Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Mahle Alzenau

Kämpferische Stimmung - aber wie weiter?

Frederik Haber, Neue Internationale 139, Mai 2009

Seit vier Wochen weiß die Belegschaft des Auto-Zulieferers in Alzenau, dass sie entlassen werden soll. Seitdem hat sie heftig mobilisiert: Zum Ostermarsch kamen fast 1.000, am 18.4. zur Demonstration und Kundgebung in Alzenau 3.000. Betriebsräte, Vertrauensleute und viele aktive Beschäftigte haben vor Ort tatsächlich Belegschaften anderer Betriebe und Teile der Bevölkerung auf die Beine gebracht. Ihr Motto wurde wahr: Eine Region steht auf!

Die Aufsichtsratssitzung am 23.4. sollte jetzt die Gelegenheit sein, den gesamten Konzern zu mobilisieren. Ein europaweiter Aktionstag wurde ausgerufen, der sich auch gegen die Schließungen von Werken in Italien, Frankreich und England sowie den Personalabbau in Polen, Österreich und Spanien richten sollte. Der Tag der Aufsichtsratssitzung war gewählt worden, um an dieses Gremium zu appellieren, Alzenau nicht aufzugeben.

Natürlich hat das dieses Gremium nicht beeindruckt. Mahle ist zwar keine Aktiengesellschaft, es gibt keine „Shareholder“, sondern die Anteile liegen bei einer Stiftung, aber die Interessen des Kapitals werden von Managern anderer Betriebe „beaufsichtigt“. Abgesehen davon, dass diese Stiftung jährlich einige Millionen für soziale Zwecke bekommt, handeln Konzernführung und Aufsichtsrat genauso brutal und profitorientiert wie jeder andere Kapitalist. Das sollte all denen, welche die „Shareholdervalue“ als besonders gefährlich anklagen, zu denken geben! Zweitens zeigt das, dass die Appelle gerade auch der Alzenauer an den „Stiftungsgedanken“ der Firmengründer - "Unternehmensziel ist ... die Erhaltung der Arbeitplätze" - hohl und hilflos sind.

Es kamen viele Busse aus Mahle-Standorten nach Stuttgart, aber es kamen weit weniger als bei ähnlichen Gelegenheiten vor Jahren. Schuld sei die Kurzarbeit, war z.B. von Stuttgarter Mahle-Beschäftigten zu hören. Andererseits war die Stimmung kämpferisch, auch bei den Rednern. Sowohl Dünnemeier von der IG Metall-Bezirksleitung als auch Hofmeier vom Gesamtbetriebsrat griffen die Entscheidung der Konzernführung an. Aber an Perspektive hatten sie nur die Ausdehnung der Kurzarbeit auf 100%, Beschäftigungsgesellschaften und die „Einführung neuer Produkte“ zu bieten. Letzteres klingt angesichts der Auto- und Klimakrise besonders "zukunftsorientiert“. Aber wie die Unternehmen dazu gezwungen werden könnten, verrieten diese Herren nicht.

Die Alzenauer, wie alle anderen Mahle-Belegschaften, die ebenfalls bedroht sind, müssen sich fragen, ob ihnen die Perspektive Kurzarbeit Null und Beschäftigungsgesellschaft wirklich reicht? Ihren Kampfeswillen zeigten sie am 23.4. auch damit, dass einige versuchten, die nahe Bundesstrasse zu blockieren. Was vor Jahren noch spontan funktionierte und den Verkehr kurzfristig zum Stillstand brachte und über Stunden verzögerte, das scheiterte diesmal an Ordnern aus anderen Mahle-Belegschaften. Die Demonstranten waren gespalten.

Spaltung

Die Aktion scheiterte offensichtlich an einer Absprache. Das unterstreicht, wie notwendig eine  demokratische und koordinierte Aktionsplanung durch Aktionskomitees ist. Die Gefahr der Spaltung ist aber weiterhin gegeben. Schon bisher hat die Geschäftsleitung alles unternommen, um Alzenau von anderen Standorten zu isolieren.

Es wurde als Verlustbringer gebrandmarkt, die Betriebsräte wurden provoziert und dann als Quertreiber hingestellt. Zuletzt wurden sie dafür angegriffen, dass sie keine Kurzarbeit einführen würden. Dazu kann man dem Alzenauer Betriebsrat jedoch nur beglückwünschen, denn nachdem ihm und der Belegschaft der Kündigungsschutz verweigert worden war, den alle anderen Werke erhalten haben, wäre eine Zustimmung zur Kurzarbeit fatal gewesen. Vielmehr muss sich der Alzenauer Betriebsrat fragen lassen, warum er nach der Verweigerung des Kündigungsschutzes nicht sofort Kampfmassnahmen eingeleitet hat?!

