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Schwarze-Gelbe Regierung und Angriffe des Kapitals

Die politische Lage, die Taktik und der Aufbau der revolutionären Partei

Thesen der Gruppe Arbeitermacht, Neue Internationale 144, November 2009

1. Der Ausgang der Wahl, die rasche Bildung einer schwarz/gelben Regierung, der Einbruch der SPD und das Wachsen der Linkspartei drücken eine wachsende gesellschaftliche und politische Polarisierung aus.

Warum ein Generalangriff für das Kapital notwendig ist

2. Die herrschende Klasse hat mit der neuen Regierung jene politische Exekutive erhalten, die es wollte. Sie soll möglichst rasch einen strategischen Angriff auf die Arbeiterklasse - also auch auf zentrale Teile der Arbeiteraristokratie - durchführen. Zentrale Elemente dieses Angriffs werden sein:

Massenentlassungen in der Privatwirtschaft, besonders in der Industrie, aber auch im Öffentlichen Dienst;

Angriffe auf soziale Sicherungssysteme, staatliche Leistungen, kommunale Einrichtungen, das Bildungswesen usw.;

Fortsetzung und Verschärfung der Privatisierung;

Angriffe auf wichtige Rechte der Lohnabhängigen (z.B. Kündigungsschutz);

Zerstörung der bestehenden Macht der Gewerkschaften und der Arbeiterbürokratie auf nationaler Ebene;

Erhöhungen der Massensteuern bei gleichzeitiger Entlastung von Unternehmen und „Leistungsträgern“;

Sicherung großer Konzerne, die von strategischer Bedeutung für den deutschen Imperialismus und das Finanzkapital sind, auf Kosten der Arbeiterklasse, ja der gesamten Gesellschaft (z.B. Atomwirtschaft, Rüstung).

3. Zugleich wird die Politik der Bildung eines europäischen imperialistischen Blocks unter deutsch-französischer Führung fortgesetzt, Militarisierung und Interventionspolitik fortgeschrieben und intensiviert.

4. Diese Entwicklung findet vor dem Hintergrund einer historischen Krisenperiode des Kapitalismus statt. Das Ende der Rezession (die selbst rasch neu Aufflammen kann) bedeutet keineswegs eine Beseitigung der Krisenursachen, noch ihrer Folgen wie massive Überakkumulation von Kapital, Überkapazitäten, verschärfte Konkurrenz. Die „Rettungsmaßnahmen“ für das Finanzkapital haben vielmehr zum Wachsen einer neuen Spekulationsblase geführt, die früher oder später erneut zerplatzen muss.

Vor allem aber hat der Zusammenbruch der Globalisierungsordnung, die massive Schwächung der US-Vorherrschaft eine neue Periode eröffnet, die von einem immer schärferen Aufbrechen der Gegensätze zwischen den imperialistischen Mächten auf ökonomischer, politischer, diplomatischer und letztlich militärischer Ebene gekennzeichnet sein wird.

5. All das bedeutet, dass die herrschende Klasse in Deutschland die „eigene“ Arbeiterklasse angreifen muss, wie nie seit der Etablierung der Nachkriegsordnung Ende der 1940er Jahre.

6. Darüber dürfen auch die Beschwichtigungen der neuen Regierung, der bürgerlichen Presse und der Unternehmerverbände nicht hinwegtäuschen. Es geht um fundamentale Rechte und Positionen der Arbeiterklasse. Die Überkapazitäten der deutschen Industrie werden zu Entlassungen und „Anpassungen“ führen und nicht mehr lange mit Kurzarbeitergeld gedeckelt werden können. Die geforderte Aufhebung des Kündigungsschutzgesetzes „nur für Neueinstellungen“ ist der Anfang vom Ende dieser Regelung.

7. Nicht nur die FDP, auch der Unternehmerflügel der CDU ist deutlich stärker geworden. Innerhalb des bürgerlichen Lagers ist die Betonung des „sozialen Ausgleichs“ - auch als Beschwichtigung von Teilen der Union, vor allem der CSU -, deutlich geschwächt.

