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Britannien

Der Kampf um die Labour Party geht in die nächste Runde

K.  D. Tait, Red Flag, Infomail 894, 14. Juli 2016

Der erste Anlauf eines Putschversuchs von Parlamentsabgeordneten der Labour Party gegen den in Urabstimmung gewählten Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn ist gescheitert – eine Welle von Neueintritten war die Antwort.

Entschieden ist der Kampf um die Labour Party aber noch lange nicht.

Seit Ende Juni sind laut der Zeitschrift New Statesman 200.000 Menschen in die Labour Party eingetreten. Mit nunmehr 600.000 Mitgliedern hat sie den höchsten Mitgliederstand seit 50 Jahren.

Dieses Massenphänomen führt die Behauptung der Parteirechten ad absurdum, Corbyn könne keine Anziehungskraft auf die Bevölkerung ausüben.

Ortsverbände melden, dass der Großteil der Neumitglieder eingetreten ist, um Jeremy Corbyn zu verteidigen. Der Wahlkreis Hull West des ehemaligen Innenministers Alan Johnson stimmte vor kurzem mit überwältigender Mehrheit für die Unterstützung von Corbyn, genau wie der Ortsverband Wallasey von Angela Eagle, der neuen Gegenkandidatin Corbyns.

Unter den Eingetretenen befinden sich zwar auch Rechte, doch die ErbInnen des ehemaligen Vorsitzenden Tony Blair, die 2010 und 2015 die Wahlen verloren, halten zahlenmäßig keinen Vergleich aus mit jenen, die einen Politikwechsel wollen.

Die Attacken der rechten Fraktion richteten sich fast ausschließlich gegen Corbyns angebliche Führungsschwäche. Sie wollen offenkundig verschleiern, dass ihre politischen Rezepte ein etwas abgemildertes Kürzungsprogramm und Attacken auf MigrantInnen und Flüchtlinge beinhalten.

Der Fehlschlag des treffend benannten ‚Küken-Putsches’ war ebenso spektakulär wie kläglich. Die Labour-Parlamentsabgeordneten und Stadträte, die die Drecksarbeit für die Konservativen verrichtet haben, indem sie Arbeitsplätze und Sozialleistungen abbauten, sind mehr denn je isoliert von Mitgliedern und Labour-Wählerschaft.

Mit der Einscheidung, eine Urabstimmung durchzuführen, geht die Auseinandersetzung weiter. Die Mehrheit der Parlamentsfraktion, das Zentrum der Parteirechten, hatte vor, Corbyn überhaupt vom Antreten zu blockieren, da er die nötigen UnterstützerInnen unter den Abgeordneten nicht aufbringen könnte. Das National Executive Committee (NEC) von Labour, also der Parteivorstand, entschied am 12. Juli, dass Corbyn gemäß den Parteistatuten als amtierender Vorsitzender automatisch das Recht habe anzutreten. Als Gegenkandidat des rechten Flügels werden wahrscheinlich Owen Smith und Angela Eagle ins Rennen gehen (sofern nicht eine/e von beiden ihre/seine Nominierung zurückzieht).

Nachdem etliche Corbyn-UnterstützerInnen die Sitzung verlassen hatten, hat das NEC allerdings auch zwei Entscheidungen getroffen, die die Rechten begünstigen. Erstens soll es bis zur Urabstimmung im September keine Parteiversammlungen mehr geben, um „Übergriffe“ auf Parteirechte zu verhindern. Zum anderen sollen alle, die in den letzten Wochen der Partei beigetreten sind, nur dann abstimmen dürfen, wenn sie einen Zusatzbetrag von 25.- Pfund zahlen. Dies ist eine Provokation gegenüber Hunderttausenden und zeigt auch, für welche Demokratie die Parteirechte und der Apparat stehen. Es zeigt aber auch, dass Corbyns Anhänger in der Führung selbst nicht genügend auf die Manöver der Rechten vorbereitet waren.

Wir können jedenfalls nicht damit rechnen, dass die Rechten einfach aufgeben. Die Linke sollte in dieser Lage den politischen Kampf um die grundlegenden Differenzen forcieren. Auch wenn mehr und mehr Mitgliedern klar wird, wofür die PutschistInnen einstehen, so heißt das nicht, dass es nicht weiter Menschen gibt, die desinformiert oder unklar sind.

Die Anschläge der Rechten auf die innere Demokratie – Verbot von Versammlungen, Ausschluss von Mitgliedern vom Wahlrecht – dienen dazu, eine offene Debatte und damit die Einflussnahme der Linken und politisch bewusstesten Teile der Partei auf die Masse der Mitglieder zu verhindern.

Zugleich muss das mit einer politischen Diskussion verbunden werden, wie die Partei die Krise der regierenden Tories ausnutzen kann und gegen die kommenden Angriffe mobilisieren soll. Um zu gewährleisten, dass die Partei eine wirkungsvolle Führung für Millionen erwartungsvolle WählerInnen darstellt, müssen wir sie für diesen Zweck in Form bringen.