Das neueste Spaltungsschema der Personalleitung von Mahle maskiert sich nun als Angebot, die AlzenauerInnen für 18, oder nach einer möglichen Gesetzesänderung für 24 Monate, in Kurzarbeit Null zu schicken, bevor Beschäftigungsgesellschaft und Sozialplan greifen. Der endgültige Schließungsbeschluss für Alzenau würde für zwei Jahre ausgesetzt.  Dafür soll aber für alle 9.000 Beschäftigten in Deutschland die Lohnerhöhung von 2,1% von Mai auf November 2009 verschoben werden - ein prima Geschäft für die Firma, die so rund 5 Millionen einsparen könnte und die Kosten voll auf die Arbeitslosenversicherung würde: ein Strohhalm für die Alzenauer und Verzicht für den Rest.

Es kann nur eine Antwort geben, und die muss zu allererst aus Alzenau kommen: NEIN!

Dass NEIN allein reicht natürlich nicht. Für die Belegschaften von Mahle u.a. Betrieben in ähnlicher Lage gibt es nur eine wirkliche, unmittelbare Kampfperspektive: die Betriebsbesetzung! So kann ein schleichende Zermürbung einer kämpferischen Belegschaft verhindert und der besetzte Betrieb zum Ausgangspunkt für die eigene Organisierung werden. Solange der Betrieb verteidigt wird, ermutigt er andere, das Gleiche zu tun. Er wird vom Ort der Ausbeutung zum Ort der Arbeiterdemokratie und des selbstbestimmten Kampfes statt der Spaltung durch Personalchefs oder Konzernführer und der Irreführung durch Gesamtbetriebsräte und Bezirkleitungen der Gewerkschaft. So wird der Betrieb zur Zentrale für den Aufbau einer von der Basis kontrollierten und auf täglichen Versammlungen gewählten und verantwortlichen Kampfführung, für den Aufbau lokaler Aktionskomitees, die Ausweitung der Aktion auf andere Standorte.

Perspektive

Erfolgreich gekämpft und ein Teilzugeständnis herausgeholt haben übrigens die Mahle-KollegInnen in Spanien. Dort führte ein zweiwöchiger Streik dazu, dass die Entlassungszahlen halbiert wurden. Auch Daimler in Stuttgart spürte die Auswirkungen. Aber auch das Werk in Argentinien wurde am 25.4. kurzfristig besetzt, um eine Verlagerung nach Brasilien zu verhindern.

Wir fordern die Betriebsratsspitzen und die IG Metall auf, einen solchen Kurs zu unterstützen! Schluss mit der Orientierung auf fruchtlose und perspektivlose Verhandlungen um die „Angebote“ der Bosse! Letztlich sind die Probleme von Betrieben wie Mahle in der gegenwärtigen fundamentalen Wirtschaftskrise „einzelbetrieblich“ nicht zu lösen. Nur eine einschädigungslose Enteignung (einschließlich des „Stiftungsvermögens“), die Verstaatlichung und Reorganisation der Produktion unter Arbeiterkontrolle können eine Perspektive weisen und eine Alternative zur Arbeitslosigkeit bieten.

Dazu ist ein Abwehrkampf der ganzen Klasse notwendig, der den Kampf für ummittelbare und Übergangsforderungen - politischer Generalstreik, Enteignung der großen Konzerne, planwirtschaftliche Reorganisation gemäß den Bedürfnissen der Bevölkerung, eine anti-kapitalistische Arbeiterregierung notwendig, die sich auf die Kampforgane der Klasse stützt, nicht auf den bürgerlichen Parlamentarismus - mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet.

Eine einzelne Betriebsbesetzung würde das natürlich nicht lösen. Doch ein Anfang wäre sie allemal.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 139, Mai 2009
*  Erster Mai 2009: Gegen Krise, Krieg und Kapital!
*  Heile Welt
*  DGB-Gewerkschaften: Wo bleibt die soziale Unruhe?
*  Mahle Alzenau: Kämpferische Stimmung - aber wie weiter?
*  Politikerauftritte: Seehofer, SPD und der Rest
*  Mahle Argentinien: Besetzung in Rosario
*  Betriebsbesetzungen: Arbeitermacht in Bellinzona
*  Resümee NATO-Gipfel: Böller, Weihrauch, Tränengas
*  Thailand: Rote gegen Gelbe
*  Sri Lanka: Stoppt die völkermörderische Offensive gegen die Tamilen!
*  Österreich: Ein Monat der Schülerstreiks
*  90 Jahre Münchner Räterepublik: Als Arbeiter regierten