haben, als mit den ArbeiterInnen und Angestellten, die sie angeblich vertreten, ist bei weitem kein Einzelfall.

Im Kampf gegen die Apartheid hatten die NUM u.a. Gewerkschaften eine herausragende und heroische Rolle gespielt. Doch in den letzten Jahrzehnten wurden sie mehr und bürokratisiert und in das Regime des südafrikanischen Staates eingebunden. Ein entscheidender Faktor dafür war zweifellos ihre politische Bindung an den ANC - und damit an den Erhalt des immer stärker von der Krise erschütterten südafrikanischen Kapitalismus.

Die stalinistische SAPC ließ über ihren Regionalverband fordern, die Streikführer und Vorsitzenden der AMCU, Mathunjwa and Steve Kholekile, festzunehmen. So heißt es in einer Presseerklärung:

„Wir nehmen Mathunjwa und Steve Kholekile fest als Basis für die Stabilität in den Minen in Rutenburg und setzen ein präsidiales Untersuchungsteam ein, erklärt die SACP North West.“ (http://www.sacp.org.za/main.php?ID=3722).

Das zeigt die ganze Verkommenheit der Stalinisten auch in Südafrika, deren pseudo-revolutionäre Rhetorik sich in der Realität als staatstragend und gegen die ArbeiterInnen gerichtet erweist.

Die NUM, die noch den größten Teil der südafrikanischen BergarbeiterInnen organisiert, gerät wegen ihrer Nähe zum Staatsapparat und dessen kapitalfreundliche Politik zunehmend unter Druck. Schon Trotzki analysierte diese allgemeine Tendenz, dass die von Reformisten o.a. konter-revolutionären Kräften geführten Gewerkschaftsapparate zu PolizistInnen innerhalb der Arbeiterbewegung verkommen.

Deshalb organisieren sich immer mehr ArbeiterInnen in neuen, radikaleren Gewerkschaftsverbänden, deshalb gibt es auch Unmut an der Basis, die zu Abspaltungstendenzen führt. Das ist eine Entwicklung, die schon seit über 12 Jahren stattfindet. Vor über 10 Jahren hatte die Gruppe Arbeitermacht den Streik einer oppositionellen Gewerkschaft bei einem Kampf bei VW Uitenhage unterstützt und GewerkschafterInnen bei ihrer Tour durch Europa geholfen.

Die Spaltung der Gewerkschaftsbewegung ist aber ein ernsthaftes Problem der südafrikanischen Arbeiterbewegung, das voll und ganz von ReformistInnen und StalinistInnen verursacht wird.

Opposition

Anders als die Stalinisten äußert sich der ausgeschlossene Führer der ANC-Jugend, Malema. Er beschuldigte Präsident Jacob Zuma und Polizeiminister Nathi Mthethwa, für die Gewalt und die Ermordung der BergarbeiterInnen verantwortlich zu sein und forderte deren Rücktritt.

Das Verhalten des ANC, von NUM und COSATU-Bürokratie sowie der stalinistischen KP müssen von GewerkschafterInnen, von ArbeiterInnen und der Linken in Südafrika wie auf der ganzen Welt politisch entschieden verurteilt werden.

Für diese Verbrechen an der Arbeiterklasse kann es keine Entschuldigung geben. Die Verantwortlichen für das Massaker müssen vielmehr zur Rechenschaft gezogen, die Funktionäre, die zum Streikbruch aufriefen, die Staatsgewalt unterstützten und verteidigten, müssen aus den Reihen der Arbeiterbewegung gejagt werden.

Folgerungen

Die Ereignisse in Südafrika sind ein weiteres Beispiel, dass die Arbeiterklasse sich weltweit gegen ihre sich verschlechternden Lebensbedingungen auflehnt und das auch zunehmend militant durchzusetzen versucht - aber ohne revolutionäre Parteien, die eine klare Vorstellung von Arbeitermilizen und Arbeiterräten, vom Weg vom Widerstand zur Revolution haben. Es fehlt, kurz gesagt, eine Partei und eine Internationale auf Grundlage eines revolutionären Programms.

