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Bewegung aufbauen!

Wir zahlen nicht für Eure Krise!

Martin Suchanek, Neue Internationale, Februar 2009

Der Nachkriegskapitalismus ist an einen historischen Wendepunkt angelangt. Was mit dem Platzen der US-Immobilienblase als Finanzkrise begann, hat sich zur größten, weltweit synchronisierten Rezession der Nachkriegszeit entwickelt. USA, EU, Japan, Russland sowie die „Hoffnungsträger“ der Weltkonjunktur China und Indien stehen von einer Krise historischen Ausmaßes.

Selbst die herrschende Klasse spricht von einer Systemkrise. Und sie hat Recht. Die seit den 1970ern angehäuften Krisenpotentiale entladen sich nun explosiv. Nur naive bürgerliche oder reformistische Schönredner können noch behaupten, dass es sich „nur“ um eine Finanzkrise handle, der eine im Grunde „gesunde Realwirtschaft“ gegenüberstünde, als gewissermaßen unschuldiges Opfer der „Heuschrecken“ und Finanzhaie.

Umgehrt wird ein Schuh draus. Das riesige Anwachsen der Finanzmärkte, der Immobilienboom, die dramatisch gestiegene Verschuldung von Haushalten und Unternehmen sowie die Aufblähung des fiktiven Kapitals und sämtlicher davon abgeleiteter Geldgeschäfte waren und sind Ausdruck einer Stagnationskrise im produktiven Sektor, von fallenden Profitraten und einer damit schwindenden Basis für lukrative Anlagen im industriellen Sektor.

Im Rahmen des Kapitalismus kann eine solche Krise nur durch die Vernichtung riesiger überschüssiger Kapitalmassen „gelöst“ werden. Damit steht nicht nur eine „Wirtschaftsordnung“, sondern die gesamte, in den letzten Jahrzehnten etablierte Weltordnung zur Disposition.

Die Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Länder der „Dritten Welt“ werden drastisch zunehmen - schließlich denken die herrschenden Klassen weltweit nicht daran, selbst für die Krise ihres Systems zu zahlen. Viele Länder stehen vor dem Staatsbankrott. Massenbewegungen entwickeln sich - bis hin zu Aufstandsbewegungen wie in Griechenland.

Nicht nur zwischen den Klassen, auch zwischen den imperialistischen Mächten wie mit aufstrebenden Mächten wie China wird der Konkurrenzkampf dramatisch verschärft werden. Wir treten in eine Periode ein, die auf eine Neuverteilung der Welt zusteuert.

BRD und Krise

Auch in der BRD wird die Krise voll durchschlagen. Selbst die „optimistischen“ Wirtschaftsinstitute rechnen mit einem Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts von mehr als zwei Prozent 2009 und einer Rezession auch 2010.

Auch wenn das „Superwahljahr“ und die Bundestagswahl bis zum September dazu führen mag, dass manche soziale Grausamkeit erst unterm Weihnachtbaum präsentiert wird, so zeichnet sich schon ab, dass wir es mit gewerkschaftlichen und politischen Angriffen zu tun haben werden, gegen welche die Hartz- und Agendagesetze noch harmlos waren.

In dieser Situation wären eigentlich die Gewerkschaften und jene Parteien, die sich auf die Arbeiterklasse stützen oder das wenigstens vorgeben (SPD und LINKE) gefragt.

Die SPD regiert mit, doktert an diversen Regierungsvorhaben rum und säubert ansonsten - siehe Hessen - die eigenen Reihen von jenen, die keine Fortsetzung der Großen Koalition wollen.

Die wichtigste Stütze der SPD in der Arbeiterklasse, die Gewerkschaftsbürokratie, macht ihr trotzdem die Mauer. Schließlich will sie den nationalistischen Spagat fortsetzen, die Interessen ihrer Mitglieder und jene der Kapitalisten gleichzeitig zu bedienen, was natürlich nur „möglich ist“, wenn andere ArbeiterInnen - Arbeitslose, prekäre, MigrantInnen oder jene im „Rest der Welt“ - dafür die Zeche zahlen. Schließlich, so SPD und DGB-Gewerkschaftsführer, soll „unsere Wirtschaft“ gestärkt aus der Krise hervorgehen. Da das ohne eine Schwächung von Millionen Lohnabhängigen, einschließlich der schon jetzt auf Kurzarbeit gesetzten Kernschichten nicht geht, bleibt außen vor.

Die Partei DIE LINKE präsentiert sich hier (noch?) anders. Für die linken Reformer um Lafontaine oder attac scheint die Stunde gekommen. Endlich reden alle inkl. der Bundesregierung von „mehr Regulierung“, einer „neuen Finanzordnung“, „mehr Transparenz“, „mehr Verantwortlichkeit“. Da kann auch Lafontaine seine Rezepte aus seiner kurzen Zeit als Finanzminister 1998 wieder hervorzaubern.

