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Schwarzbuch Bahn

Wem die Kritik zu weit geht ...

Alice Berg, Neue Internationale 146, Februar 2010

Pünktlich zum Winterchaos auf Deutschlands Bahnnetz ist auch ein „Schwarzbuch Bahn“ erschienen. In vielen Details wird dargestellt, was schief läuft beim größten Verkehrsunternehmen des Landes. So manche Ausrede des Bahnmanagements wird als Zwecklüge entzaubert. Als Ursachen für schlechten Service und Verspätungen werden z.B. das Sparen bei Erneuerungen und das Aufschieben längst überfälliger Wartungs- und Reparaturarbeiten benannt.

So weist das Buch auch den Einsatz von Subunternehmen nach, die Löhne von 1,5-6,50 Euro pro Stunde zahlen, und dass die Beschäftigten enormem Druck ausgesetzt sind - z.B. durch gesundheitsschädliche Schichtsysteme von 10 bis 12 Stunden-Schichten für LokführerInnen. Dabei nimmt die Bahn AG „natürlich“ auch ein höheres Sicherheitsrisiko in Kauf.

Schließlich soll der Bahn-Konzern Gewinn machen - auf Kosten von Einkommen und Gesundheit der Beschäftigten wie auf Kosten der Masse der KundInnen. Dazu wurde schließlich auch das Streckennetz ausgedünnt und auf die IEC-Flotte hin umgebaut.

Kritik von bürgerlicher Seite

Zweifellos hat das Buch seine analytischen Schwächen. Aber es ist bezeichnend, dass die konservativen und neoliberalen Blätter wie Die Welt oder das Handelsblatt in ihren Rezensionen dem Buch genau das vorwerfen, was an Ursachenforschung richtig ist. Die Autoren verweisen nämlich zu Recht darauf, dass der Privatisierungskurs und der geplante Börsengang ursächlich für Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, Einsparungen und schlechteres Angebot für die Masse der KundInnen bei stetig steigenden Preise verantwortlich ist. Sie verweisen darauf, dass die Regierungen der letzten Jahre genau den Kurs für die Bahn ausgegeben haben, der sich jetzt in den im Schwarzbuch gesammelten Missständen offenbart. Und sie prangern auch den Filz zwischen Bahnmanagement und Staat an, der nur eine Profitbahn im Auge hat.

„Kritik“ an der Bahn ist nur solange statthaft, solange sie als „Argument“ zu schnellerer Privatisierung und Börsengang dient, solange sie zur Begründung des bestehenden Geschäftszieles dient, einen international konkurrenzfähigen kapitalistischen Logistikkonzern aufzubauen.

Klassenstandpunkt

Für Beschäftige und GegnerInnen des gegenwärtigen Bahnkurses ist das Schwarzbuch nützlich als Faktenspeicher, der tausende Beispiele für Missstände liefert.

Die politische Lösung fällt bei den Autoren allerdings etwas dürftig aus, setzt sie doch auf Klagen, Einsprüche und bessere, „unparteiische“ staatliche Kontrolle. Auch ihre Kritik an der Privatisierung ist keineswegs so konsequent, wie es die bürgerlichen Blätter hinstellen, wenn sie z.B. mit eine Loslösung des Schienennetzes von der Bahn liebäugeln, um “fairen Wettbewerb” zu sichern.

Doch wer hätte schon gedacht, dass zwei ZDF-Journalisten eine politische Strategie zur Durchsetzung der Interessen der Bahn-Beschäftigen und KundInnen liefern könnten? Das müssen wir schon selbst tun - im Kampf gegen die weitere Privatisierung, gegen Entlassungen, für ausreichende Investitionen in Erneuerung, Wartung und Verbesserung. Doch dafür, dass die Bahn in unserem Interesse fährt, dass sie kostenlosen Nahverkehr anbietet und günstige Angebote für die KundInnen zur Verfügung stellt - dazu müssen wir nicht nur gegen weitere Verschlechterungen, sondern v.a. für die Kontrolle der Bahn durch die Beschäftigten, die Gewerkschaften und Ausschüsse der BahnkundInnen kämpfen!

Christian Esser/Astrid Randerath: "Schwarzbuch Deutsche Bahn", C. Bertelsmann Verlag, 304 Seiten, 19,95 Euro (ISBN: 978-3-570-10036-3)

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Nr. 146, Februar 2010
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