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Umgruppierung

Die NaO und der Weg zu einer revolutionären Partei – eine Antwort auf RIO

Jürgen Roth, Infomail 895, 26. Juli 2016

Vor einigen Monaten veröffentlichte RIO eine Kurzbilanz der NaO, wo sie darlegen, woran diese ihrer Meinung nach gescheitert wäre und warum das Projekt letztlich immer schon vergebene Liebesmühe war.

Wie hatten damals keine Zeit zu antworten, da eine Diskussion und Auseinandersetzung mit RIO aufgrund der vielen programmatischen Differenzen für uns keine Priorität darstellen. Gleichwohl wollen wir darauf hinwiesen, dass wir für die nächste Ausgabe des „Revolutionären Marxismus“ eine ausführlichere Kritik an RIO und ihrer internationalen Strömung, der FT veröffentlichen werden. Hier nur eine kurze Replik.

Die NaO – ein (rechts-)zentristisches Projekt?

Wladek Flakin schreibt zu den Internationalismustagen 2016 der NaO: „Die NaO war ein Versuch, sehr unterschiedliche Strategien in einer Organisation zu verschmelzen – das Scheitern war vorprogrammiert… Die Hypothese, dass Revolutionär*innen mittels der Verwässerung ihres Programms und des Aufbaus ‚neuer antikapitalistischer’ Organisationen ihren Einfluss vergrößern können, hat sich als absolut falsch erwiesen… Unserer Meinung nach müssen sich Revolutionär*innen nicht unter Bannern des Reformismus oder Zentrismus, sondern eben als Revolutionär*innen gruppieren.“ (https://www.klassegegenklasse.org/die-nao-ist-gescheitert/), 15.2.2016.

Flakin und Oskar Huber bewerten in (https://www.klassegegenklasse.org/welcher-weg-zu-einer-revolutionaeren-partei/) vom 11.2.2016 die NaO als „Mitgliedsorganisation mit einem ausformulierten Programm“, das „tatsächliche Programm“ umfasse „nicht nur das zentristische NaO-Manifest, sondern die gesamte politische Praxis… Das größte Ergebnis, das die NaO erbracht hat, waren fruchtlose Programmdebatten, die in der Praxis eine politische Rechtsentwicklung der GAM nach sich gezogen haben.“

Eine inhaltliche Begründung, dafür, was am NaO-Manifest zentristisch gewesen wäre, bleiben die Kritiker schuldig. Ebenso fehlt jede Darlegung, worin die Rechtsentwicklung der GAM bestünde.

Was sagte aber das „Manifest für eine Neue antikapitalistische Organisation“ selbst über sich? „Dieses Manifest stellt die Grundlage für das Handeln der NaO, die Basis für unseren Aufbau dar. Es ist jedoch noch weit davon entfernt, ein Programm einer revolutionären Organisation darzustellen, in der die politischen Differenzen der jeweiligen Strömungen überwunden wären. Die Erfahrungen der antikapitalistischen Organisationen in anderen Ländern haben gezeigt, dass Differenzen nicht totgeschwiegen oder hinter Formelkompromissen versteckt werden dürfen.“

Und wir schrieben: „Für uns war immer klar (und wir haben das immer klar formuliert): Die NaO ist ein Mittel zum Zweck beim Aufbau einer größeren revolutionären Organisation auf Basis eines revolutionären Programms.“ (http://www.arbeitermacht.de/ni/ni201/nao.htm)

Das NaO-Manifest verkörperte nicht mehr und nicht weniger als die programmatischen Gemeinsamkeiten zwischen den beteiligten Gruppen und Einzelpersonen und bildete den Ausgangspunkt für praktische Zusammenarbeit und programmatische Diskussion, die in einer gemeinsamen revolutionären Organisation münden sollten.

Natürlich bestanden zu dieser Zeit noch immer grundlegende politische Differenzen zwischen den Gruppierungen, sowohl was einzelne programmatische Fragen betraf, wie über das Verständnis des Organisationsaufbaus und vor allem des Ziels der NaO: ob dieses Ziel in programmatischer Vereinheitlichung liegen solle oder in einem „pluralen“ Charakter. Das Manifest stellte jedoch einen Rahmen dar, innerhalb dessen diese Fragen ausdiskutiert werden sollten.

