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AfD und das Ende von Lucke

Die Geister, die ich rief

Tobi Hansen, Neue Internationale 201, Juli/August 2015

Schon längst war der Machtkampf in der AfD ein gefundenes Fressen für die Medien geworden: Wann sagt Lucke etwas über Petry, wann sehen sie sich zufällig in Brüssel und was wird dann so geredet - zwischen dem abgesagten Delegiertenparteitag im Mai und dem jetzigen Mitgliederparteitag war der Richtungskampf voll entbrannt. Jetzt haben wir die Entscheidung - Professor Lucke wurde abgewählt und Frauke Petry hat mit 60 Prozent der Stimmen gewonnen.

Kurze Vorgeschichte

Dem Streit um die Führung der AfD war der Plan von Mitgründer Bernd Lucke vorhergegangen, die bisherige 3-köpfige Bundesspitze in die bekannte Struktur von einem Parteivorsitzenden, Stellvertretern und einem Generalsekretär umzuwandeln. Den Vorsitz sollte er übernehmen. Dies fand schnell Widerspruch u.a. von den bisherigen „Co-Vorsitzenden“, der sächsischen Landeschefin Petry und dem Ex-FAZ-Redakteur Adam. Diese bekannten sich bewusst zum national-konservativen AfD-Flügel, wie sich Lucke und Henkel aus der EU-Parlamentsgruppe als ihr wirtschaftsliberaler Flügel verstehen.

Mit den Wahlerfolgen des Jahres 2014 wurde die AfD immer mehr zum Auffangbecken aller, die speziell von CDU und FDP enttäuscht waren, aber auch immer interessanter für so genannte „Neurechte“ und eher alte nationale, konservative und offen rassistische Kreise. So war es kein Problem, dass die Landtagswahlkämpfe in Brandenburg, Sachsen und Thüringen mit klassischen NPD-Slogans geführt wurden (Sozialamt der Welt, sichere Grenzen…). Die Wahlsieger Gauland, Petry und Höcke wurden vielmehr vom strahlenden Lucke umgarnt und galten als Beweis, dass die AfD es überall in die Parlamente schaffen könnte. Hier gab es keine Richtungskämpfe, hier wurden ganz offen rassistische Ressentiments bedient, wie auch stärker auf „deutsche Werte, Tradition und Familie“ gesetzt wurde, im Gegensatz zu den bisherigen Anti-Euro und -EU-Wahlkämpfen. Damit stieß die AfD in die Lücke zwischen CDU/CSU und NPD/Die Rechte - dies wurde von der ganzen Partei voll mitgetragen.

Pegida-Partei oder nur wirtschaftsliberal?

Schwierig wurde es erst, als die Wahlsieger auch die Linie der Bundespartei bestimmen wollten. Dies wurde ein offener Konflikt. Ausgetragen wurde er über die Beteiligung des Brandenburger AfD-Chefs Gauland an den Pegida-Demos in Dresden und der Zuneigung der sächsischen AfD zu diesem Milieu, wie auch einzelner AfD-Aktiver an den Hogesa-Krawallen in Köln. Schnell distanzierten sich Lucke und sein Ratgeber, Ex-BDI-Chef Henkel, von dem Gauland-Besuch in Dresden und von Pegida insgesamt. Zwar bräuchte Deutschland andere Einwanderungsbestimmungen, also mehr soziale Auslese bei ArbeitsmigrantInnen - aber so pauschal gegen Flüchtlinge wollten Lucke und Henkel dann auch nicht hetzen. Im Gegensatz zum  national-konservativen Flügel sehen/sahen Lucke und Henkel die AfD als Klientelpartei des deutschen Mittelstandes, der Euro-Skeptiker und halt der Teile des Bürgertums, die sich eine konsequente FDP gewünscht hätten, aber nie bekommen haben.

Im Gegensatz dazu denken Petry, Gauland und Co. an die dänische Volkspartei, die bei den letzten Wahlen 21 % bekommen hat oder ähnlich rechtspopulistische Truppen, welche zuletzt in Finnland, Belgien, aber auch Großbritannien und Frankreich große Erfolge hatten. Für diesen Flügel stellen die rassistischen Mobilisierungen à la Pegida ein gutes Wählerpotential dar und vor allem etwas, womit sich die AfD gegenüber den vertretenen Parteien gut abgrenzen kann.

In den Vorbereitungen zum Bundesparteitag versuchten beide Lager, sich gegenseitig auszuspielen, letztlich wurde es ein Mitgliederparteitag. Gerade davon versprach sich das „Lucke-Lager“ eine Mehrheit. Mit dem „Weckruf 2015“ hatte es zuvor versucht, seine Reihen zu schließen.

In Essen bekam Lucke die Quittung „seiner“ Partei vorgelegt. Während seiner Rede wurde er mehrfach gestört. Die Stimmung wurde als recht hetzerisch bezeichnet und Lucke selber musste erwähnen, dass er zuletzt von Bremer Antifas während einer Rede so gestört wurde. Von den ca 3400 anwesenden Mitgliedern stimmten dann über 2000 für die sächsische Landeschefin Petry. Herr Lucke begann dann langsam, seine Sachen zu packen. Einen Austritt will er sich noch überlegen; wenige Tage später war er vollzogen. Kompagnon Henkel trat sofort aus der AfD aus. Diese würde nun einer „NPD im Schafspelz“ ähneln und hätte den ihm genehmen politischen Kurs verlassen - die Geister, die ich rief.

Lucke überlegt nun, die Unterzeichner seines „Weckruf 2015“ zu einer neuen Partei zu formieren. Vielleicht finden sich aufgrund der aktuellen Euro/EU-Krise wieder neue enttäuschte Ex-CDUler. Sein Aufstieg mit der AfD ist erst mal Geschichte.

Nun können Petry, Gauland, Höcke und Co. die AfD als national-konservatives Scharnier zwischen CDU/CSU und NPD/Die Rechte aufbauen. Woran die NPD unter Chef Apfel gescheitert war, kann jetzt die AfD erfüllen. Hier könnte sich dann eine „NPD im Schafspelz“ etablieren, welche ihre Unterstützung nicht hauptsächlich aus Kameradschaften und Hogesa bezieht, sondern einer Verankerung im wild werdenden Kleinbürgertum. Die Gefahr, die von der AfD für Linke und MigrantInnen ausging, ist mit der Spaltung sicher nicht gebannt.

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Nr. 201, Juli/Aug. 2015
*  EU-Imperialismus und Griechenland: Ein Exempel soll statuiert werden
*  Editorial
*  LFI-Stellungnahme: Oxi - und jetzt weiter voran!
*  Tarifabschluss bei der Post: NEIN zu diesem Abschluss!
*  Gegen die Troika-Diktate: Solidaritätsbewegung aufbauen!
*  Charité Berlin: Streik ausgesetzt
*  Tarifkämpfe 2015: Streikwellen über Deutschland?
*  AfD und das Ende von Bernd Lucke: Die Geister, die ich rief
*  Das Erneuerbare-Energien-Gesetz: Energiewende, Bluff oder Flop?
*  Militarismus: Aufrüstung der Bundeswehr
*  Krise der NaO: Revolutionäre Einheit oder plurale Beliebigkeit?
*  Syrien: Nein zur türkischen Intervention! Verteidigt Rojava!