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Antikriegsbewegung

Den Krieg stoppen - aber wie?

Erich Swoboda, Neue Internationale 79, April 2003

Am Tag X gingen weltweit Millionen Menschen auf die Straße, diesmal nicht nur, um gegen den Krieg zu protestieren, sondern um den Kampf gegen den Massenmord aufzunehmen. "Stoppt den Krieg jetzt", "Nieder mit Bush" oder "USA - internationale Völkermordzentrale" schallte es Tag und Nacht quer über den Globus, von Europa und Afrika über Amerika und Australien bis nach Asien und in die arabische Welt. Eine mächtige Demonstration der "Globalisierung von unten", der internationalen Solidarität gegen die imperialistischen Kriegstreiber, die bis heute anhält.

Die "Dritte Welt" stellt sich an die Seite des kämpfenden Irak, auch in den imperialistischen Zentren richtet sich der berechtigte Zorn auf amerikanische Einrichtungen. In mehreren großen Städten Australiens und der USA kam das öffentliche Leben teilweise durch Straßenblockaden zum Erliegen.

Millionen in Bewegung

Millionen demonstrieren allein in den Ländern der Kriegskoalition gegen den patriotischen Schulterschluss ihrer Bourgeoisien und deren Helfer, auch gegen den Verrat ihrer Gewerkschaftsführungen und den durch die Medien verbreiteten Burgfrieden "für unsere Soldaten". Tausende KriegsgegnerInnen werden etwa in San Francisco oder Melbourne verhaftet oder verletzt.

In der arabischen Welt, in Ägypten, Jemen und Jordanien nimmt die Wut des Großteils der Bevölkerung immer radikalere Züge an. Je länger der Krieg dauert, umso wahrscheinlicher wird es, dass Aufstände gegen die US-Büttel in vielen arabischen Ländern ausbrechen. Nicht nur dort reagierten die undemokratischen Regimes mit beispielloser Repression. Sie sehen sich, wie das Treffen der Arabischen Liga zeigt, gleichzeitig gezwungen, etwas mehr auf Distanz zu Bush zu gehen, um die Massen nicht noch mehr zu reizen.

Mehrstündige Generalstreiks in Griechenland oder Italien sind richtungweisend und zeigen das Potenzial der Bewegung. In Italien und der Türkei behindert der massenhafte Widerstand die Militäroperationen der USA.

In Europa taucht sogar der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) mit der Propagierung von 10- Minuten- Streiks aus der Versenkung auf. Die spanischen GewerkschaftsbürokratInnen beschränken sich trotz beispielhafter Massenmobilisierungen ihrer Basis auf die Streik-Farce des EGB. Trotzdem kommt es im Baskenland zu einem Generalstreik. In Italien weigern sich die Hafenarbeiter von Livorno, Kriegsmaterial zu verladen. In Schottland blockieren EisenbahnerInnen Militärtransporte. In Griechenland wird derzeit der Versuch unternommen, die Internationalisierung klassenkämpferischer Gewerkschaften voranzubringen.

Diese Kampfansätze zeigen das Potential, aber gleichzeitig auch das Dilemma der globalen Antikriegsbewegung: ihre politische Führungsschwäche, die verhindert, dass aus dem vor Kriegsbeginn international entwickelten Protest nun wirksamer Widerstand wird.

Die konsequente Mobilisierung der internationalen Arbeiterbewegung hin zum Generalstreik gegen den Krieg hätte den Überfall auf den Irak verhindern können! Stattdessen latschen die Gewerkschaftsführungen auf den Demos mit, geben sich machtlos und achten darauf, dass die Basis den Kapitalisten nicht mit Streiks zu arg zusetzt. Statt mit aller Macht gegen die Kriegstreiber zu mobilisieren, hofften die Gewerkschaftsbosse und sozialdemokratischen Politiker auf die "friedliebenden" Imperialisten wie Schröder und Chirac.

