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Alternative

Gewerkschaftsbürokratie forciert Ausschluss

Markus Lehner, Neue Internationale 151, Juli/August 2010

Der Konflikt zwischen der IG Metall-Führung und der oppositionellen Liste „Alternative“ bei Daimler in Berlin-Marienfelde eskaliert weiter. Nach der Empfehlung der Untersuchungskommission vom 25. Juni, drei KollegInnen (Mustafa Efe, Martin Franke, Fehmiye Utku) aus der IG Metall auszuschließen und 15 weiteren KollegInnen eine Rüge zu erteilen, entscheidet nun der Ortsvorstand der IG Metall bzw. in letzter Instanz der Vorstand in Frankfurt/Main über diese Empfehlungen.

Zur Erinnerung: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen im Betrieb (z.B. zur ERA-Einführung bzw. zur Verzichtspolitik rund um „Beschäftigungssicherungs“-Deals der Betriebsratsmehrheit) haben sich mehrere Betriebs- und Vertrauensleute im Daimler-Werk Berlin-Marienfelde vor der Betriebsratswahl für eine Kursänderung der IG Metall-Betriebsratsliste eingesetzt.

Nachdem die Betriebsratsspitze mit etlichen Tricks eine entsprechende Vertretung der Opposition in der offiziellen IG Metall Liste verhindert hatte, entschlossen sich die KollegInnen zu einer Eigenkandidatur auf einer nicht-offiziellen Liste von IG MetallerInnen mit dem Namen „Alternative“.

Diese erhielt bei den Betriebsratswahlen 25%. Daraufhin wurde von einigen IGM-Funktionären von Daimler ein Ausschlussverfahren aus der IG Metall gegen jene IGM-Mitglieder, die für die „Alternative“ kandidiert haben, beantragt. Laut Satzung der IG Metall ist eine Gegenkandidatur zur offiziellen IG Metall-Liste nicht zulässig - der Ausschlussantrag bezichtigt die Unterstützer der „Alternative“ demgemäß des „gewerkschaftsschädigenden Verhaltens“.

Der Ortsvorstand der Berliner IG Metall hat diesen Antrag für zulässig erklärt und demgemäß eine Untersuchungskommission eingerichtet, die aus 2 Beisitzern der Antragsseite, 2 Beisitzern der „Alternative“-Seite und einem „unabhängigen“ Funktionär (hier einem Mitglied der Bezirksleitung) besteht. Diese Komission hat mit drei zu zwei Stimmen kurz und knapp die Position bestätigt, dass die „Alternative“-Kollegen gewerkschaftsschädigend vorgegangen seien.

Wer und was ist gewerkschaftsschädigend?

Als Begründung wurde dabei nur angeführt, dass die Eigenkandidatur gegen die ausdrückliche Anweisung des Ortsvorstandes durchgeführt wurde, angebliche Gesprächsangebote ausgeschlagen worden wären und durch die Kandidatur von Nicht-IG-Metall-Mitgliedern auf der Liste die „spalterische Absicht (...) eindeutig ersichtlich“ sei. Letzteres ist besonders zynisch, da besagten Nicht-Mitgliedern seit Beginn des Konflikts der Eintritt in die IG Metall verwehrt wurde, indem ihre Eintrittsanträge nicht behandelt wurden.

Dass die Eigenkandidatur der „Alternative“ ein besonders schwerer Fall von „gewerkschaftsschädigendem“ Verhalten sein soll, ist an sich schon schwer nachvollziehbar. Nicht nur, dass es etliche Betriebe gibt, wo mehrere IG Metall-Listen oder Listen von DGB-Gewerkschaften  gegeneinander kandidieren, ohne dass dies in den letzten Jahren zu irgendwelchen Konsequenzen geführt hat. Tatsächlich gewerkschaftsschädigendes Verhalten, wie jenes der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der großen Autokonzerne während des 35-Stunden-Streiks in den Ost-Bezirken wurde ja genausowenig geahndet, wie man auch einem Peter Hartz nie die IG Metall-Mitgliedschaft in Frage stellte. Offenbar sind diese Satzungsargumente vorgeschoben. Tatsächlich geht es darum, eine ernsthafte Opposition in Zeiten des verstärkten Co-Managements mundtot zu machen.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Beschlusses der Untersuchungskommission kamen bei einer Kundgebung vor dem Berliner IG Metall-Haus 170 KollegInnen vornehmlich aus dem Daimler-Werk zusammen. Aber auch aus anderen Betrieben (BSH, Ford/Visteon, BMW etc.) kamen Solidaritätsdelegationen. Innerbetrieblich wird von de KollegInnen eine sofortige Mitgliederversammlung gefordert, um die Hintergründe des Verfahrens zu diskutieren.