Es war daher immer klar, dass die NaO entweder voranschreiten könne (inhaltlich wie zahlenmäßig) oder an den politischen Differenzen auseinanderbrechen würde. Letztes ist schließlich geschehen. Diese Möglichkeit beinhalten jedoch alle Umgruppierungsprojekte zwischen revolutionären und zentristischen Organisationen und das Auseinanderbrechen kann unserer Auffassung nach letztlich auch nur durch die Überwindung der programmatischen Differenzen verhindert werden. Dies mag ein kürzerer oder längerer Prozess sein – sein Tempo wird letztlich jedoch nicht in erster Linie von den beteiligten Gruppen, sondern wie im Fall der NaO (und anderer solcher Blöcke) von Ereignissen im Klassenkampf bestimmt.

Neben der programmatischen Weiterentwicklung kommt es vor allem darauf an, Stellungnahmen zu Schlüsselereignissen des Klassenkampfes zu produzieren sowie gemeinsame Interventionen in den Klassenkampf zu tätigen. Nur auf diesen drei Wegen ist die Verschmelzung zu einer neuen revolutionären Gruppe oder Partei möglich. Das war auch das Herangehen der ILO/IKL an den Block der Vier ab 1933. Die gemeinsame Erklärung der 4 Organisationen entsprach methodisch also dem NaO-Manifest. In diesen Prozess haben wir stets mit unserem Programm, mit unseren Standpunkten zu Schlüsselfragen des Klassenkampfs, mit unseren Vorschlägen für praktische Aktivitäten eingegriffen. Wenn das (Rechts-)Zentrismus ist, wie RIO behauptet, dann müssen sie ihr Verdikt auch für das Herangehen Trotzkis zur Umgruppierung mit zentristischen Gruppierungen Anfang der 30er Jahre fällen!

RIO/FT zur FIT und NPA

Das Wahlprogramm der FIT (Front der ArbeiterInnen und Linken; eine Wahlallianz von zentristischen Parteien in Argentinien) sowie das Programm der NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste in Frankreich) unterscheiden sich davon deutlich. Die NPA bekennt sich ausdrücklich zur zentristischen Methode des breiten, verwässerten Programms, auch wenn ihr Gründungsprogramm ironischerweise linker und radikaler ist als das Wahlprogramm der FIT. Selbst RIO gesteht zu ihrem „Bedauern“ ein, dass das FIT-Wahlprogramm nicht die Losung einer echten ArbeiterInnenregierung enthält. Doch Schwamm drüber! Ein Programm sei doch nicht so wichtig, es komme auf die Praxis an. Und die Praxis der NPA? Auch deren zentristische Defizite stören RIOs Schwesterorganisation CCR nicht, in der NPA zu arbeiten.

Oskar Huber schreibt dazu im Blog zu o. a. Artikel vom 15. Februar: „In Argentinien bringt die FIT, die von der PTS angeführt wird, den Klassenkampf mit Streiks, Betriebskämpfen, demokratischen Massenkämpfen und einem Kampf um die Organisation unserer Klasse voran. Es geht hier um die tatsächliche Gewinnung der fortschrittlichsten Teile unserer Klasse, nicht um Taktik-Simulationen.“

Und zu Frankreich: „Es gibt Diskussionen mit relevanten Teilen des europäischen Trotzkismus-Zentrismus – als Strömung –, nicht mit einzelnen isolierten Zentrist*innen.“

Hieraus können wir zweierlei schließen:

1.) Die kleine NaO war der Mühe von RIOs Beteiligung nicht wert, denn das „(rechts-)zentristische“ Manifest kann ja nicht Ursache für die abstoßende Wirkung der NaO sein, wie uns an beiden Beispielen gerade klarzumachen versucht wurde. Sicher hätte sich jeder der NaO-Beteiligten gern an einem größeren Umgruppierungsprojekt beteiligt. Heißt das aber, dass RevolutionärerInnen dem Ansatz zu einer ernsthaften programmatischen Diskussion kleiner Gruppierungen (nicht nur von Individuen) den Rücken kehren sollten, zumal es ja ohnedies nichts Größeres gab? Das halten wir für ebenso sektiererisch wie fruchtlos.