8. Die Rhetorik der Regierung und der bürgerlichen Presse drückt jedoch auch, dass sich die Regierung bewusst ist, dass sie zwar ein in wesentlichen Punkten neoliberales Programm des Großkapitals und eine Programm der Stärkung der imperialistischen Macht BRD umsetzen will und muss - zugleich aber einer gesellschaftlichen Mehrheit und einer Arbeiterklasse gegenübersteht, die gegen dieses Programm eingestellt ist. Sie weiß auch, dass der Wahlerfolg der LINKEN und die Erosion der SPD eine Polarisierung nach links bedeuten.

9. Der Generalangriff auf die Arbeiterklasse und alle Unterdrückten lässt sich in letzter Instanz jedoch trotz solcher Probleme nicht vermeiden und muss geführt werden. Er zielt auf eine grundlegende Umwälzung des Kräfteverhältnisses - sprich die endgültige Zerstörung des Regimes der Klassenzusammenarbeit zwischen Lohnarbeit und Kapital, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Dieses Regime hat dem deutschen Imperialismus jahrzehntelang hervorragend gedient und wesentlich zur Integration und Befriedung der Arbeiterklasse beigetragen. Aber es hat seit den 80er Jahren, v.a. seit dem Ende des Kalten Krieges ausgedient und ist zu einem Hindernis für die Weltmachtambitionen des deutschen Imperialismus geworden.

10. Rot/Grün und die Große Koalition haben dem massiv vorgearbeitet. Ihre „Reformen“ haben zu einer Schwächung der Arbeiterbewegung und zur enormen Ausdehnung ungesicherter und unterbezahlter Arbeit geführt. Sie haben die gesellschaftlichen Positionen der organisierten Gewerkschaftsbewegung dramatisch untergraben. Das zeigt der Rückgang der Gewerkschaftsmitgliedszahlen, der politische Rückzug der Bürokratie, aber auch der Niedergang der SPD selbst. Rot/Grün und Große Koalition haben massiv vorgearbeitet - sie haben den Job aber noch nicht erledigt. Das steht jetzt unter Schwarz/Gelb bevor.

11. Die extreme Rechte und die Faschisten haben bei den Wahlen keinen Durchbruch erreichen können und stehen auch nicht kurz davor. Die gegenwärtige Angriffspartei des Kapitals heißt FDP, nicht NPD. Das darf aber nicht als Entwarnung vor den brauen Banden missverstanden werden. Vielmehr ist deren Stärkung zu befürchten, ja wahrscheinlich, wenn es der Arbeiterklasse nicht gelingt, einen internationalistischen und kämpferischen Widerstand gegen Krise und Kapitalismus zu entfachen; wenn es ihr nicht gelingt, die Massen hinter einem Programm für eine proletarische Alternative gegen Kapital und Kabinett zu sammeln. Die - in diesem Fall - unvermeidliche Demoralisierung und die erlittenen Niederlagen könnten den Rechten in die Hände spielen.

Das zeigt aber auch, dass jeder, im Grunde bürgerliche „Antifaschismus“, der den Kampf gegen die Angriffe des Kapitals und gegen den Kapitalismus künstlich vom Kampf gegen die Nazis trennt, nur ins Desaster führen kann.

Die Rolle der Gewerkschaftsführungen

12. Die Gewerkschaftsführungen spielen in dieser historischen Krise und angesichts des kommenden Generalangriffs eine extrem reaktionäre Rolle. Sie lehnen es strikt ab, die Dinge beim Namen zu nennen, den grundlegenden Charakter der Krise und der kommenden Angriffe zu benennen. Sie verschleiern sie mit allen Mitteln und versuchen, die ArbeiterInnen vor den Karren „ihrer“ Unternehmen zu spannen, Arbeitsplätze für immer größere Zugeständnisse zu „retten“ und hoffen, dass die Regierung fortfährt wie die Große Koalition. Schon wenige Stunden nach der Wahl verklärten Sommer und Co. die Vorgängerregierung von Schwarz/Gelb zu einer des „sozialen Ausgleichs“. Sie bieten der Regierung die „Zusammenarbeit“ an, wenn sie nur weitermacht wie bisher, also den DGB- und seine Einzelgewerkschaften beim Sozial- und Jobabbau einbezieht.

