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Kaschmir

Massenwiderstand gegen Morde indischer Truppen

Hassan Rasa, Infomail 895, 25. Juli 2016

Am 8. Juli haben indische Soldaten Burhan Wani in den Wäldern südöstlich von Srinagar, einer der beiden Hauptstädte des von Indien besetzten Kaschmir, erschossen. Trotz seiner Jugend (22 Jahre) war Wani eine führende Persönlichkeit in der größten kaschmirischen Unabhängigkeitsbewegung Hisbollah-Mudschaheddin (HM). Sein Tod löste eine neue Welle von Massenprotesten und –demonstrationen, die größten seit 2010 aus.

Über 100000 nahmen an Wanis Begräbnis teil. Die indischen Truppen reagierten darauf mit Schüssen direkt in die Menge. Sie benutzten scharfe Munition und Gummigeschosse, töteten 50 Menschen und verwundeten mehr als 3000. Viele von ihnen, darunter kleine Kinder, erblindeten durch die kleine Stahlprojektile dieser „Kontrollwaffen gegen Massenversammlungen“.

Obwohl die Behörden eine Ausgangssperre und einen Medienmaulkorb verhängten, gelangten dennoch Videos über „soziale Netzwerke“ in Umlauf. Sie zeigten, dass die Truppen selbst die Krankenwagen attackierten, die die Verletzten in die Krankenhäuser brachten. Die Krankenhäuser wiederum wurden brutalst mit Tränengas überzogen.

Neue Bewegung

Es war vorauszusehen, dass diese Unterdrückung Öl ins Feuer einer neuen Rebellion gegen die indische Besatzung Kaschmirs und für „Azadi“, die Unabhängigkeitsbestrebung, goss. Wani war eine besonders bedeutsame Gestalt für die Jugend des Landes, weil er die Medienplattformen im Internet wirksam zu nutzen verstand. Seine eigene Lebensgeschichte, er schloss sich der Rebellenbewegung an, nachdem er und sein Bruder im Alter von 15 Jahren von indischen Truppen attackiert und geschlagen worden waren, spiegelt die Erfahrung seiner ganzen Generation wider. Seine unbeugsame Ablehnung jedes Kompromisses mit Indien und seine Verbundenheit mit der vollen Unabhängigkeit Kaschmirs brachte genau dieses Bestreben zum Ausdruck.

Es ist deshalb hoch bedeutsam, dass alle Versuche der etablierten politischen Figuren, die gegenwärtigen Proteste abzuwiegeln, fehlgeschlagen sind. Selbst eine Mahnung zur Ruhe durch den Veteranen der Oppositionsbewegung gegen die Besatzung Syed Ali Shah Geelani, der allgemein als einziger Führer verehrt wird, der keine Kompromisse geschlossen hat, wurde von den Protestierenden mit Verachtung zurückgewiesen. Es muss hinzugefügt werden, dass Geelani die Unabhängigkeit gleichsetzt mit einem Anschluss an Pakistan. Er unterhält langjährig Verbindungen mit dem pakistanischen Militär. Für die neue Bewegung hingegen bedeutet Freiheit Unabhängigkeit von den Nachbarstaaten, die beide Hoheit über das Kaschmir-Gebiet beanspruchen.

Die neue Lage durch das Auftauchen dieser machtvollen Bewegung ähnelt der von 1989, als die Jugend sich nach der eindeutigen Wahlfälschung in Kaschmir unter Führung der Jammu- und Kaschmir-Befreiungsfront, einer bürgerlich populistischen Partei, bewaffnete. Dieser nationale Befreiungskampf wurde sowohl von der muslimischen Mehrheit wie auch der Pandit-Gemeinschaft geführt, die dem Hindu-Glauben anhängt. Als die indische Armee die Rebellion ersticken konnte, wurde das politische Vakuum zunächst von Dschihadkämpfern ausgefüllt, die mit Unterstützung aus Pakistan die Bewegung entlang religiöser Linien spalteten und die Mehrheit der Pandit ins Exil nach Indien vertrieben.

Deshalb ist es bedeutsam, dass Wani in seinem letzten Video versicherte, dass Hindus, die auf die Amaranth-Pilgerreise in Kaschmir gehen wollten, von seinen Kräften nicht angegriffen würden, und dass sie die Ausübung ihrer Religion respektieren würden. Er rief sogar alle Pandits auf, nach Kaschmir zurückzukehren und in guter Nachbarschaft mit Moslems zu leben. Wani verurteilte alle Versuche, eine „Siedlungspolitik nach israelischer Art“ zu betreiben.

Klar geht aus der Geschichte Kaschmirs seit der Teilung Indiens nach dem Abzug der britischen Kolonialisten hervor, dass der pakistanische Staat kein Freund des kaschmirischen Volkes ist, sondern es immer nur für seine eigenen Zwecke missbraucht hat. Genauso klar ist jedoch, welche Folgen die Schwäche und die Zugeständnisse an den Nationalismus durch die Hauptkräfte der indischen Linken haben. Statt die Befreiungsbewegung und das Recht der Kaschmiris auf nationale Selbstbestimmung zu verteidigen, haben sie nur zum „Frieden“ aufgerufen und im Namen der Opposition gegen den religiösen Fundamentalismus die gesamte Bewegung auf die Frage von gewalttätigem religiösen Extremismus verkürzt.

Der einzige Weg vorwärts für die Bewegung in Kaschmir kann nur im Aufbau einer neuen Führung liegen, die nicht nur unabhängig von den beiden Nachbarstaaten, sondern auch von der Kapitalistenklasse in Kaschmir ist. Nur auf Grundlage eines Programms der Vergesellschaftung der Hauptwirtschaftsquellen des Landes und ihrer Entfaltung durch demokratischen Organisationen der ArbeiterInnen und BäuerInnen, die sie bewirtschaften, kann es Fortschritt geben, und das heißt: ein unabhängiges sozialistisches Kaschmir.

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Nr. 211, Juli/Aug. 2016

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