2.) Ihre Geringschätzung des Programms. So richtig es ist, dass man den Wert einer Organisation nicht allein daran ermessen kann, so falsch ist die suggerierte Schlussfolgerung, es spiele in der revolutionären Praxis keine ausschlaggebende Rolle! Ohne ein revolutionäres Programm keine revolutionäre Praxis! Mit dem besten Programm stellt sich die revolutionäre Praxis nicht schon automatisch her – wohl wahr, doch mit einem zentristischen Programm wie dem der FIT oder der NPA niemals! Oder wie sehen FT/RIO den Weg zu einer revolutionären Partei sonst, wenn er nicht mit einem revolutionären Programm beginnen soll? Jedenfalls kämpfen sie nicht für eine programmatische Umgruppierung, beginnend unter subjektiv revolutionären Kräften, d. h. Organisationen. Vielmehr scheint revolutionäres Klassenbewusstsein spontan aus den „richtigen“, fortschrittlichen Teilen der Klasse zu entstehen, die noch nicht mit Reformismus und Zentrismus in Berührung gekommen sind, aber kämpfen. Sie werden zum Schiedsrichter ernannt, welche Organisationen denn nun wirklich revolutionär sind. Wozu Umgruppierungstaktiken überhaupt? Wozu das strategische Haupthindernis für das Entstehen einer ArbeiterInnenmassenpartei in Argentinien, den Peronismus, mittels der ArbeiterInnenparteitaktik bekämpfen? Die FT kämpft auch erst gar nicht um eine Verschmelzung der FIT zu einer größeren revolutionären Organisation. Die Hoffnung auf den Segen durch den Klassenkampf – das ist eben Workerismus!

Unser NaO-Fazit

Die NaO hat anlässlich ihrer Auflösung ein solches gezogen. Wir werden in o. a. RM noch einmal dieses Experiment vertiefend bilanzieren. Hier nur die positiven Aspekte:

1.) die Möglichkeit, in enger Diskussion sich mit anderen Organisationen und Einzelpersonen messen zu können; 2.) in gesteigertem Maße auch praktische Aktivitäten durchführen zu können; 3.) das Publikum für die eigene Propaganda massiv zu vermehren; 4.) ein deutlicher Mitgliederzuwachs in den letzten 5 Jahren.

Was hat RIO davon abgehalten, sich an Kampagnen wie zu Rojava oder am Internationalistischen Block zum Ersten Mai 2015 zu beteiligen? Die KurdInnen in Rojava bräuchten eher ein revolutionäres Programm als Waffen, in Deutschland müsste außerdem die Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbotes an erster Stelle stehen. Die Nichtbeteiligung am IB rechtfertigte RIO damit, dass nicht aktuelle Streiks in Deutschland aufgegriffen würden. Das sind die gleichen albernen Argumente für ihre Abstinenz wie die Bedeutungslosigkeit der NaO. Hättet Ihr nicht lieber Eure Kritik am Manifest so wie die oben erwähnten Punkte in den NaO-Prozess einbringen sollen, anstatt abseits auf dem Zaun zu sitzen? Dann hättet Ihr eine hart geführte, aber saubere polemische Debatte zu erwarten gehabt, eine echte Herausforderung für Eure Politik! Hattet Ihr etwa nicht den Mut dazu und versteckt Euch hinter fadenscheinigen Ausflüchten?

RIOs „Angebote“

Ihr habt uns vorgeschlagen: 1.) Die Auflösung der NaO samt Bilanz; 2.) engere Zusammenarbeit zwischen unseren Gruppen, v. a. in der ArbeiterInnenbewegung (z. B. Amazon-Solidarität); 3.) politische Diskussionen zwischen unseren Gruppen über notwendige Strategie und Programm für RevolutionärInnen heute; 4.) eine Kampagne für einen internationalistischen Plan gegen die Krise.

Zu 1.) Dazu ist alles gesagt und getan, eine ausführliche Geschichte und Bilanz der NaO könnt ihr im kommenden RM nachlesen. Außerdem ist das kein Vorschlag, sondern eine Aufforderung.

