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Repression im Betrieb

Siemens - ohne Maske

Korrespondent München, Neue Internationale 86, Dez 2003/Jan 2004

Der Siemens-Konzern stellt sich immer noch gern als "modernes" und doch "soziales" Unternehmen dar. Kürzlich erst ließ Konzern-Chef Heinrich von Pierer ein Buch in seinem Namen mit dem Titel "Profit und Moral" schreiben, in dem er seine "moralische" Art der Profitmacherei von jener der Konkurrenz abheben wollte.

Die Realität sieht allerdings ganz anders aus! Nicht nur, dass Siemens im Ost-Metaller-Streik der eigentliche Scharfmacher hinter dem Arbeitgeberverband war - ohne jedoch in der Öffentlichkeit als solcher aufzutreten.

Nicht nur, dass die Siemens AG seit Jahrzehnten in aller Herren Länder als berüchtigter Schmiergeld-Lieferant bekannt ist, um gleichzeitig alle nur möglichen Billig-Lohn-Vorteile auszuschöpfen. Seit Jahrzehnten ist der Konzern auch für sein Vorgehen berüchtigt, gegen alle, die sein wohlgestyltes Image irgendwie beschädigen könnten.

In den letzten Monaten nun geht der Siemens-Konzern mit aller Brutalität gegen missliebige aktive Belegschafts-VertreterInnen vor. Die Spitze ist dabei die fristlose Kündigung der Kollegin Inken Wanzek.

Vorgeschichte

Vor über einem Jahr versuchte der Konzern, 2.300 KollegInnen am Münchner Standort Hofmannstraße des Telekommunikationsbereichs ICN/ICM abzubauen. Aufgrund des massiven Gegendrucks von Betriebsrat und Belegschaft konnten 1.200 Kündigungen verhindert werden. Außerdem wurde für den Rest ein Solidaritätsnetz NCI ("Network for Communication and Information") gegründet, das die Betroffenen organisierte. So konnten sie bisher über Arbeitsgerichtsprozesse (Siemens hat die meisten Kündigungsschutzklagen bisher verloren) im Betrieb gehalten werden und dem Druck der Siemens-Vorgesetzten widerstehen.

Inken Wanzek war eine der HauptinitiatorInnen des NCI und eine Integrations-Figur für die inzwischen 700 Mitglieder dieser Initiative, die inzwischen standortübergreifend und international aktiv geworden ist.

Natürlich versuchte der Konzern schon seit geraumer Zeit, gegen Inken vorzugehen. Versetzungen, Abmahnungen wegen Nichtigkeiten und Diffamierungen konnten die Kollegin bisher aber nicht brechen. Nunmehr fand der Konzern bei Inken das Schlimmste, was sich Pierer&Co wohl vorstellen können: die "Schmähung des Arbeitgebers": Eine Inken Wanzek zugeschriebene e-mail im NCI-Netz wurde zum Anlass für eine fristlose "verhaltensbedingte" Kündigung herangezogen.

In dieser e-mail wird der Fall einer gekündigten Siemens-Kollegin L. angesprochen, die sich danach das Leben genommen hat. Im weiteren Verlauf der mail werden die KollegInnen aufgefordert, mehr über ihre Probleme mit den Kündigungen miteinander zu sprechen, um weitere "Opfer" zu verhindern.

Der Gebrauch des Wortes "Opfer" wird von den Siemens-Juristen nun verwendet, um zu konstruieren, Inken würde von Pierer als Mörder an L. darstellen und in "perfider Weise" das Unglück der Kollegin L. für eine Hetzkampagne gegen die Personalpolitik des Konzerns nutzen (so in der Begründung der Kündigung nachzulesen). Nicht genug mit diesem abenteuerlichen Vorgehen gegen Inken Wanzek.

Schluss mit lustig!

Der Fall wird auch zum Anlass genommen, gegen den Betriebsrat des Werkes Hofmannstraße vorzugehen. Auch der Betriebsratsvorsitzende erhielt in diesem Zusammenhang eine Abmahnung. Heinrich von Pierer sieht sich auch von ihm als "Mörder" verunglimpft und meint, eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit ihm sei nicht mehr möglich. Die Konzernspitze versucht nunmehr, den Konflikt mit dem Betriebsrat auf die Spitze zu treiben. Pierer soll in gewissen Kreisen verkündet haben: "Die Hofmannstraße mache ich platt!".

Der Betrieb soll zerlegt und über Betriebsrats-Neuwahlen der ungeliebte bestehende IG-Metall-Betriebsrat entmachtet werden. Dies ist für die 7.000 Beschäftigten schon deutlich sichtbar: Die vom Siemens-Konzern finanzierte gelbe Gewerkschaft "Aktion unabhängiger Betriebsangehöriger" (AUB) hat etwa 30 großformatige Hochglanz-Plakate rund um die Hofmannstraße geklebt, welche die Abwahl des IG-Metall-Betriebsrats fordern. Dabei verwendet man Sprüche wie "IG Metall und DKP ruinieren die Hofmannstraße" (natürlich wird die allseits bekannte DKP-Mitgliedschaft des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Leo Mayer beständig von der Firmenleitung hervorgehoben).

Solidarität

Als sich auf der letzten Betriebsversammlung der Großteil der Anwesenden über diese Kampagne empörte, verließ die Geschäftsleitung theatralisch die Versammlung. Insbesondere der Betriebsratsvorsitzende soll nun offenbar seines Amtes enthoben werden.

Die IG-Metall München und der Betriebsrat haben inzwischen eine internationale Solidaritätskampagne für Inken Wanzek organisiert. Dieser Fall - inzwischen kein Einzelfall mehr - ist exemplarisch für die unverfrorene, macht-arrogante Vorgehensweise von Pierer und Konsorten. Sie ist Bestandteil ihrer Kampagne zum Bekämpfen gewerkschaftlicher Errungenschaften in Deutschland. Heute ist es Inken Wanzek, morgen wollen sie das Betriebsverfassungsgesetz und die Tarifverträge abschaffen!

Gründet Solidaritäts-Komitees vor Ort und tretet mit NCI in Kontakt!

 

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Nr. 86, Dez 2003/Jan 2004

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