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NRW und die Politik der Linkspartei

Bock oder Gärtner?

Eugen Hardt, Neue Internationale 151, Juli/August 2010

Vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte die Spitze der Linkspartei stets ihre Bereitschaft zur Regierungsbeteiligung hervorgehoben, sofern die SPD zu einem „echten Politikwechsel“ bereit sei. Sie ließ aber offen, was genau darunter zu verstehen sei.

Insbesondere in NRW verstand die Linkspartei darunter den Verzicht auf Entlassungen und Sozialabbau, während die Spitze der Bundespartei darunter die Bereitschaft der SPD verstand, im Bundesrat die Verabschiedung von Kopfpauschale und Sparpaket zu verhindern.

Bei den Sondierungsgesprächen wurde die LINKE dann von SPD-Chefin Kraft kalt erwischt. Diese machte ein Bekenntnis zum Antikommunismus zur Voraussetzung jeglicher Gespräche über landespolitische Inhalte. Die LINKE müsse unterschreiben, dass die DDR ein „Unrechtstaat“ gewesen sei. Die SPD versuchte so, einen Keil in die LINKE zu treiben und die Widersprüche zwischen dem sozialdemokratischen Westteil der LINKEN und dem poststalinistischen Ostteil zu verschärfen.

Diese Versuche hätte sie zurückzuweisen und die SPD auf die Verwirklichung ihrer Wahlversprechen festnageln müssen, indem man sie schlicht aufforderte, ihr eigenes Wahlprogramm umzusetzen.

Denn dazu war die SPD in keiner Weise bereit. Immer wieder erklärte Kraft, am liebsten mit der FDP koalieren zu wollen, also dem reaktionärsten Teil der Bürgerblocks, der mit politischen Forderungen angetreten war, die dem Wahlprogramm der SPD diametral entgegengesetzt waren. Die Ampel scheiterte dann wegen des Einspruchs der Bundes-FDP trotz aller Avancen der SPD.

Auch eine Große Koalition scheiterte nicht etwa an inhaltlichen Gegensätzen, sondern allein daran, dass die CDU nicht bereit war, Kraft als Ministerpräsidentin zu akzeptieren.

Dissonanzen in der SPD

Nun erklärte die rechte Kraft-Beton-SPD, sie lehne die verbleibende Möglichkeit einer Minderheitsregierung mit den Grünen ab und wolle versuchen, aus der Opposition heraus ihre Ziele durchzusetzen. Dies stieß dann allerdings auf den Unmut der Bundes-SPD, weil in dieser Konstruktion Rüttgers die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat aufrechterhalten hätte und so der Bundes-SPD der Weg verbaut gewesen wäre, eine de-fakto große Koalition mit CDU und FDP zu installieren.

Kraft wurde zu einer 180-Grad Kehrtwende veranlasst und musste erklären, nun doch eine Minderheitsregierung anzustreben.

Daraufhin erklärte die LINKE, Kraft bedingungslos zur Ministerpräsidentin wählen zu wollen. Sie verhielt sich wie ein Liebhaber, der alle Zurückweisungen konsequent ignoriert und der Angebeteten unverdrossen einen Heiratsantrag nach dem anderen macht  - gleich, wie sie ihn demütigt und vorführt.

Bei der Wahl des Bundespräsidenten wurde dann deutlich, dass Krafts Taktik, die LINKE mit der Forderung, sich antikommunistisch von der DDR zu distanzieren, keine isolierte Vorgehensweise in NRW war. Mit der Präsentation von Gauck, der sich offen zum Afghanistankrieg, zum antisozialen Sparpaket und zum Antikommunismus bekannte, wurde erneut versucht, die LINKE vorzuführen und als „politikunfähig“ hinzustellen - um eine gemeinsame Front gegen Schwarz-Gelb zu blockieren. Grünen-Politikern Künast erklärte: "Wenn sich daran (der Politikunfähigkeit) nichts Grundlegendes ändert, wird sich die Frage einer rot-rot-grünen Regierung im Jahr 2013 nicht stellen".

Unter „politikunfähig“ versteht die SPD die mangelnde Bereitschaft der LINKEN, sich offen für den imperialistischen Krieg und scharfe Angriffe auf die Arbeiterklasse auszusprechen. Sie weist ein ums andere Mal daraufhin, dass sie an der Schröderschen Agendapolitik festhalten will, dass sie kein Problem damit hat, den „systemrelevanten“ Banken hunderte von Milliarden Euro zukommen zu lassen, um die so geleerten Kassen mit massiven Sparmassnahmen bei den ArbeiterInnen und Erwerbslosen wieder aufzufüllen. Auch die forcierte Beteiligung an imperialistischen Kriegen wie in Afghanistan gehört für die SPD zur Staatsräson.

