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Palästina

Zwischen Widerstand und Bürgerkrieg

Marcus Chamoun, Neue Internationale 121, Juni 2007

Am 24. Mai nahmen israelische Soldaten 33 Palästinenserführer, darunter den Bildungsminister Naser Eldin Alsha'er gefangen. Alle gehören der Hamas an, die im Januar 2006 demokratisch als Regierungspartei gewählt wurde. Die Inhaftierungen folgten auf eine Woche von Luftangriffen auf den Gazastreifen, die 40 Todesopfer forderten. Die israelischen Sicherheitskräfte beorderten auch Bodentruppen in den Nordteil Gazas und überfielen mindestens 45 Gemeinden in der Westbank. Noch mehr Tote, nämlich 52, gab es in der gleichen Woche bei innerpalästinensischen Gefechten zwischen Hamas und Fatah.

Die blutige Rolle des Imperialismus

Der Iran wendet sich immer noch gegen die Versuche der USA, ihr Atom-Programm zu unterbinden. Die Verzögerung von Direktschlägen gegen das Land hat neokonservative Kreise in den USA dazu bewogen, Israel und die Fatah-Bewgung des verstorbenen Präsidenten Arafat für indirekte Attacken einzuspannen, indem der militanteste Flügel des palästinensischen Widerstands und der Regierungspartei Hamas neutralisiert wird.

Die gleiche Politik wird im Libanon verfolgt. Die libanesische Armee, die sich völlig aus der Verteidigung des Landes im vergangenen Sommer herausgehalten hatte, hat sich nun gegen eine palästinensische Flüchtlingsmiliz namens Fatah al Islam gewandt, die von Syrien und dem Hauptfeind der USA, dem Iran, unterstützt wird.

Ob diese jüngsten Angriffe gegen den Iran durch die Hintertür Erfolg haben, hängt davon ab, ob die Fatah ihre Unterstützerbasis zusammenhalten kann. Ihr Sicherheitsapparat ist nur bis zu einem bestimmten Punkt hilfreich. Es wird jedoch darauf ankommen, dass der palästinensische Widerstand die Methoden des Massenkampfes übernimmt und den antiimperialistischen mit dem antineoliberalen Kampf in der gesamten Region verbindet und die geographischen, religiös-sektenartigen und nationalen Grenzen überwindet.

Dazu bedarf es einer anderen Führung als der Hamas - eine, die sich in der organisierten Arbeiterklasse als Führerin der Kämpfe aller Unterdrückten verankert.

Die Spannung zwischen beiden Parteien und ihren politischen Strategien entlud sich in Feuergefechten im Gazastreifen, einem abgeschotteten Freiluftgefängnis für 1,5 Millionen PalästinenserInnen. Bürgerliche Kritiker betrachten den gewalttätigen Fraktionskampf zwischen den PalästinenserInnen als Ausdruck "angeborener" arabischer Unfähigkeit zu friedlicher demokratischer Politik - aber Israels Rolle in diesem Konflikt liegt auf der Hand.

Vorbereitung zum Sturz von Hamas

Gleich nach dem Wahlsieg der Hamas im Januar 2006 kündigte Israel an, dass es mit einer von Hamas geführten Regierung nicht verhandeln werde und hat seither Steuereinnahmen in Höhe von 850 Millionen US-Dollar für die palästinensische Autonomiebehörde zurückgehalten. Die USA und die Europäische Union haben Sanktionen gegen die neue Regierung verhängt, verweigern humanitäre Hilfe, bis die Hamas das Exstenzrecht Israels anerkennt, gehen Vereinbarungen mit der alten Fatah-Regierung ein und weisen den "Terrorismus" zurück.

Der demokratische Wille der PalästinenserInnen wird mit Füßen getreten. Der Imperialismus will durch solche Maßnahmen die Hamas-Regierung stürzen, egal wie.