Die Ereignisse sind auch ein Vorzeichen dessen, was bevorsteht, wenn sich die steigenden Nahrungsmittelpreise weltweit auf die schon durch die Krise der letzten Jahre gebeutelten Massen auswirken. So ist z.B. eine deutliche Erhöhung der Getreide- und damit der Brotpreise zu erwarten.

Klassenkämpferische und revolutionäre Kräfte in Südafrika müssen umgehend an die Gründung einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse auf Grundlage eines revolutionären Programms gehen. Dabei muss auch diskutiert werden, wie die Arbeit in neu gegründeten Gewerkschaften mit dem Kampf innerhalb der COSATU-Gewerkschaften kombiniert werden kann.

Dabei sollte im Mittelpunkt stehen, wie verhindert werden kann, dass internationale Konzerne immer noch die Ressourcen des rohstoffreichen Südafrika ausplündern können. Mit anderen Worten, wie eine Verstaatlichung von Unternehmen unter Arbeiterkontrolle erkämpft werden kann. Selbst die COSATU vermutet, dass die internationalen Konzerne bei der Wertfeststellung des Platins tricksen.

Die systematische Anwendung brachialer Gewalt seitens des Staatsapparates macht die Diskussion um eine effiziente Selbstverteidigung, von Streikposten bis hin zu Arbeitermilizen, unabdingbar. Wer dies nicht sieht, handelt unverantwortlich.

Die NUM hat zu einer Forcierung von Gewalt beigetragen und kooperiert mit den Polizeikräften. Die Unterstützung der oppositionellen AMCU ist  daher gerechtfertigt. Die Basismitglieder der NUM müssen zum Bruch mit der Politik ihrer Führung aufgefordert und dabei unterstützt werden. Wir fordern:

Sofortiger Abzug der Polizei und des Werkschutzes aus den Bergwerken!

Bestrafung der für das Massaker verantwortlichen Polizei- und Regierungsbeamten!

Freilassung aller inhaftierten ArbeiterInnen! Entschädigung für die Familien der Getöteten!

Die Verantwortlichen der Firma Lonmin haben den Streik für „illegal“ erklärt und bedrohen die streikenden ArbeiterInnen mit Entlassung. Aber die  elementaren Forderungen der Minenarbeiter müssen erfüllt werden: ein Lohn von 12.500 Rands (1.200 Euro) monatlich, bessere Arbeitsbedingungen und Kürzung der Wochenarbeitszeit sowie Verbesserung der Sicherheit in den Bergwerken. Diese Forderungen sollten mit dem Kampf um entschädigungslose Enteignung der gesamten Bergbauindustrie unter Arbeiterkontrolle verbunden werden. Um diesen Kampf zu führen, ist die Unterstützung und Ausweitung des Streikes nötig.

Dazu müssen die Basismitglieder in NUM und COSATU Massenversammlungen der Mitglieder erzwingen und organisieren, um die Verräter und Streikbrecher in ihren Reihen zur Verantwortung zu ziehen. Durch solche Versammlungen soll die Unterstützung der Streikenden durch unbefristete politische Streiks - wenn nötig bis hin zum Generalstreik - beschlossen werden und der Kampf mit dem Kampf für einen Mindestlohn, der die Lebenshaltungskosten deckt, verbunden werden.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 172, September 2012
*  Ratschlag der Gewerkschaftslinken: Kampflos weiter zahlen für die Krise?
*  Heile Welt
*  Verdi-Aufruf: Welche Perspektive?
*  Sozialer Protest: Aktionstag UmFAIRteilen
*  Öffentlicher Dienst in Berlin: Stopp den Stellenstreichungen
*  Linkspartei: Neuer Vorstand - alte Politik
*  Bundeswehreinsatz im Inneren: Für den Ernstfall
*  Wirtschaftliche Entwicklung in Europa: Rezession, Krise, Arbeitslosigkeit
*  Klassenkampf: Wie europaweiten Widerstand organisieren?
*  Perspektive: Wer kann Europa vereinen?
*  Syrien: Revolution in einem entscheidenden Stadium
*  Südafrika: Massaker an Streikenden
*  Russland: Pussy Riot fucks Putin



Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::