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“Rettungsschirm” der IG Metall

Lobbyarbeit und Volksbefragung

Frederik Haber, Neue Internationale 136, Februar 2009

Die Führungen von DGB, ver.di und IG Metall gehen weiter ihren Weg. An der Seite der Regierung, die einerseits weiter kräftig von unten nach oben umverteilt, die das Renteneingangsalter auf 67 erhöht und die Renten gekürzt hat, die in Afghanistan kämpfen und sterben lässt und die Finanzmärkte liberalisiert. Sie stehen weiter für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft, die ihnen das auch dankt - mit Reallohnsenkungen und prekären Arbeitsverhältnissen.

Entsprechend hat die IG Metall auch über das, was in den Konjunkturpaketen steht, hinaus lediglich zwei Forderungen:

eine jährliche „Zukunftsanleihe“ in Höhe von zwei Prozent auf alle Geld- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte und

die Ausweitung der Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen u.a. durch Zustimmung von 2/3 des Aufsichtsrates bei Werksschließungen und Betriebsänderung bei staatlicher Unterstützung nur mit Zustimmung des Betriebsrats.

Doch kämpft die IG Metall dafür? Wenn die Spitze diese Forderungen ernst nehmen würde, dann dürfte sie es nicht bei Presseerklärungen bewenden lassen. Dann bräuchte es als erstes Massendemonstrationen, gefolgt von der Besetzung aller Betriebe, die Werke schließen oder „Betriebsänderungen“ durchführen: also (Teil)Stilllegungen, Verlagerungen, Personalabbau oder Qualifikationsverlust. Solche Besetzungen würden wir unterstützen, wir würden dafür eintreten, dass Aktionskomitees gebildet werden, direkt gewählt von der Belegschaft. Solche Aktionskomitees wären dann auch diejenigen, die nicht nur die Kraft haben, um den Unternehmerangriff zu stoppen; sie wären auch diejenigen, die anschließend die Entscheidungsmacht behalten sollten und nicht an den Aufsichtsrat abgegen, der an das „Unternehmensinteresse“ gebunden ist oder an den Betriebsrat, der nur die Stammbelegschaft vertritt und keine Kampfmaßnahmen durchführen darf.

Aber die IG Metall kämpft eben leider nicht! Die Führung kämpft sogar massiv gegen die geplanten Demos am 28. März. Sie verlegt sich auf Lobbyarbeit in Land und Bund, um für Konjunkturpakete und Bürgschaften für Einzelbetriebe zu kämpfen. Es werden „Beraterstäbe“ in den Bezirksleitungen aus Bankfachleuten, Betriebswirten und Politiklobbyisten gebildet, damit die „relevanten industriellen Strukturen und Wertschöpfungsketten des Landes erhalten und stabilisiert werden.“

Massendemos gegen die Krise und gewerkschaftliche Aktionen gegen Entlassungen würden diese Lobby-Arbeit natürlich empfindlich stören. War der Preis für die Abwrackprämie der Regierung ein Kampfverzicht der IG Metall? Oder sind Huber und Co. von sich aus schon so weit zur Ordnungsmacht dieses Systems degeneriert, dass sie freiwillig so handeln?

Irgendwie haben sie allerdings erkannt, dass es nicht hinhauen kann, wenn die Vorstände Lobby-Arbeit machen, die Betriebsräte Kurzarbeit organisieren und die Masse der Mitglieder und Vertrauensleute nur noch zuschaut und passiv bliebt. Deshalb wurde in der Frankfurter Zentrale die Kampagne „Besser arbeiten“ ausgedacht. Die Aktiven in den Betrieben sollen sich mit der Gestaltung der (Kurz)-Arbeitsbedingungen und der Qualifizierung befassen.

Eine Meinungsumfrage soll dem Vorstand sagen, was die Massen in Deutschland wollen. Dies heißt entweder, dass der Meinungsbildungsprozesses in der IG Metall absolut untauglich ist in den Augen des Vorstands oder es ist die gezielte Umgehung derer in der Gewerkschaft, die über momentane Befindlichkeiten („Was stellen Sie sich unter schönem Leben vor?“) hinaus gesellschaftspolitische Forderungen und Vorstellungen haben.

Bereits vor Jahren wurde mit einem ähnlichen „Zukunftsprojekt“ die Arbeitszeitverkürzung beerdigt. Bei einer Befragung hatten mehr Leute die „Sicherung von Arbeitsplätzen“ als wichtiger eingeschätzt als die Arbeitszeitverkürzung. Statt sich zu fragen, warum die IG Metall den Zusammenhang zwischen beidem nicht mehr herstellen kann, kam das Aus für die Arbeitszeitverkürzung als Ziel der Gewerkschaft.

Auch heute spielt dies keine Rolle. In den Betrieben wird über die Arbeitszeit geredet und verhandelt. Fast alle Mehrstundenverträge (>35 Stunden) wurden von den Unternehmern gekündigt, die Wochenarbeitszeit wird gesenkt über Kontenabbau und Kurzarbeit, Die LeiharbeiterInnen und Befristeten werden entlassen und spätestens im Herbst werden auch Teile der Stammbelegschaft ins Visier genommen werden. Gibt es eine bessere Situation als jetzt, über Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu reden - über alle Branchen und europaweit!?

Doch die IG Metall redet nicht mal mehr über eine Lebensarbeitszeitverkürzung: Die Rücknahme der Rente mit 67.

So wird die zentrale Kampagne der IG Metall wohl zur Beschäftigungstherapie, zur Ablenkung von den wirklichen Problemen und zum Schutz unserer Gegner. Entsprechend endet sie knapp vor der Bundestagswahl mit einem großen Happening neuen Typs - in der Commerzbank-Arena in Frankfurt! Dort, wo sonst Tore geschossen werden, zelebriert die IG Metall dann ihr Eigentor!

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Nr. 136, Februar 2009
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*  Weltwirtschaft: Krise und Politik
*  Konjunkturpakete I und II: Mogelpackung
*  Wahlen in Hessen: Neue Schlappe der SPD
*  Uniklinika Baden-Württemberg: Der Tarifkampf hat begonnen
*  "Rettungsschirm" der IG Metall: Lobbyarbeit und Volksbefragung
*  Island: Massenaktionen zwingen Regierung zum Rücktritt
*  Gaza: Widerstand ist nicht zwecklos
*  Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Sri Lanka: Die Einnahme von Kilinochchi
*  NATO-Sicherheitskonferenz: Gegen Repression, Krise, Imperialismus!