Hamas muss im Angesicht internationaler Isolation, wachsender wirtschaftlicher und humanitärer Krise und der Behinderung durch die Bürokratie der palästinensischen Autonomiebehörde regieren. Ein Versuch im Mai 2006, die bewaffnten Kräfte der von Fatah geführten Sicherheitsorgane zu entmachten und durch die Bildung einer Miliz unter Kontrolle des Hamas-Innenministeriums zu ersetzen, führte zu einer bewaffneten Auseinandersetzung im Gazastreifen, als Präsident Abbas Polizei einsetzte, um die ‚Ordnung' wiederherzustellen. Hamas willigte ein, die Milizen zurückzuziehen, aber Überfälle und politische Morde gingen weiter und fanden im Dezember 2006 ihren Höhepunkt durch einen Feuerüberfall der Sicherheitstruppen auf eine Hamas-Kundgebung in Ramallah, kurz nach einem Attentatsversuch auf Premierminister Ismael Hanija.

Am folgenden Tag rief Abbas, der gewählte Präsident der Autonomiebehörde, zu vorgezogenen Wahlen auf, um damit die gewählte Regierung zu entmachten. Nach erbitterten Gefechten wurde im Februar 2007 in Mekka durch Vermittlung von Saudi-Arabien eine Waffenruhe ausgehandelt. In den folgenden Monaten wurde eine Koalitionsregierung aus Hamas und Fatah gebildet. Doch die Waffenruhe hielt nicht lange, die Kämpfe flammten erneut auf. Warum?

Es wäre verkehrt, eine Erklärung dafür ausschließlich in der Fehde zwischen Fatah und Hamas zu suchen, obwohl auch dies eine Rolle spielt. Die Gewalt von Fatah-Seite geht meist nicht auf Abbas zurück - Scharfmacher ist der Sicherheitschef im Gazastreifen Mohammed Dahlan, auch "Palästinas Pinochet" genannt. Trotz der zur Schau gestellten Ergebenheit gegenüber Abbas empfängt dieser Kriegsherr seine Befehle in Wirklichkeit von Israel und den USA, die ihm Waffen, Einkommen, Ansehen und Schutz bieten.

USA und Israel

Diese Mächte haben jedes Interesse, den innerpalästinensischen Konflikt zu schüren. Der Einsatz von 30.000 amerikanischen Soldaten in Bagdad als "letzter Stoß vor einem ehrenhaften Rückzug der Vereinigten Staaten" ist gescheitert. Eine stabile irakische Regierung unter US-Vormundschaft konnte nicht etabliert werden. Vielmehr haben sich Angriffe durch den sunnitischen und schiitischen Widerstand im Irak verstärkt. Israels Sommerkrieg im Libanon endete mit dem Sieg der Hisbollah, hat aber Fouad Sinioras proimperialistische libanesische Regierung nicht zu beseitigen vermocht. Dennoch bleibt die Hisbollah ein starker Faktor.

Die jüngste Bombardierung durch israelische Truppen im Gazastreifen zeigt den Bankrott einer Zweistaatenlösung, die auf palästinensischen Bantustans, d.h. isolierten Kleinstaaten ohne nationale Verteidigung, ohne Bewegungsfreiheit und Kontrolle über den eigenen Luftraum basiert.

Viele Hamas-Führer, also Politker eines formell souveränen Staates, sind von israelischen Truppen gefangen genommen und festgesetzt worden. Der Druck, den Israel auf jedes Palästinenserregime ausübern kann, beweist, dass sie nicht wirklich souveräne Regierungen sind. Aber auch die Politik der Hamas, die die jüdische Bevölkerung auf eine winzige Minderheit reduzieren will, ist gleichermaßen reaktionär.

Die Liga für die 5. Internationale plädiert für einen einheitlichen Säkularstaat und das Recht auf Rückkehr für alle palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Es darf weder Vorrechte noch Nachteile auf ethnischer oder religiöser Grundlage geben. Die Arbeiterklasse der ganzen Region muss sich erheben und die Vereinigten Sozialistischen Staaten in Nahen und Mittleren Osten erstreiten.

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Nr. 121, Juni 2007
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