13. Doch das Kapital will mehr. Es geht ihm um's Ganze. Die „Forderungen“ der Bürokratie werden nicht zu einer Erneuerung der „Sozialpartnerschaft“ führen, sondern zur Schwächung der Kampfkraft der Arbeiterklasse, sie werden schärfere Angriffe nicht verzögern, sondern ermutigen.

14. Angesichts der drohenden Angriffe und der aktuellen Krise wird jedoch für mehr und mehr Lohnabhängige - inner- und ausserhalb der Gewerkschaften, ja auch im Funktionärskörper - auch offenkundiger, dass die Gewerkschaftsführungen keine tragfähigen Antworten haben. Die Politik der Bürokratenschicht selbst ist nicht nur reaktionär, die Gewerkschaftsführung steckt auch in einer tiefen „Glaubwürdigkeitskrise“ in der Klasse.

15. Anders als manche kleinbürgerliche oder reformistische Linke bedauern wir das nicht, sondern erkennen darin eine wichtige Chance dafür, den Würgegriff der Bürokratie über die Arbeiterklasse zu schwächen und letztlich zu brechen.

16. Die Bürokratie in den Gewerkschaften gerät nicht nur „von oben“ durch immer heftigere Attacken der herrschenden Klasse unter Druck. Sie wird auch zunehmend von unten, in den Betrieben unter Druck geraten, von Belegschaften, die sich einfach wehren müssen, wollen sie nicht vor die Hunde gehen, und von ArbeiterInnen, die nicht kampflos Errungenschaften wie den Kündigungsschutz aufgeben wollen.

17. Hinzu kommt, dass die Schwächung der SPD und die Etablierung der Linkspartei als bürgerlicher Arbeiterpartei, die nunmehr bundesweit eine organische Verankerung in der Arbeiterklasse und organisierten Arbeiterbewegung hat, die Situation in der Arbeiterbewegung qualitativ verändert hat. Seit der Zerschlagung der KPD in Westdeutschland gab es keine alternative Massenpartei zur SPD mehr in der Bundesrepublik, die sich sozial und organisatorisch auf die Arbeiterbewegung stützt.

18. Das bedeutet auch, dass die generelle Unruhe in den Betrieben, zusätzlich von einer politischen Differenzierung in der Arbeiterklasse begleitet ist. Auch wenn SPD und DIE LINKE beide bürgerliche Arbeiterparteien, beide reformistische Parteien sind, so fördert allein ihre Existenz auch eine politische Diskussion unter den Lohnabhängigen darüber, welche politische Alternative notwendig ist. Sie bedeutet außerdem auch einen Konflikt innerhalb der Bürokratie - selbst wenn die zentralen Schaltstellen letztlich in SPD-Hand verbleiben - und somit zusätzliche Instabilität.

SPD und Linkspartei

19. Der Wahlerfolg der LINKEN, aber auch die Desintegration der SPD bedeutet, dass eine große Minderheit der Klasse gegen die neue Regierung angehen will. Selbst die abnehmende Wahlbeteiligung bedeutet ja nicht einen prinzipielle Ablehnung „der Politik“, des parlamentarischen Systems oder von Wahlen als solchen, sondern dass Millionen sozialdemokratische WählerInnen der SPD nicht mehr ihre Stimme geben wollten - aber auch (noch) nicht der LINKEN oder einer anderen Partei.

