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Gewerkschaftsspitze und Schwarz-Gelb

Neue Herausforderungen - alte Bürokraten

Andrea Huber, Neue International 143, Oktober 2009

Während in den Unternehmerverbänden die Sektkorken knallen, tun die Spitzen von DGB, IG Metall und Ver.di so, als würden sie auf einem anderen Planeten, fernab der Realität leben.

Ob unter Schwarz/Gelb ein sozialer Kahlschlag kommen wird oder nicht, wird wider besseres Wissen als offen hingestellt. Lt. DGB-Chef Sommer hänge das davon ab, „ob Angela Merkel ihre bisher betriebene Politik des Ausgleichs fortsetzen kann, fortsetzen will und fortsetzen wird.“ (M. Sommer, Wir werden nicht jede Politik akzeptieren, Interview vom 28.9., www.dgb.de)

Unisono fordern die Gewerkschaftsführer jetzt, dass Merkel und die CDU „ihre Versprechen“ erfüllen - und weiter machen wie bisher!

Klar, wer ein Programm zur Rettung der Banken und der Unternehmen als „sozialen Ausgleich“ hinstellt, der kann fast jede Politik akzeptieren.

Daher will Herr Sommer für Herbst und Winter keine Proteste ankündigen. Vielmehr müsse „die Politik des Ausgleichens und einer sozialen Verantwortlichkeit (...) erhalten bleiben.“ Ebenso IG Metall-Chef Huber. Er appelliert an Merkel, einen „fairen Kurs beizubehalten“ und auf „Kooperation“, nicht „Konfrontation“ zu setzen, denn damit sei „Deutschland immer gut gefahren.“ (Arbeiternehmerrechte schützen, IG Metall-Website vom 27.9., www.igmetall.de)

Warum weichen die Gewerkschaftsführer zurück?

Auch ohne SPD an der Regierung versuchen die Gewerkschaftsspitzen, dem Kampf gegen das neue Kabinett aus dem Weg zu gehen. Mit ihren Appellen an die Kanzlerin und die CDU oder deren „Arbeitnehmerflügel“ werden sie jedoch den Angriff nicht stoppen, sondern die Unternehmer nur noch mehr dazu ermutigen.

Schließlich streuen sie mit ihrer Beschwichtigungsspolitik und der Weigerung, jetzt gegen die klar absehbaren Massenentlassungen in Betrieben und gegen die politischen Angriffe auf Kündigungsschutz, Gewerkschafts- und Arbeiterrechte nicht nur sich selbst, sondern vor allem den eigenen Mitgliedern Sand in die Augen.

Das verfängt zwar immer weniger, weil die meisten Beschäftigten und Gewerkschaftsmitglieder aus eigener Erfahrung wissen, dass alles Gerede von „Partnerschaft“ und „Ausgleich“ nur dazu dient, die Basis ruhig zu halten.

Aber die Passivität der Gewerkschaftsbürokratie und ihre Weigerung, den Kampf vorzubereiten, geschweige denn zu führen, bedeutet auch, dass die Machtmittel und Ressourcen der Gewerkschaften weitgehend ungenutzt bleiben.

Dabei hätten die Gewerkschaften schon heute die Mittel, Millionen auf die Straße zu bringen, Hunderttausende in den Betrieben zu mobilisieren - und somit auch der Regierung Merkel/Westerwelle das Handwerk zu legen, bevor sie überhaupt zu „arbeiten“ begonnen hat.

Spagat

Die Tatsache, dass die Regierung zur Offensive ansetzt und dass immer weniger Beschäftige den Gewerkschaftsspitzen glauben, weil diese immer offenkundiger in Widerspruch zur Realität geraten, ist auch eine enorme Chance, Widerstand aufzubauen.

In den Betrieben und Gewerkschaften müssen wir - das heißt v.a. die Kräfte der Gewerkschaftslinken, der Anti-Krisenbündnisse, der Linken und oppositionellen Listen - für einen sofortigen Kurswechsel der Gewerkschaften kämpfen: für den politischen Massenstreik gegen die Angriffe der Regierung, für Betriebsbesetzungen, für Solidaritätsstreiks und Aktionen gegen Schließungen und Massenentlassungen.

Solche Forderungen müssen überall an die Führung gestellt werden: auf Vertrauensleutesitzungen, Delegiertenversammlungen und in alle gewerkschaftlichen Gremien eingebracht werden.

Sie müssen zugleich genutzt werden zum Aufbau und zur Vereinheitlichung einer bundesweiten klassenkämpferischen Oppositionsbewegung in den Gewerkschaften, die eine alternative Führung zu den Bürokraten aufbauen und stellen können.

Zweifellos wird es schwer, gegen die geballte Bürokratenmacht und das Beharrungsvermögen von Apparaten, die 1000e BremserInnen beschäftigen, anzukommen. Aber es ist möglich.

Das hat auch die Vergangenheit gezeigt: In Bochum kam es vor einigen Jahren zu einer spontanen Streikbewegung gegen die drohende Schließung. Selbst in diesem Frühjahr mussten die DGB-Gewerkschaften auf die Demonstrationen vom 28. März reagieren, die entgegen ihrem Willen rund 60.000 in Berlin und Frankfurt mobilisierten, so dass der DGB im Mai auch eine Großdemo machen „musste.“

Sicher werden die Bürokraten gegen politische Streiks und den Generalstreik einwenden, dass diese doch nicht legal seien. Schon wahr, ein politisches Streikrecht gibt es hier nicht.

Aber die Kämpfe der Vergangenheit - denken wir nur an die spontanen Massenstreiks der Automobilarbeiter und Bergarbeiter gegen die Kohl-Regierung - haben auch gezeigt, dass das alles nicht nur eine „Rechtsfrage” ist. Wenn Millionen streiken, dann werden uns ein paar Gerichtsbescheide auch nicht stoppen, dann müssen und können wir unser Recht mit allen Mitteln erkämpfen.

Das ist vor allem eine Machtfrage. Und die wollen und müssen wir stellen!

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Nr. 143, Oktober 2009
*  Bundestagswahl: Historische Katastrophe der SPD ebnet Schwarz/Gelb den Weg
*  Gewerkschaftsspitze und Schwarz-Gelb: Neue Herausforderungen - alte Bürokraten
*  Post: Gelb Post und blaue Briefe
*  Berliner S-Bahnkrise: Schluss mit der Bahnprivatisierung!
*  Schulen und Unis: Bildungsstreik im heißen Herbst!
*  Bericht: REVOLUTION-Konferenz
*  Heile Welt
*  Debatte: War die DDR ein Unrechtsstaat?
*  USA: Obamas gebrochene Versprechen
*  Colombo: Demonstration für Pressefreiheit!
*  Solidarität mit internationalistischen Gewerkschaften!
*  Wahlsieger Atomlobby: Enteignet die Energiemonopole!
*  Sozialforum 2009 in Hitzacker: Abwehrkampf organisieren!