Sie haben damit die ganze Bewegung desorientiert und Zeit unnütz verstreichen lassen. Dies trägt einerseits zu resignativen Erscheinungen in der Bewegung der entwickelten kapitalistischen Länder bei und führt andererseits zu religiös-fundamentalistischer Verzweiflung und Märtyrisierung des Verbrechers Saddam Hussein in der arabischen Welt.

Führungsschwäche

In Deutschland, wo die Schröder-Regierung zudem als "good guy" daherkommt, dominiert ebenso eine reformistische Führung in der Anti-Kriegsbewegung, die Gefahr läuft, zur Hilfstruppe der "humanitären" Bourgeoisie zu werden.

Schröder wäscht seine Hände in Unschuld: seine Diplomatie, seine Achse Berlin-Paris-Moskau hätte alles getan, den Krieg zu verhindern und den Irak "friedlich" durch die UNO zu entwaffnen. Nun gehe es um ein humanitäres schnelles Ende des Krieges und eine Nachkriegsverwaltung durch die UNO. Unter dem Schirm der UN und des Roten Kreuzes soll das deutsche Kapital schließlich auch am Krieg verdienen!

Nichtsdestotrotz hält die Mobilisierung gegen den Irak-Krieg unvermindert an. Die Kraft einer organisierten Bewegung zeigte sich sofort bei den SchülerInnen: Hunderttausende gingen bundesweit auf die Strasse zu kämpferischen Demonstrationen und Verkehrsblockaden.

Sehr schnell bemühen sich die Jugendlichen um Zusammenarbeit mit der Arbeiterklasse. Nach 1968 zeigt sich die Jugend erneut als frische, unverbrauchte Kraft der Bewegung, die nach revolutionärer Ausrichtung ruft, auch wenn die Unis heute noch nicht mitziehen.

Am ersten Kriegswochenende gingen überall in deutschen Städten Hunderttausende auf die Straße, die meisten in Frankfurt und Berlin mit jeweils über 50.000. Täglich finden neue Demonstrationen, Aktionen und Blockaden statt, mit dem Ziel, die Kriegsmaschinerie zu stören.

Bemerkenswert waren dabei auch der hohe Abteil von ImmigrantInnen. In manchen Städten gab es auch massive Kritik am heuchlerischen und passiven "Friedens"kurs der Regierung.

So wurden auch mehrere Aktionen gegen SPD-Einrichtungen, z.B. vor der die SPD-Bundeszentrale in Berlin, durchgeführt. Anderswo - z.B. in München - hat es die Sozialdemokratie geschafft, sich demagogisch an die Spitze der Bewegung zu stellen und versucht sie so zu kontrollieren.

Wo die SPD, die Kirchen, Grüne oder andere Pazifisten die Bewegung nicht kontrollieren können, packt der Staat den Knüppel aus. Dort gegen die Bullen auch ihre bisherige Zurückhaltung auf. Ähnlich wie später in Hamburg galt ihr Angriff in erster Linie den ImmigrantInnen, was deutlich ihre rassistische Haltung zeigt.

Soll die Bewegung gegen den Irak-Krieg nicht auf dem Niveau von (regierungstreuen) "Good Will"- Kundgebungen vor Amtsgebäuden stehen bleiben, muss sie sich zunächst einen organisatorischen Ausdruck verschaffen.

Es ist notwendig, an Schulen, Universitäten, in den Betrieben, in den Wohnvierteln Antikriegskomitees zu bilden, um über bereits bestehende Bündnisse hinaus zu einer Flächenstruktur zu gelangen, die auf der Basis der demokratischen Einheitsfront den Kampf gegen den Krieg aufnimmt.

Wir fordern die Einberufung einer bundesweiten Delegiertenkonferenz aller Bündnisse und Organisationen der Anti-Kriegsbewegung mit dem Ziel, weitere Kampagnen zu koordinieren und eine demokratische Leitung zu schaffen!