20. Auf politischer Ebene werden sich die Konflikte in der SPD verschärfen zwischen einen Flügel, der die Agenda-Politik fortsetzen und verteidigen will und einem, der Rot-Rot-Grün als strategische Option für eine neue „Machtperspektive“ sieht und vorgeblich „die grundsätzlichen Korrekturen“ an der SPD-Politik der letzten 10 Jahre „ernst nehmen“ will. Die Tatsache, dass Steinmeier und Konsorten nach dem Debakel, das sie maßgeblich zu verantworten haben, nicht zurücktreten, sondern die Partei in der Opposition führen wollen; die Tatsache, dass Matschie eine Zerreißprobe der SPD in Thüringen riskiert, um eine Koalition mit der CDU als farbloser Junior-Partner fortzusetzen, zeigt, dass der rechte SPD-Flügel die Partei keineswegs kampflos den „Linken“ überlassen will, sondern dem Kapital weiter die Mauer machen will in Form einer „maßvollen“ Oppositionspolitik.

21. Das drückt aus, dass die herrschende Klasse auch weiter in die parlamentarische Opposition hinwirkt, dass neben der Intervention in die SPD auch die Gewinnung der GRÜNEN für Koalitionen mit der CDU bzw. CDU/FDP eine strategische Option ist. Während wir davon ausgehen können, dass dieser Rechtsschwenk bei den GRÜNEN kaum zu Spannungen führen wird, so wird die SPD für eine ganze Phase, womöglich über mehrere Jahre von schweren inneren Konflikten geprägt sein.

22. DIE LINKE hat sich bei den letzten Wahlen nicht nur gefestigt, sie drückt auch Hoffnungen und Illusionen von Millionen ArbeiterInnen und Arbeitslosen, von den fortgeschritteneren Teilen der Arbeiterklasse aus. Die Führung der LINKEN hat auch ihr Prestige gestärkt und liegt jetzt klar in den Händen von Lafontaine und jener Teile, die sich auf die westdeutsche Arbeiterbürokratie stützen und ihrer „Ostverbündeten“. Der Einfluss des rechten Flügels der Partei wird zurückgehen zugunsten einer Allianz der Keynesianer mit einem gewichtigen Teil des Ost-Apparates.

23. Diese gestärkte Parteiführung, die sich außerdem noch auf einen vergrößerten Apparat stützen kann, wird ihrerseits die strategische Ausrichtung auf Rot-Rot-Grün forcieren, d.h. Landesregierungen mit der SPD und den Grünen bilden. Berlin wird von einer Narbe im Gesicht der Linkspartei zu einem „Modell“ werden (wie Lafontaine und Gysi bereits im Wahlkampf gesagt haben). Dem sollen weitere „Modelle“ hinzugefügt werden (Brandenburg) oder wenigstens Zusammenarbeit mit der SPD in der Opposition (z.B. Saarland, wenn möglich NRW). Das heißt die politisch-strategische Ausrichtung der LINKEN-Führung wird nach rechts gehen (wenn auch mit linker Rhetorik verhüllt), d.h. Die LINKE wird ihr Konzept als „Bewegung der SPD zur LINKEN“ verkaufen, während sie in Wirklichkeit natürlich auch ein Zubewegen auf die SPD und die GRÜNEN ist (und nur sein kann).

24. Vor allem aber werden DIE LINKE, die SPD-Linke, die Gewerkschaftsbürokratie - also die großen Apparate in der Arbeiterbewegung - unter den Druck der Krise und ihrer eigenen AnhängerInnen oder WählerInnen kommen. Dieser Prozess ist praktisch unvermeidlich, wenn auch seine Schärfe und Form schwer voraussehbar ist.

25. DIE LINKE, die SPD-Linke und die Gewerkschaftsspitzen werden die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen, den Generalangriff nicht mit einer Klassenschlacht, mit verallgemeinertem Abwehrkampf beantworten wollen, sondern durch parlamentarische Manöver, die „Schaffung von gesellschaftlicher Hegemonie vor den Kämpfen“ usw.

26. Das strategische Konzept der LINKEN ist die Schaffung eines „anti-neoliberalen Blocks“ aus Linkspartei, Gewerkschaften, SPD (u.U. mit den Grünen). Unstrittig ist in allen Flügeln der Linkspartei, dass die Gewerkschaftsführungen und die etwas nebulöse „SPD-Linke“ unverzichtbarer Bestandteil dieses Blocks sind. Unumstritten ist auch, dass die SPD dazu gehören müsse bzw. dafür gewonnen werden müsse. Offen ist in der Linkspartei bis weit in den linken Flügel nur, wie das passieren soll - sprich durch mehr Druck auf die SPD und Kritik oder durch permanente Koalitionsavancen.