Dumm nur, dass auch die beste „Regulierung“ die Krisenursachen nicht beseitigen kann. Dass Forderungen wie jene nach einer „neuen Finanzarchitektur“ heute auch in Kapital- und Regierungskreisen Anhänger gewinnen, hat nichts mit einer Freude an der „Zähmung des Kapitalismus“ zu tun, aber sehr viel damit, dass die deutschen und europäischen Imperialisten hoffen, in der „neuen Finanzarchitektur“ mehr zu sagen zu haben, als bei der bisherigen, US-dominierten.

Klassenkampf

Statt Standortpatriotismus und Keynesianismus sind Klassenkampf und Anti-Kapitalismus angesagt. Wenn die Herrschenden die Systemfrage stellen, dürfen wir dazu nicht schweigen.

Die ArbeiterInnen und die Jugend in anderen europäischen Ländern wie Griechenland, Frankreich, Italien, Island, Lettland zeigen mit Aufständen, Massendemonstrationen und riesigen Streiks, was notwendig ist. Diese Erkenntnis scheint sich nun auch hier langsam durchzusetzen.

Dutzende, wenn nicht hunderte Organisationen und Gruppen beteiligen sich an der Vorbereitung der Großdemonstrationen am 28. März in Berlin und Frankfurt/M. Diese reichen von Teilen der Gewerkschaften (z.B. ver.di-Berlin und -Stuttgart sowie die Gewerkschaftslinken, kämpferische Vertrauensleute und Betriebsräte), über DIE LINKE, attac, Umweltorganisationen (BUND), Migrantenorganisationen (u.a. DIDF), Schüler- und Studenteninitiativen und Bündnisse, Erwerbslosenorganisationen, antirassistische und antiimperialistische Gruppierungen, viele autonome und antifaschistische bis hin zu sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen.

Auch Arbeitermacht und die Jugendorganisation REVOLUTION beteiligen sich aktiv an der Demonstrationsvorbereitung und planen gemeinsame Blöcke in Berlin und Frankfurt.

Eine Mobilisierung wie zum 1. November 2003, die gegen die offene Ablehnung der Gewerkschaftsführungen 100.000 Menschen auf die Straße brachte, liegt in der Luft -unter weitaus dramatischeren wirtschaftlichen und politischen Vorzeichen.

Differenzen in der Vorbereitung

Wie in jeder gemeinsamen Mobilisierung reformistischer, kleinbürgerlicher bis hin zu klassenkämpferischen, antikapitalistischen oder gar revolutionären Kräften gibt es große Differenzen darüber, wofür, mit welchen Mitteln und welchen Zielen demonstriert werden soll. So auch in der Vorbereitung zum 28. März. Die Differenzen kreisen um drei Punkte:

a) Einschätzung der Krise: Handelt es sich um eine grundlegende Krise des Kapitalismus - oder handelt es sich um eine des „Neoliberalismus“ und mangelnder „Regulierung“. Eine Übereinstimmung in der Frage ist zwischen weltanschaulich entgegensetzten Kräften kaum möglich und auch nicht Voraussetzung für die gemeinsame Aktion. Trotzdem muss den Versuchen diverser Reformisten, Gewerkschaftsbürokraten, der LINKSPARTEI und von attac, die Forderungen und Aufrufe auf eine reformistische Weltanschauung zu beschränken, entschieden entgegengetreten werden.

b) Bezüglich der Forderungen: Die Reformisten versuchen hier erstens, alle Forderungen rauszuhalten, die sich direkt gegen das Kapitals richten (z.B. entschädigungslose Verstaatlichung aller Banken, nicht nur der defizitären). Zweitens sollen diese möglichst schwammig sein, indem z.B. die Forderung nach Arbeiterkontrolle (also Kontrolle durch die Arbeiterklasse und ihre Organe) über verstaatlichte Unternehmen durch eine nebulöse „demokratische Kontrolle“ ersetzt wird, worunter alles bis hin zu einer parlamentarischen Kommission oder einem sozialpartnerschaftlichen Gremium verstanden werden kann.

Drittens lehnen die Reformisten wichtige konkrete Forderungen ab. So wollen sie keinen Aufruf, der einen Mindestlohn von 10 Euro/Stunde oder Erhöhung des Hartz-Regelsatzes auf 500 Euro einfordert.

Diese seit Jahren von den sozialen Bewegungen vertretenen Minimallosungen fürchten die Linkspartei, etliche DGB-Bürokraten und ihre Wasserträger in attac u.a. reformerischen Initiativen wie der Teufel das Weihwasser. Der Grund hierfür ist ganz einfach: Während allgemeine Redensarten selbst über radikale Zielsetzungen bis hin zu prinzipiellen Vorzügen von „Vergesellschaftung“ zu nichts verpflichten, so befürchten die Spitzen der reformistischen Organisationen, dass ihr Manövrierspielraum in Landesregierungen und bei Verhandlungen mit Unternehmern oder Regierung hinter verschlossenen Türen durch allzu konkrete Versprechungen „eingeengt“ wird.