Dieser Aufruf muss sich vor allen die Arbeiterbewegung, die Jugend und die ImmigrantInnen richten. Eine solche Konferenz muss sich zum Ziel setzen, effiziente Streik-, Blockade- und Aktionsformen, weg vom Symbolismus pazifistischer Illusionisten, zu gewährleisten.

Weiter müssen wir konkrete Forderungen gegenüber der Regierung entwickeln. Notwendig ist auch eine Positionierung gegenüber dem deutschen Imperialismus selbst.

Rückzug aller dt. Streitkräfte aus dem Ausland!
Luftraum sperren! Keine Überflugrechte für USA und Britannien!
Schließung der NATO-Stützpunkte! Deutschland raus aus der NATO!
Keine Erhöhung des Rüstungshaushaltes der BRD! Keinen Mann, keinen Cent für die imperialistische Armee
Sofortige Aufhebung der UN- Sanktionen und -kontrollen gegen den Irak!
Kein UN- oder USA-Protektorat im Irak!

Die weitere Entfaltung der Antikriegsbewegung ist direkt abhängig von der weiteren Entwicklung des Kampfes der irakischen Massen gegen die Aggressoren. Auch deshalb ist es wichtig, die Positionen der Verteidigung des Irak gegen den US-Imperialismus einzunehmen, für seine Entfaltung als Klassenkrieg gegen die imperialistischen Aggressoren einzutreten.

Nur so können die irakischen ArbeiterInnen, Bauern und Soldaten den Grundstein für ihre eigene Befreiung legen - heute vom Imperialismus und schließlich auf von Saddam. Nur so wird die Arbeiterklasse die Führungsrolle im ganzen Nahen Oster übernehmen können und den Kampf gegen imperiale Überausbeutung, Balkanisierung und die eigenen bürgerlichen und halb-feudalen Herrscher erfolgreich zur Schaffung Vereinigter Sozialistischer Staates des Nahen Ostens weitertreiben können.

Nur eine Antikriegsbewegung unter Führung der Arbeiterklasse, kann die andauernde Abfolge der kapitalistischen Kriege beenden. Auch in Deutschland korrespondiert der Krieg nach außen mit dem Krieg nach innen, gegen die eigene Arbeiterklasse.

Aktuell ist gerade die Einbeziehung Arbeitsloser, die durch die neoliberale Politik der Hartz- Gesetze ins Elend gestoßen werden, wichtig. Hier können wir von den argentinischen Erfahrungen der Straßenblockaden und Stadtteilversammlungen lernen.

Die Entwicklung der vollen internationalen gewerkschaftlichen Kampfkraft ist notwendig, um den Krieg zu beenden. Deshalb fordern wir von den Führungen der Gewerkschaften die Durchführung eines internationalen Generalstreiks gegen den Krieg und nehmen den Kampf dafür in den Gewerkschaften auf.

Die internationale Arbeiterbewegung muss dem irakischen Volk im jetzigen Kampf gegen die Kriegskoalition beistehen - indem die imperiale Kriegsmaschinerie gestoppt und der irakische Widerstand mit allen Mitteln unterstützt wird.

Die Antikriegsbewegung wird dauerhaft nur Kriege verhindern können, wenn sie auch zu einer Bewegung gegen den Kapitalismus selbst wird!

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Nr. 79, April 2003

*  Nieder mit dem Imperialismus! Sieg dem Irak!
*  Antikriegsbewegung: Den Krieg stoppen - aber wie?
*  Antikriegskomitee Neukölln
*  Heile Welt
*  Debatte: Generalstreik gegen Krieg
*  Türkei: Ankaras Ambitionen
*  Russland: Ölboom und Lohndumping
*  Argentinien: Keine Räumung von Zanon!
*  Nach dem Bahnstreik: Schwellenkampf
*  Wirtschaft: Woher kommt die Krise?
*  Michael-Moore-Film: Bowling against Bush
*  Rot-Grüner Generalangriff: Schröders Reformkeule