27. Wachsender Widerspruch zwischen der Politik der reformistischen Führungen und den Erfordernissen des Kampfes

28. Somit geraten die politischen und gewerkschaftlichen Führungen der Klasse unvermeidlich zu den Erfordernissen des Klassenkampfes immer mehr in offenen Widerspruch. Dies müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir die Perspektiven des Klassenkampfes betrachten. Die ganze Lage in Deutschland - wie international - ist von einer tiefen Krise der proletarischen Führung gekennzeichnet. Die Krise erfordert rasche und klare Antworten, wie, um welche Forderungen, mit welchen Aktionen der Kampf geführt werden soll und muss. Sie erfordert eine klare Antwort, wie klassenkämpferische und revolutionäre Kräfte zu einer wirklichen politischen Kraft in der Avantgarde der Klasse und damit zur Führung der Klasse insgesamt werden können.

29. Die Tiefe der Krise bedeutet auch, dass kämpferische, revolutionäre Antworten für größere Teile der Klasse ein reales Bedürfnis sind. Das heißt auch, dass die Avantgarde in der kommenden Periode weitaus empfänglicher für kommunistische, revolutionäre Antworten ist bzw. sein wird, als das seit dem Sieg der Konterrevolution 1990 der Fall war. Es reicht hierfür jedoch nicht aus, richtig festzustellen, dass die Chancen für den Aufbau der revolutionären Partei günstiger geworden sind. Wir müssen auch konkret benennen, welche politischen Taktiken notwendig sind, um den Widerstand zu formieren und den Einfluss der Reformisten zu brechen.

30. Auch wenn der Generalangriff und eine Klassenkonfrontation von historischem Ausmaß bevorstehen, so wäre es müßig, darüber zu spekulieren, auf welchem Gebiet, zu welchem Thema der Funke einen Flächenbrand entzünden kann - nicht zuletzt, weil die Führungen der Arbeiterbewegung genau diesen Flächenbrand verhindern wollen.

31. Klar ist aber, dass die Gewinnung der Arbeitermassen in den Großbetrieben und im Öffentlichen Dienst, eine Schüsselfrage sein wird. Es ist durchaus vorstellbar, dass ein politischer Angriff wie die geplante Streichung des Kündigungsschutzes selbst die DGB-Gewerkschaftsführungen dazu zwingt, politische Massendemonstrationen, wenn nicht sogar Streiks oder Versammlungen in den Betrieben zu organisieren. Ebenso könnte die Massenentlassung in einem strategischen Großbetrieb wie z.B. bei Daimler zu Streiks und Besetzungen führen, die aufgrund des strategischen Gewichts eines solchen Konzerns für das deutsche Kapital zu einer Machtprobe werden, deren Ausgang für die gesamte Klasse entscheidend ist. Ebenso könnte ein Angriff auf den Bildungssektor oder auf die Arbeitslosen („Bürgergeld“) eine spontane Radikalisierung ähnlich der Montagsdemos entfachen.

32. Wir dürfen einen solchen Angriff niemals bloß als „ökonomischen“ oder „sozialen“, wie müssen ihn immer als politischen Angriff betrachten, der daher auch eine politische Antwort braucht.

Die Notwendigkeit, die Trennung von ökonomischem und politischem Kampf zu überwinden

33. Die Trennung von „sozialer“ oder „ökonomischer“ Sphäre und jener der Politik - eine für die bürgerliche Gesellschaft typische Erscheinung - ist ein grundsätzliches Hindernis für die Entwicklung des Abwehrkampfes. Die von der Oberflächenerscheinung der bürgerlichen Gesellschaft selbst genährte und immer wieder reproduzierte Ideologie wird zusätzlich durch eine Jahrzehntelang etablierte Arbeitsteilung in der reformistischen Arbeiterbewegung verstärkt. Dieser spricht den Gewerkschaften den wirtschaftlichen Kampf um Tarife, Arbeitszeit usw. zu, während die reformistische Partei (SPD oder auch DIE LINKE) für Politik, Wahlen, politische Vertretung usw. zuständig ist. Diese Trennung wird darüber hinaus auch vom Anarchismus, Autonomismus und Syndikalismus reproduziert.

