Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Palästina

Antizionismus = Antisemitismus?

Martin Suchanek, Neue Internationale 136, Februar 2009

Es ist eine der unverschämtesten Lügen, dass es beim Konflikt zwischen Israel und den PalästinenserInnen angeblich um einen Kampf zwischen der Demokratie (in Gestalt Israels) und islamistischer Despotie und Antisemitismus (vertreten durch Hamas, Hisbollah o.a. palästinensische Widerstandskräfte) geführt würde.

Der Charakter eines Kriegs wird nicht dadurch bestimmt, welche politische Führung oder politische Herrschaftsform das eine oder andere Land kennzeichnet, sondern durch seine Bedeutung, seine Stellung in der imperialistischen Weltordnung, durch den Klassencharakter der kämpfenden Parteien und ihrer Kriegsziele.

Es geht bei diesem Krieg um die Stärkung des zionistischen Staates, seiner herrschenden Klasse und ihrer kolonialen, expansionistischen Ziele sowie das Vorantreiben der imperialistischen Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens.

Es ist daher auch vollkommen korrekt, wenn der Großteil der palästinensischen Linken den Widerstand gegen Krieg und Besatzung unterstützt. Ebenso verdienen jene Teile der israelischen Friedensbewegung Solidarität, die gegen Krieg und Besatzung auftreten.

Eine andere Lüge besteht darin, Antizionismus und Antisemitismus gleichzusetzen.

Der Zionismus

Der Zionismus, der mit Theodor Herzl Ende des 19. Jahrhunderts zu einer relevanten Strömung im Judentum geworden war, blieb immer die Anschauung einer kleinen Minderheit der JüdInnen. So verstanden sich z.B. in Deutschland 1933 nur ca. 5% der JüdInnen als Zionisten. Allein deshalb ist der Zionismus keineswegs „die“ Ideologie „der Juden“, sondern nur eine Strömung - wenn auch eine heute einflussreiche und in Israel die dominante.

Was sind die zentralen Ideen des Zionismus? Angesicht des aufkommenden Antisemitismus (Dreyfus-Affäre in Frankreich, Pogrome im zaristischen Russland) ging Herzl davon aus, dass sich die Juden nicht assimilieren könnten und auf ewig unterdrückt und bedroht sein würden. Daraus zog er den Schluss, dass nur ein eigener jüdischer Staat den Juden eine sichere Existenz geben könne. Das bedeutete aber auch, dass der Zionismus a priori eine Absage an den Klassenkampf gegen den Kapitalismus und dessen Unterdrückung, Rassismus usw. war. Das Ziel eines eigenen Staates versucht der Zionismus mit Hilfe des Imperialismus und seiner Agenturen wie z.B. Völkerbund oder UN zu erreichen. Die Gründung Israels war dann auch von Beginn an nur durch die Hilfe des Imperialismus, anfangs v.a. des britischen und nach 1945 des US-amerikanischen, möglich und denkbar.

Die Tragik des Zionismus besteht darin, dass er als Reaktion auf die Unterdrückung der JüdInnen und auf Pogrome gegen sie auf die Rettung durch den Imperialismus und innerhalb der kapitalistischen Ordnung setzt.

Der Zionismus ist eine rassistische Ideologie. Der israelische Staat ist ein rassistischer, expansionistischer Staat, der sich auf der Vertreibung und Entrechtung der PalästinenserInnen gründet und diese permanent fortführt. Schon vor und besonders seit Gründung des Staates Israel wurden und werden die PalästinenserInnen unterdrückt, vertrieben und terrorisiert; das Recht auf Rückkehr wird den vertriebenen PalästinenserInnen verwehrt.

Die besetzten Gebiete werden auch im „Frieden“ in allen zentralen Aspekten (Handel, Währung, Versorgung, Grenzregime) von Israel und seiner Armee kontrolliert. Auch die PalästinerserInnen in Israel sind nur BürgerInnen zweiter Klasse, deren Zugang zum Öffentlichen Dienst und deren Bürgerrechte eingeschränkt und die auch sozial unterprivilegiert sind.