Genau deshalb ist es von größter Wichtigkeit, auf solchen konkreten Forderungen in den Aufrufen zu bestehen, um diese gemeinsam mit Mitgliedern und AnhängerInnen von Gewerkschaften und Linkspartei einzufordern.

c) Aktionen. Schließlich geht es auch darum, welche Aktionen über Demonstrationen hinaus notwendig sind. DIE LINKE und die mit ihr verbundene Gewerkschaftsbürokratie wollen die Bewegung v.a. auf den Bundestagswahlkampf orientieren. Selbstverständlich ist es korrekt, die Krise und wie sie bekämpft werden soll, zum Gegenstand des Wahlkampfes zu machen und darin offensiv zu intervenieren. Aber die Bewegung darf sich nicht zum unkritischen politischen Gefolgsverein machen lassen. Notwendig sind auch hier konkrete Forderungen und konkrete Aktionen, sprich die Notwendigkeit politische Massenstreiks, eines europaweiten, militanten Abwehrkampfes, der Verbindung des Kampfes gegen die Krise mit dem gegen Krieg und Imperialismus und der Anti-NATO-Mobilisierung.

Was tun gegen die drohende Katastrophe?

Schließlich wird kein Angriff der Regierung durch Wahlkampf und noch so große Demos, sondern nur durch den politischen Massenstreik zu stoppen sein.

Aber selbst ein Generalstreik würde letztlich nur die Frage aufwerfen, wer für die Krise zahlen soll. Beantwortet werden muss er auch auf politischer Ebene. Es gibt nämlich eine Alternative zu den Antworten der verschiedenen „Retter des Kapitalismus“ - die sozialistische Revolution, also den Kampf für Forderungen, die allesamt die Frage der Verfügung und der Kontrolle der produktiven Kapazitäten der Gesellschaft, also des Gesamtkapitals stellen.

Offenlegung der Geschäftsbücher, Konten und Finanzpläne! Nur so ist es der Arbeiterklasse möglich, sich einen Überblick über die Wirtschaft zu verschaffen. Nur so ist sie fähig, zu unterscheiden, was wirklich droht oder was nur Drohung ist.

Für eine gleitende Skala der Löhne und Sozialeinkommen gegen die Inflation!

Mindestlohn von 11 Euro/Stunde! Arbeitslosengeld und Mindesteinkommen für RentnerInnen und in Ausbildung Befindliche von 1.600/Monat, finanziert aus progressiver Besteuerung der Reichen, der Kapitalisten und VermögensbesitzerInnen!

Enteignung der Banken, Anlagefonds, Devisen-, Warentermin- und Aktienbörsen sowie deren Zusammenlegung zu einer einheitlichen Staatsbank unter Arbeiterkontrolle!

Enteignung der großen Konzerne unter Arbeiterkontrolle - beginnend mit allen Unternehmen, die drohen, Löhne zu kürzen und ArbeiterInnen zu entlassen! Gleitende Skala der Arbeitszeit!

Ein solches Notprogramm gegen die Krise lässt sich nicht durch Appelle und Bitten erreichen. Es muss erkämpft werden! Es wird auch von keiner bestehenden Partei oder möglichen „linken“ Regierung umgesetzt werden. Dazu sind Massenaktionen, Streiks, Besetzungen und die Bildung einer Arbeiterregierung notwendig, die sich auf räteähnliche, direkt-demokratische Kampforgane einer solchen Mobilisierung stützt.

Doch um eine solche Perspektive Wirklichkeit werden zu lassen - eine Perspektive des revolutionären Sturzes der Herrschaft des Kapitalismus und des Übergangs zu einer sozialistischen Gesellschaft - bedarf es nicht nur der Entschlossenheit. Es bedarf auch einer politischen Organisation, die eine Strategie und Taktik erarbeitet und umsetzt, um die verschiedenen Kämpfe zu vereinen: einer revolutionären Arbeiterpartei.

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Nr. 136, Februar 2009
*  Bewegung aufbauen! Wir zahlen nicht für Euro Krise!
*  Weltwirtschaft: Krise und Politik
*  Konjunkturpakete I und II: Mogelpackung
*  Wahlen in Hessen: Neue Schlappe der SPD
*  Uniklinika Baden-Württemberg: Der Tarifkampf hat begonnen
*  "Rettungsschirm" der IG Metall: Lobbyarbeit und Volksbefragung
*  Island: Massenaktionen zwingen Regierung zum Rücktritt
*  Gaza: Widerstand ist nicht zwecklos
*  Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Sri Lanka: Die Einnahme von Kilinochchi
*  NATO-Sicherheitskonferenz: Gegen Repression, Krise, Imperialismus!