Sie lässt keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei der von vielen ihrer Wähler erhofften Einheit der Opposition gegen Schwarz-Gelb um eine Fiktion handelt. Sie ist absolut nicht gewillt, im Bundesrat die geplanten Angriffe gegen die ArbeiterInnen zu blockieren, sie möchte eine Blockademehrheit im Bundesrat allein dazu nutzen, machtpolitisch wieder mehr mitzureden.

DIE LINKE

Anstatt dass die LINKE Rot-Grün gegenüber ihren Wählern als Verfechter des gleichen Programms antisozialer Angriffe hinstellt und sie entlarvt, anstatt dass sie klarmacht, dass es die SPD und die Grünen sind, die alle Möglichkeiten zur Verhinderung von Kopfpauschale, Sozialkürzungen und Entlassungen verunmöglicht, biedert sie sich immer peinlicher der SPD an.

Die LINKE wählte Gauck zwar nicht. Doch der rechtere, ostdeutsche Flügel der LINKEN hatte sich sehr wohl für die Wahl Gaucks ausgesprochen ebenso wie die - rechte - Hälfte der Bundestagsfraktion der LINKEN für „humanitäre“ Kriegseinsätze im Sudan.

SPD-Chef Gabriel setzte jetzt nach und bot der LINKEN offen gleich eine Koalition auf Bundesebene an - sofern die LINKE bereit ist, den Kriegs- und Kürzungskurs mit zu tragen. Nachdem Klaus Ernst einen „Neustart“ der Opposition mittels eines „Oppositionsgipfels“ gefordert hatte, wies Gabriel den Vorschlag, gemeinsam Politik gegen die Regierungskoalition zu machen, brüsk zurück und erklärte: „Statt den inneren Kampf zwischen Reformern und Betonkommunisten in der Linkspartei auszutragen, sucht Klaus Ernst mal wieder einen äußeren Feind.“

Ernst und andere hätten nicht den Mut zu klären, für was ihre Partei stehen solle: für die Vergangenheit als SED-Nachfolgepartei oder für die Zukunft als demokratische Reformpartei. Gabriel forderte, die Linkspartei müsse "endlich um die Zukunft ihrer Partei kämpfen, statt die Vergangenheit zu beschönigen".

So ist die SPD dabei, die Linkspartei vor sich herzutreiben, indem sie dem rechten Flügel der „Pragmatiker“ eine Zusammenarbeit anbietet, die nach ihren Vorstellungen so aussehen soll wie die in der Berliner Landesregierung, in der sich die LINKE als Vorreiter von Sozialkürzungen, Privatisierungen und Entlassungen als „regierungsfähig“ und staatstragend erwiesen hat. Ganz offen ermuntert sie diese, in erster Linie ostdeutschen Kräfte, in der LINKEN die sozialdemokratischen und linken Teile der Partei im Westen zu dominieren und lockt mit einer Machtbeteiligung im Bund.

Alternative oder Zwilling?

Darauf reagiert die LINKE mit politischer Paralyse (Bundespräsidentenwahl) sowie verzweifelten hilflosen Appellen, „die gemeinsame historische Chance“ wahrzunehmen und die Sozialkürzungen zu stoppen. Nicht sie ist es, die die SPD vorführt, sie an ihren Wahlversprechungen misst und ihren „linken“ Flügel so für einen „wirklichen Politikwechsel“ gewinnt, sondern die SPD schafft es in provokanter Offenheit, die Widersprüche der LINKEN auszunutzen. Die LINKE hatte und hat die Chance, durch eine aktive, auf Mobilisierungen gerichtete Politik, gegen die Sparmaßnahmen zu kämpfen.

Eine solche Ausrichtung könnte tatsächlich Millionen von enttäuschten ehemaligen SPD-Arbeiter-WählerInnen zu gewinnen und das linkere Milieu der SPD anzuziehen.

Doch statt klarer Kritik an der SPD und ihrem Kurs passt sich die LINKE immer wieder an und laviert. Damit - und mehr noch durch ihre systemimmanente Mitregiererei auf Landes- und Kommunalebene - erweist sie sich nicht als Alternative zur SPD und zum Kapitalismus - sie erweist sich immer mehr nur als Zwilling der SPD und politischer Lakai dieses Systems.

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Nr. 151, Juli/Aug. 2010
*  Politische Lage: Regieren in der Krise
*  Heile Welt
*  Krisenfolgen: Kommunaler Kollaps
*  Alternative: Gewerkschaftsbürokratie fordert Ausschluss
*  Protest gegen Stuttgart 21: Oben bleiben!
*  6.-8. August: Bildungsstreikkonferenz
*  NRW und die Politik der Linkspartei: Bock oder Gärtner?
*  Frauenunterdrückung und Hausarbeit: Aschenputtels Arbeit
*  Kolonialpolitik: Weisse Herrinnen
*  China: Ein neuer Imperialismus
*  Europäisches Sozialforum: Verwesung oder Genesung?
*  Wahlen in Belgien, Ungarn und den Niederlanden: Stoppt den Vormarsch der Rechten in Europa!