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15.-18. Oktober: Sozialforum 2009 in Hitzacker

Abwehrkampf organisieren!

Bruno Tesch, Neue Internationale 143, Oktober 2009

Im Herbst schlägt nicht nur das Wetter um. Auch das politische und soziale Klima wird rauer. Nach den Bundestagswahlen wird die neue Regierung des Kapitals ein Programm auflegen, das die Kosten der Krise voll den Arbeitenden und Erwerbslosen aufbürden will.

Unter diesen Vorzeichen findet das bundesweite deutsche Sozialforum 2009 statt. Es ist nach 2005 das dritte seiner Art, die erst nach den internationalen Foren und auch nur im 2-Jahresturnus eingerichtet wurden. Den Auftakt bildete 2001 das Weltsozialforum in Porto Alegre (Brasilien), das als Gegenveranstaltung zum imperialistischen Gipfel der Welthandelsorganisation entstanden und eng mit der Antiglobalisierungsbewegung verbunden war.

Merkmale und Komposition der Foren haben sich seither gewandelt. Standen zu Beginn noch die reformistischen Massenorganisationen der imperialistischen Staaten in ihrer Mehrzahl der Bewegung skeptisch bis ablehnend gegenüber, haben sie mittlerweile begriffen, dass von den Foren eine gefährliche politische Dynamik ausgehen könnte, die sie nicht mehr in den Griff bekommen könnten.

Als sich in Deutschland 2003 überall Sozialforen zu formieren begannen, als am 1.11.2003 ohne Zutun des DGB 100.000 GewerkschaftsaktivistInnen und Linke in Berlin zu einer machtvollen Kundgebung gegen Sozialabbau aufmarschierten, als die Montagsdemos unterwegs waren, haben die Gewerkschaftsführungen in Absprache mit ihren ideologischen Kumpanen aus PDS und SPD gehandelt. Mittels Scharnierorganisationen wie Attac, die zu den Mitbegründern der Forumsbewegung gehörten, nutzten sie die zentrale Schwäche der Bewegung aus, deren organisatorische Dezentralität, mangelnde inhaltlich-programmatische Ge- und Entschlossenheit und lähmende Beschlußlosigkeit und kontrollierten bald die Weichenstellung für das erste bundesdeutsche Sozialforum.

Niedergang der Sozialforumsbewegung

Die Sozialforumsbewegung zerfiel, auch weil Aktionen auf betrieblich-gewerkschaftlicher Ebene (z.B. Niederlage der unabhängigen Streikaktion bei Opel-Bochum) keinen Schub im Klassenkampf brachten. In Hamburg bspw. mit ehedem etwa 30 beteiligten Organisationen und Initiativen sowie zentralen Veranstaltungen mit über 200 AktivistInnen spalteten bereits im Frühherbst 2004 die reformistischen und ‚gewerkschaftsnahen' Organisationen das übergreifende Stadtforum und hinterließen ein Trümmerfeld. Die stadtweite Organisierung ist verschwunden. Von den mindestens drei verschiedenen Forumsgruppen auf Stadtteilebene fristet seither noch eine einzige ihr Randdasein.

Bunte Vielfalt und Aufbruchstimmung sind längst einer bürokratisierten Forumsverwaltung gewichen, deren Ziel es ist, soziale Bewegungen zu entschleunigen, zu kanalisieren und deren Strom auf die Mühlen der reformistischen Parteien zu leiten. Zur Strategie der deutschen ForumsorganisatorInnen gehört neben dem zeitlichen Verzögerungsspiel auch, immer kleinere und dem Klassenkampf fernere Schauplätze zu wählen. Nach Erfurt, Cottbus soll nun das niedersächsische Hitzacker vom 15. bis 18.10. Tagungsort des deutschen Sozialforums sein.

Immerhin ist die räumliche Nähe zur Atommüll-Endlagerstätte Gorleben und dem wieder brisanter gewordenen und in der Region verankerten Widerstand gegen die Energiepolitik der Regierung ein symbolisches Zugeständnis an aktionsbereite Teile der Bewegung. Bei allen Unterschieden der Gestaltungsweisen der früheren und jetzigen Sozialforen auf Welt- oder Landesebene ist jedoch eines gemeinsam geblieben: die Unverbindlichkeit und Folgenlosigkeit. Das muss anders werden! Wir brauchen einen neuen Ansatz.

In ihrem Aufruf zur Teilnahme am Sozialforum schreibt die Gewerkschaft ver.di als größte und einflussreichste Organisation: „Unter den Bedingungen der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren und einer Politik, die die Kosten zur Krisenbewältigung auf die Allgemeinheit abwälzt, ist eine Verständigung über Alternativen und Wege zu ihrer Verwirklichung umso dringlicher.“

Selbstverständlich dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, mit ‚Alternativen und Wegen zu ihrer Verwirklichung' wäre etwas anderes gemeint als die alte Arbeitsteilung zwischen Politik und gewerkschaftlicher Arbeit. Die Tarifrundenrituale unter Oberaufsicht der Gewerkschaften sollen weiterhin nicht aufgebrochen werden und die politische Initiative in Form von Gesetzesanträgen zur Milderung von Krisenbelastungen SPD und Linkspartei überlassen bleiben. Als unabhängige Initiativen werden höchstens Bittschriften an den Bundestag gegen Hartz IV-Zwangsmaßnahmen und Leiharbeit mit Wohlwollen gesehen. So gut sie auch gemeint sein mögen, sie sind weder eine wirksame Waffe gegen die bürokratischen Apparate noch werden sie die kapitalistische Regierung vom Kurs des Sozialraubs abbringen.

Kampf gegen das kapitalistische System

Es wäre jedoch besonders angesichts der sich zuspitzenden Auswirkungen der Krise - und das weltweit - falsch, dem Sozialforum den Rücken zu kehren und hier den reformistischen Rettungsversuchen des Kapitalismus kampflos das Feld zu überlassen. Jede sich bietende Gelegenheit muss vielmehr genutzt werden, um eine notwendige politisch/inhaltlich und organisatorische Alternative zum Kapitalismus zu propagieren und aufzubauen.

Deshalb ruft die Gruppe Arbeitermacht auch alle linken Organisationen und Initiativen mit antikapitalistischem Anspruch und all jene, die hier und jetzt gegen den Krisenkippladerkurs von Bossen, Banken und Regierung kämpfen wollen, auf, zum Sozialforum zu kommen und dort den Marktplatz der Meinungen zu einem Truppenübungsplatz der Taten auszubauen.

Veranstaltungen von Arbeitermacht und REVOLUTION am Sozialforum unter Termine.

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Nr. 143, Oktober 2009
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*  Bericht: REVOLUTION-Konferenz
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