Welche Mehrheit?

Gleichzeitig wird in Berliner Metall-Betrieben ein Brief von 19 Funktionären herumgereicht, in denen diese (in Reaktion auf einen Solidaritätsbrief von Bodo Zeuner u.a.) sich gegen „einseitige Solidaritätserklärungen“ verwehren, vor „Übertreibungen“ warnen und die „Rechte der Mehrheit“ vor dem eigensinnigen Agieren einer Minderheit betonen.

Leider wollen sie diese „Mehrheit“ weder in Form von Mitgliederversammlungen, noch in Form von öffentlichen Veranstaltungen zu diesem Fall tatsächlich befragen oder zu Wort kommen lassen. Auch hatten sie ihre Beschwichtigungen gerade herausgebracht, als sie auch schon mit dem Beschluss der Untersuchungskomission von der Realität eingeholt wurden.

Gerade die Kollegen, die hier immer noch an einen ernsthaften Vermittlungsversuch und an ein faires Verfahren glauben, sollten jetzt eines besseren belehrt sein und klar gegen die Ausschlüsse Stellung beziehen. Daher fordert das Solidaritätskomitee vom Berliner Ortsvorstand die öffentliche Diskussion um das Verfahren - und keine Entscheidung, bevor solche Veranstaltungen stattgefunden haben.

Da der Ortsvorstand der IG Metall bereits Ende Juli eine Entscheidung treffen könnte, sind dringend Solidaritätserklärungen - möglichst von betrieblichen Gremien - notwendig!

Solidarität mit Mustafa Efe, Martin Franke, Fehmiye Utku!

Protestbriefe, Fax oder Mails gegen den drohenden Ausschluss an:

IG Metall Berlin, Alte Jakobstraße 149, 10969 Berlin, Fax: +49 30 253 87 – 200,

E-Mail: berlin@igmetall.de

Arno Hager, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, arno.hager@igmetall.de

Klaus Abel, 2. Bevollmächtigter der IG Metall Berlin, klaus.abel@igmetall.de

IG Metall Vorstand, 60519 Frankfurt, Fax: +49 69 6693-2843

Berthold Huber, Vorsitzender der IG Metall, 60519 Frankfurt,

berthold.huber@igmetall.de

Detlef Wetzel, stellvertretender Vorsitzender der IG Metall, 60519 Frankfurt,

detelf.wetzel@igmetall.de

Eine Kopie bitte an email: soli_mit_alternative@yahoo.de

Weitere Infos und Materialien: www.solikreis.blogspot.com; www.labournet.de

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Nr. 151, Juli/Aug. 2010
*  Politische Lage: Regieren in der Krise
*  Heile Welt
*  Krisenfolgen: Kommunaler Kollaps
*  Alternative: Gewerkschaftsbürokratie fordert Ausschluss
*  Protest gegen Stuttgart 21: Oben bleiben!
*  6.-8. August: Bildungsstreikkonferenz
*  NRW und die Politik der Linkspartei: Bock oder Gärtner?
*  Frauenunterdrückung und Hausarbeit: Aschenputtels Arbeit
*  Kolonialpolitik: Weisse Herrinnen
*  China: Ein neuer Imperialismus
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*  Wahlen in Belgien, Ungarn und den Niederlanden: Stoppt den Vormarsch der Rechten in Europa!