Die Gelegenheiten durch den gewaltigen Mitgliederzustrom seit der Unterhauswahl im Mai und der Urabstimmung über den Parteivorsitz im September wurden verpasst, weil die Führung um Corbyn und die Momentum-Bewegung schädliche Zugeständnisse in Bezug auf die Parteidemokratie gemacht haben und die Kürzungen der Gemeinde- und Stadtverwaltungausgaben durchgehen ließen, um die Kooperation des rechten Flügels versuchsweise zu sichern.

Diese Fehler dürfen sich nicht wiederholen. Der krasse Putschversuch hat die Entschlossenheit der Mitgliedschaft, Druck zu machen und die Kontrolle über die Partei in die eigenen Hände zu bekommen, erneuert.

Der Mitgliederzuwachs ist ein Protest gegen die alte Ordnung. Aber in Labours 600.000 Mitgliedern und den Millionen angegliederter GewerkschafterInnen schlummert auch der Keim einer Macht, die sich auf eine neue sozialistische Ordnung gründet.

RevolutionärInnen müssen den neuen Mitgliedern helfen sich zu organisieren durch praktische Unterstützung und politische Vorgaben, um die Labour-Bewegung von den diskreditierten RepräsentantInnen des Establishments zu befreien.

Die Zeit der Nettigkeiten und Kompromisse ist vorbei. Unter Corbyns Führung hat die Partei schon eine Reihe von wichtigen Erfolgen errungen. Doch wenn wir in der Gegnerschaft gegen die Konservativen voranschreiten und Erfolge für die arbeitende Bevölkerung erreichen wollen, müssen wir den politischen Kurs und die VertreterInnen der Partei entscheidend ändern.

Demokratie: die Parlamentsabgeordneten und Stadträte müssen die Sichtweise der Parteimitglieder widerspiegeln. Wenn die Abgeordneten die Linie der Führung nicht befolgen können oder wollen, müssen sie denen Platz machen, die diese umsetzen wollen. Die Jahreskonferenz wird wahrscheinlich die neue Mitgliedschaft nicht widerspiegeln. Deshalb muss die Partei neue Mitglieder in die Diskussion über eine Politik einbeziehen, die unsere RepräsentantInnen zur Rechenschaft ziehen und die Partei so schnell wie möglich auf ein Kampfprogramm verpflichten kann. Parteiversammlungen dürfen während der Abstimmung um den Vorsitz nicht ausgesetzt werden. Sie müssen organisiert gegen die Entscheidung des NEC vorgehen und (a) auf einer demokratischen Diskussion im Wahlkampf um den Vorsitz beharren und (b) darauf bestehen, dass alle Mitglieder, also auch alle neu Eingetretenen, abstimmungsberechtigt sind.

Keine Kürzungen: die neuesten Steuererleichterungen der Tories für Unternehmen und die Gefahr einer neuen Rezession bringen mehr Kürzungen im Sozialhaushalt. Wir müssen eine Einheitsfront aller Labour-, Gewerkschafts- und Gemeindeorganisationen aufbauen und den koordinierten und wirkungsvollen Kampf gegen jede Kürzung  führen.

Alternative: der Zustrom neuer Mitglieder, von denen viele zum ersten Mal politisch aktiv geworden sind, bietet eine seltene Chance zu überdenken, welche Art von politischem Programm wir vorschlagen sollten. Wir brauchen eine große Debatte in der ganzen Partei, worin Labours Alternative liegen soll. Massenversammlungen sollten die VertreterInnen aus der Führung, der Mitgliedschaft, den Gewerkschaften und den Leuten, die von den Kürzungen betroffen sind, zusammenführen, und sie sollten gemeinsam über den Weg vorwärts diskutieren.

Die wirklichen Bedürfnisse der ArbeiterInnenklasse in den vernachlässigten ehemaligen Industriegebieten müssen durch eine massive Kampagne zur Wiederbelebung mit gut bezahlten Arbeitsstellen, sozialem Wohnungsbau, guten Schulen und Krankenhäusern angepackt werden. Die Verbesserungen im Alltagsleben würden jungen Leuten Chancen bieten, die Gemeinden wiederbeleben und einen mächtigen Gegenpol zum Rassismus bilden, der den Unschuldigen die Schuld an den Problemen zuschieben will, die das kapitalistische System und seine herrschende Klasse geschaffen hat.

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Nr. 211, Juli/Aug. 2016

*  Khartum-Prozess: Auffanglager als Entwicklungshilfe
*  Kampf gegen Rassismus: Welche Taktik brauchen wir?
*  Kampf der Frauenunterdrückung: Weg mit § 218 und § 219!
*  Mahle-Konzern: Vor der Kapitulation?
*  Brexit 2016: Kein Grund zur Freude
*  Für eine internationale europäische Konferenz: Widerstand - europaweit!
*  Frankreich: Die Frage des Generalstreiks
*  Neues BND-Gesetz: Stasi 2.0 war gestern, jetzt kommt Stasi 3.0
*  23. - 28. August Sommerschulung: Revolutionärer Marxismus/REVOLUTION-Camp
*  Brasilien: Olympia im Zeichen von Korruption und Krise