Zu 2.) Wir sind mit allen Gruppierungen der Linken bereit, in der Solidarität mit ArbeiterInnenkämpfen oder Befreiungskämpfen zusammenzuarbeiten. Eine strategische oder privilegierte Zusammenarbeit mit RIO halten wir für nicht gerechtfertigt und streben wir auch nicht an.

Zu 3.) Allein schon um die Debatte zwischen unseren Organisationen aus dem Dunkel der informellen Diskussionen zwischen Einzelmitgliedern zu zerren, um beide Mitgliedschaften Auge in Auge die offiziellen Positionen beider Organisationen erleben zu lassen, schlagen wir Diskussionsveranstaltungen mit Euch in Berlin und München zu den Themen vor: Was heißt Umgruppierung heute? Wer ist die Vorhut der ArbeiterInnenklasse? Was ist Klassenbewusstsein, wie entsteht es? Welche Bedeutung hat das Programm für den Aufbau einer revolutionären Partei? Wir können das an aktuellen Beispielen wie FIT, NPA, Entrismus in der Labour Party in Britannien durchführen. Termine für Veranstaltungen in Berlin und München können wir zwischen den Leitungen unserer Gruppen vereinbaren.

Zu 4.) Eine gemeinsame Propagandakampagne lehnen wir immer ab, eine „für einen internationalistischen Plan gegen die Krise“ (Euer Artikel vom 15.2.2016) ist nichts weiter als eine inhaltsleere Phrase. Sollen wir beide so tun, als hätten wir noch keinen „Plan“ und würde uns dieser durch eine Kampagne auf den Kopf fallen? Ihr habt z. B. Euer Manifest (s. o.), wir haben unser nationales und internationales Aktionsprogramm!

Wie nahe stehen sich beide Gruppen?

Im Artikel vom 11.2.2016 schreibt Wladek Flakin: „Nicht selten werden wir gefragt, warum wir nicht fusionieren… Für eine Fusion haben wir noch zu große Differenzen. Wir lehnten das NaO-Experiment gerade deshalb ab, weil eine gemeinsame Organisation erst Ausdruck einer gemeinsamen Strategie und gemeinsamer Praxis sein kann.“

1.) Wir werden das nicht gefragt.

2.) Dies aus gutem Grund: Russland und China bezeichnet RIO/FT nicht als imperialistische, sondern als Regionalmächte; die SPD wird nicht als bürgerliche ArbeiterInnenpartei charakterisiert; Eure Positionen im ukrainischen und syrischen Bürgerkrieg sind abstentionistisch; zu den Klassenkämpfen in Griechenland, zur Einschätzung und Taktiken gegenüber Syriza, Podemos, der HDP sowie Entrismus in der Labour Party liegen wir weit auseinander. Programmatisch unterscheiden uns darüber hinaus die Position zur ArbeiterInnenregierung (wo Eure mit dem Erbe der ersten vier Weltkongresse der Vierten Internationale bricht). Zur Frauenunterdrückung vertretet Ihr unmarxistische, dem Postmodernismus entlehnte Positionen… Nach unserer Einschätzung haben sich die Differenzen nicht verkleinert, sondern vertieft.

3.) Euer zuletzt zitierter Satz zum NaO-Experiment spricht Bände über Euer workeristisches Sektierertum, das Ihr immer, wenn’s taktisch diffizil wird, in die Beschwörungsformel kleidet: Für die Unabhängigkeit der Klasse!

Eine gemeinsame Organisation muss natürlich auf gemeinsamem Programm, gemeinsamer Strategie und Praxis fußen. Dahin kann man aber nur gelangen, wenn man sich der Mühe gemeinsamer Debatte und des Tests im Klassenkampf wie dessen Auswertung stellt. Eine Garantie für den Erfolg gibt es natürlich nie. Diesen Euren Anspruch hättet Ihr in die NaO einbringen soll, anstatt Euch fein (oder feige?) rauszuhalten. Dieses Sektierertum garantiert nur den Misserfolg auf dem Wege des Aufbaus einer revolutionären Partei. Wer diese dicken Bretter nicht mühselig bohren will, soll sich nach einem anderen Beruf umgucken – es gibt leichtere als den von RevolutionärInnen!

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