|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||
|
Streiks im Einzelhandel Helga Müller, Neue Internationale 127, März 2008 Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, ist seit Sommer 2007 im Einzelhandel ein beispielloser Tarifkampf entbrannt. Über 150.000 Beschäftigte haben sich an diesem Kampf mit oft tagelangen Streiks beteiligt. Selbst während der Weihnachtszeit und an Samstagen wurden - was es vorher noch nie gegeben hatte - Kaufhäuser und Einrichtungen des Einzelhandels bestreikt. In vielen phantasievollen Aktionen haben sich KollegInnen aus anderen Branchen an den Streikaktionen der KollegInnen beteiligt und ihre Solidarität aktiv bekundet. Unternehmerforderungen Die Unternehmer haben den Manteltarifvertrag vor ca. einem Jahr gekündigt, um massive Einschnitte bei den Zuschlägen für Spätöffnungszeiten, Nacht-, Wochenend- und Mehrarbeit zu erreichen. Damit soll zum einen der Einstieg in die Sonntagsarbeit als Regelarbeitstag erreicht werden, zum anderen sollen die Spätöffnungszeiten als „Normal“arbeitszeit durchgesetzt werden. Es geht also um Ladenöffnungszeiten „rund um die Uhr“ - ohne Zusatzkosten für die Unternehmer! Die Tarifauseinandersetzung wird von Seiten der Unternehmer mit großer Härte geführt. In den letzten Jahren haben eine enorme Konzentration und damit ein Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel stattgefunden, einige wenige Konzerne beherrschen 70 % des Marktes. Mit einer weiteren Konzentrationswelle in einem kleiner werdenden Markt ist zu rechnen. Neben dem Ziel, die Lohnkosten zu senken und die Arbeitszeiten auszuweiten, droht der eine oder andere Konzern bereits damit, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten und damit den Flächentarifvertrag in Frage stellen. Doch der Streik hat Wirkung gezeigt: Rewe Norddeutschland, bei der die Auslieferung zwei Wochen bestreikt wurde, hat ein Angebot gemacht. Neben dem Gehaltsangebot, besteht der wichtigste Teil darin, dass die Spätöffnungszuschläge in der Höhe erhalten bleiben sollen. Allerdings sollen diese an Samstagen erst ab 18.30 Uhr statt bisher ab 14.30 Uhr gelten. Genau darin liegt auch die Krux, denn das würde letztendlich auf lange Frist gesehen den Einstieg in die Sonntagsarbeit bedeuten. Ver.di hat nun aus Angst, die Streiks nicht ausweiten zu können, in NRW die Streiks ausgesetzt, das Bundesland, das ursprünglich als Pilotbezirk ausgesucht worden war, und setzt hier auf Verhandlungen. In anderen Bezirken wird aber versucht, über Streiks zu einem Ergebnis zu kommen. Von einer wirklichen Streiktaktik kann im Moment aber nicht die Rede sein. Doch der Beginn der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst bietet nun auch die Chance für den Einzelhandel, aus der verfahrenen Situation herauszukommen und einen gemeinsamen Kampf der Beschäftigten im Einzelhandel und im Öffentlichen Dienst zu führen und damit wieder in die Offensive zu kommen. |
Nr. 127, März 2008
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||