34. Allein der revolutionäre Marxismus vertritt nicht nur die Notwendigkeit der Überwindung dieser Trennung, er verfügt auch über die geeigneten Methoden, um z.B. ökonomische Kämpfe auf die Ebene einer bewussten politischen Konfrontation zu heben. Das unterlässliche Mittel dafür ist die kommunistische Partei der proletarischen Revolution.

35. Deshalb - und nicht nur wegen der Notwendigkeit, des Abwehrkampfes - ist auch eine Intervention einer kommunistische Organisation in den Betrieben und Gewerkschaften, aber auch in den Anti-Krisenbündnissen zentral. In den Gewerkschaften und Betrieben bedeutet dass, dass wir den Kampf für eine klassenkämpferische Basisbewegung und organisierte Opposition vorantreiben müssen. Das ist eine zentrale Losung unserer Agitation und Propaganda. In der Anti-Krisenbewegung ist es der Aufbau von landesweiten, regionalen und lokalen Anti-Krisen-Aktionsbündnissen und -Komitees. Im Kampf der Jugend gegen die Bildungsmisere ist es der Aufbau von Streik- und Aktionskomitees sowie einer SchülerInnen- und StudentenInnengewerkschaft.

36. Für die Anti-Krisenbewegung haben wir einen Kampf- und Aktionsplan formuliert, den wir in den nächsten Wochen und der kommenden Periode weiter konkretisieren und popularisieren wollen und müssen. Die darin enthaltenen Forderungen richten wir nicht nur als Vorschläge an die existierenden Bündnisse und die Gewerkschaftslinke. Wir kämpfen auch dafür, dass diese als Forderungen an die Gewerkschaften samt ihrer Führung, an die SPD, Schluss mit Agenda-Politik zu machen, und an DIE LINKE gestellt werden, ihren Wahlerfolg in Mobilisierung umzumünzen.

37. Neben den Taktiken in den Gewerkschaften und Bewegungen, ist es heute vor allem notwendig, Taktiken gegenüber der Linkspartei zu entwickeln. Sie ist heute zum Haupthindernis für die Schaffung einer revolutionären Partei geworden. D.h., dass die Kritik ihrer Politik, ihrer strategischen Orientierung, wie auch der „Linken“ in der LINKEN permanentes Thema unserer Propaganda sein muss.

Zugleich müssen wir diese Kritik mit der Anwendung der Methode der Einheitsfront gegenüber der LINKEN verbinden, um sie in praktische Auseinandersetzungen zu ziehen und ihren Mitgliedern, AnhängerInnen und WählerInnen praktisch eine Überprüfung ihrer Illusionen in diese Partei zu ermöglichen.

38. Im Falle eines deutlichen Zustroms von AktivistInnen zur LINKEN (oder einer Vorfeldorganisation wie dem SDS) und/oder im Falle einer scharfen inneren Polarisierung (z.B. um Koalitionen mit der SPD) kann eine Fraktionsarbeit oder auch ein Entrismus in der LINKEN (oder einer Vorfeldorganisation) notwendig werden. Heute sehen wir die Bedingungen dafür jedoch nicht gegeben.