Imperialistische Unterstützung

Ohne permanente imperialistische Unterstützung von jährlich über drei Mrd. Dollar allein aus den USA (davon 1,2 Mrd. Dollar Wirtschafts- und 1,8 Mrd. Dollar Militärhilfe), anderer imperialistischer Länder sowie privater Spender könnte sich der Staat ökonomisch, politisch und militärisch nicht halten.

In den letzten Jahren hat sich trotzdem die soziale Kluft, haben sich Arbeitslosigkeit und Armut in Israel auch unter der jüdischen Arbeiterklasse vertieft. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass der israelische Staat noch immer - nicht zuletzt wegen der Hilfen durch den Imperialismus - einen wichtigen Teil der Lohnabhängigen vergleichsweise privilegiert stellen kann, um sie so an seine reaktionäre, expansionistische Politik zu binden. Andere, v.a. die ärmeren, aus der Ostmigration stammenden jüdischen Lohnabhängigen, werden über Rassismus und expansionistische Versprechungen vor allem als militante Siedler bei der Stange gehalten.

Der zionistische Staat ist alles andere als ein sicheres Bollwerk für “die Juden”. Er ist ein Vorposten des Imperialismus. Die zionistische Ideologie legitimiert nicht nur die Unterdrückung der PalästinenserInnen, sie ist zugleich ein Mittel, die jüdische Arbeiterklasse in Israel an der Seite der eigenen Ausbeuterklasse zu halten.

Die Bindung der israelischen ArbeiterInnen an den Zionismus oder ihre Unterstützung für die Kriegspolitik gegen den Libanon hat entgegen populärer Mythen ihre Ursache nicht im Erstarken des Islamismus in Palästina. Das zeigt sich schon daran, dass diese Bindung viel älter ist als das Auftreten der Islamisten. Sie hat vielmehr soziale und politisch-ideologische Wurzeln - eine starke Arbeiteraristokratie und die ideologische Vorherrschaft des Zionismus in praktisch allen gesellschaftlichen Institutionen.

Solange die jüdische Arbeiterklasse nicht mit dieser Loyalität zum “eigenen” Staat bricht, wird sie sich weder von der eigenen Klassenunterdrückung und verschärften Ausbeutung befreien können, noch wirklich brüderliche Beziehungen zu den arabischen ArbeiterInnen und BäuerInnen entwickeln können.

Der Anti-Zionismus ist daher keinesfalls eine politische Position, die nur für Anti-Imperialisten auf der ganzen Welt und für die arabischen Massen wichtig und richtig ist; letztlich muss sie auch zur Position der jüdischen ArbeiterInnen in Israel und auf der ganzen Welt werden.

Der zionistische Staat ist ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung und muss zerschlagen und durch einen gemeinsamen, bi-nationalen Arbeiterstaat ersetzt werden, der den jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen und Bauern ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben ermöglicht; einen Staat also, der auch auf anderen sozialen Grundlagen als der jetzige kapitalistischer Staat fußt: auf einer demokratischen Planwirtschaft und der Herrschaft der Arbeiterklasse.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 136, Februar 2009
*  Bewegung aufbauen! Wir zahlen nicht für Euro Krise!
*  Weltwirtschaft: Krise und Politik
*  Konjunkturpakete I und II: Mogelpackung
*  Wahlen in Hessen: Neue Schlappe der SPD
*  Uniklinika Baden-Württemberg: Der Tarifkampf hat begonnen
*  "Rettungsschirm" der IG Metall: Lobbyarbeit und Volksbefragung
*  Island: Massenaktionen zwingen Regierung zum Rücktritt
*  Gaza: Widerstand ist nicht zwecklos
*  Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Sri Lanka: Die Einnahme von Kilinochchi
*  NATO-Sicherheitskonferenz: Gegen Repression, Krise, Imperialismus!