39. Es ist ebenso möglich, dass eine spontane Eruption des Klassenkampfes, z.B. eine radikale Jugendbewegung, Arbeitslosenproteste, lange Betriebsbesetzungen und Kämpfe  und/oder eine Diskreditierung der LINKEN aufgrund ihrer Realpolitik in Landesregierungen oder ihrer Unterordnung unter die Gewerkschaftsbürokratie auch die Frage einer NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) auf die Tagesordnung stellen. Eine solche Entwicklung kann auch regional entstehen, z.B. aus Kämpfen, Wahlbündnissen usw. in Ländern, wo DIE LINKE regiert und die Arbeiterklasse angreift. Die Existenz der französischen NPA gilt schon heute AktivistInnen in Deutschland als anti-kapitalistisches „Gegenmodell“ zur reformistischen LINKEN. Eine solche Möglichkeit wird aber auch dadurch gefördert, dass es einen beträchtlichen Teil der Aktiven in den Anti-Krisenbündnissen oder bei der Jugend gibt, der auf dem Standpunkt steht, dass eine anti-kapitalistische Alternative notwendig ist - auch wenn es leider meist mit kleinbürgerlichen autonomen oder links-syndikalistischen Flausen kombiniert ist. Schließlich kommt hinzu, dass die aktuelle Krisenperiode reformistische Antworten sehr viel leichter in Frage stellt, diskreditiert und die Arbeiterklasse - besonders ihre Avantgarde - leichter gewinnbar macht für eine revolutionären Organisation, weil selbst die unmittelbare Erfahrung vielen verdeutlicht, dass dieses System der Menschheit keine Zukunftsperspektive bietet.

Zentrale Bedeutung des Aufbaus einer revolutionären Partei

40. Auch diese Überlegung zeigt, dass die Überwindung der Trennung von Politik und Ökonomie eine Schlüsselfrage der gegenwärtigen Periode darstellt. Die Reformisten  in Parteien und Gewerkschaftsbürokratie verteidigen diese Trennung. Die syndikalistische Alternative - sich nur auf die „soziale Bewegung“ zu versteifen - ist ein ökonomistischer, opportunistischer Fehler, der diese Trennung nicht aufhebt, sondern verstetigt, indem er den Reformisten die „schäbige“ Politik überlässt. Die Politik der Ultralinken, welche die systematische Einheitsfronttaktik gegenüber den Reformisten ablehnen oder mitunter gar den Kampf um konkrete Teilforderungen, tragen selbstredend auch nichts zur Ablösung der reformistischen Führung über die Massen bei, sondern helfen diesen vielmehr, ihre gewerkschaftliche oder politische Führungsrolle zu verewigen. Daher ist der Kampf für eine revolutionäre Führung auch unabdingbar mit dem Kampf nicht nur gegen die  reformistische Bürokratie, sondern auch gegen reinen Syndikalismus, Zentrismus und kleinbürgerlichen „Linksradikalismus“ verbunden.

41. Die aktuelle Periode bedeutet auch, dass auf uns als revolutionäre Organisation große Verantwortung und größere Möglichkeiten zukommen. Auch wenn wir noch eine kämpfende Propagandagruppe sind, so können wir in der kommenden Periode, d.h. in den nächsten Jahren, rasch wachsen. Schon heute ist deutlich, dass wir schon heute realen Einfluss auf größere Bündnisse und einzelne betriebliche Kämpfe ausüben können. Die gegenwärtige Periode bietet die Möglichkeit, beim Aufbau einer stärkeren revolutionär-kommunistischen Organisation in Deutschland und international einen bedeutenden Schritt voran zu kommen. Vorwärts zur 5. Internationale!

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Nr. 144, November 2009
*  Gewerkschaftslinke und Anti-Krisenkonferenz: Für einen Aktionsplan des Widerstandes
*  Nach der Regierungsbildung: Politische Lage, Taktik und der Aufbau der revolutionären Partei
*  IG BAU: Sieg dem Streik der GebäudereinigerInnen!
*  Angriffe auf Süd-Waziristan: Pakistan vor dem Bürgerkrieg?
*  Nordrhein-Westfalen: Die Landtagswahlen und das Projekt Rot-Rot-Grün
*  Klassenkampf: Für politische Massenstreiks!
*  Frankreich: Wir zahlen nicht für Eure Krise!
*  Interview: Uni-Besetzungen in Österreich
*  Geschichte und Untergang der DDR, Teil 1: Aufbruch und Erstarrung