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Berliner GEW-Streik

Welche Perspektiven?

Tobias Hansen, Neue Internationale 184, November 2013

Seit November 2012 stehen die angestellten LehrerInnen in Berlin im Arbeitskampf - ein Konflikt, der vom Berliner Finanzsenator Nussbaum bislang einfach ignoriert wurde. Die angestellten LehrerInnen haben bislang keinen eigenen Tarifvertrag. Da für sie kein Beamtenrecht gilt, fallen sie unter die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), sie sind also öffentliche Angestellte der Länder.

Diese Tatsache ignoriert der Berliner Senat sogar trotz Gerichtsurteilen, die bestätigen, dass das Land Berlin zuständig ist. Stattdessen verwies  Nussbaum bisher auf die (Bundes)-TDL-Ebene und schrieb in einem Offenen Brief im August, dass er sich sogar auf TdL-Ebene für eine einheitliche Regelung einsetzen wolle, aber leider könnte dies keine Gehaltseingruppierungen beinhalten. Das Land Berlin will bei neu eingestellten LehrerInnen sparen. Dies ist auch der Grund für den Stopp der Verbeamtung in vielen Bundesländern (speziell im Norden und Osten) und deswegen gibt es in Berlin auch keine Verhandlungen.

Angestellt statt verbeamtet

In Berlin sind 9.000 von insgesamt 29.000 LehrerInnen angestellt. Ihr Anteil wird in den nächsten Jahren weiter steigen, so dass 2015 wohl die Hälfte aller LehrerInnen in Berlin Angestellte sind. In der BRD sind inzwischen ca. 200.000 von knapp 900.000 LehrerInnen angestellt.

Die GEW Berlin hat inzwischen den 15. Streiktag absolviert. Am 21.10. waren erneut 2.300 LehrerInnen im Streik für gleiche Bezahlung und einen Tarifvertrag. Bei den vorherigen Streiktagen waren allerdings bis zu 5.000 LehrerInnen im Streik, was auf einen Rückgang der Streikbereitschaft verweist. Derzeit ist überhaupt unklar, ob und wie der Streik weitergehen soll.

Vor dem letzten Streiktag gab es in Berlin eine Veranstaltung des Bündnisses „Bildet Berlin“, welches angestellte LehrerInnen in der GEW vertritt. Es diskutierte die Perspektiven des Streiks und verabschiedete eine gemeinsame inhaltliche Plattform. Zu dieser Versammlung kamen weniger Leute, als die InitiatorInnen erwartet hatten, auch die Aktions-Perspektive ist strittig. Während sich einige KollegInnen für eine Ausweitung und unbefristete Streikaktionen aussprachen, suchten andere nach der besten öffentlichkeitswirksamen Aktion. Auch das Verhältnis zur GEW wurde angesprochen.

Wie weiter?

Die GEW Berlin unterstützt den Streik, allerdings gibt es bundesweit keine Bewegung über Berlin hinaus. Bei „Bildet Berlin“ wurde dies als „Speerspitze“ bezeichnet. Die Illusion mancher GEW-FunktionärInnen, dass ein Landesverband allein Tarifforderungen einer ganzen Angestelltengruppe durchsetzen kann, ist derzeit am Zerplatzen. Auch die KollegInnen von „Bildet Berlin“ sehen die Erfolgsaussichten deshalb derzeit gefährdet.

Auch auf einer tarifpolitischen Konferenz der GEW stimmten die KollegInnen zwar für eine Weiterführung des Arbeitskampfes - doch ohne Ausweitung, ohne weitere Aktivität in der GEW hat dieser isolierte Streik wenig Aussicht auf Erfolg. Es wäre deshalb die Aufgabe der GEW, auch die angestellten LehrerInnen - und möglichst auch die verbeamteten - in anderen Bundesländern, v.a. in Ostdeutschland, wo es besonders viele Angestellte gibt, zu gewinnen und die Aktionen zu koordinieren. Auch in Berlin selbst gibt es Anknüpfungsmöglichkeiten. Zurzeit stehen die Handelsbeschäftigten im Kampf - warum versuchen da GEW und ver.di nicht, diese Mobilisierungen zu verbinden?! Das würde beiden Bereichen nützen und wesentlich mehr Druck aufbauen.

Kooperation

Das Berliner Bündnis „Bildet Berlin“ könnte eine Basis für die weitere Arbeit sein, von dort aus muss der Kontakt zu den KollegInnen bundesweit aufgebaut werden. Es muss das Ziel gewerkschaftlicher Arbeit sein, für alle Berufsgruppen Tarifverträge und Arbeitsbedingungen auszuhandeln und durchzusetzen.

In vielen Berufsgruppen wurden diese Tarifverträge und Rechte in den letzten Jahrzehnten systematisch ausgehöhlt, diese Verträge und Rechte zu erkämpfen, ist Aufgabe kämpferischer GewerkschafterInnen. Allerdings können wir dabei kaum auf die Spitze der Gewerkschaften zählen, die leider allzu oft bei Kürzungen und „Reformen“ mit dabei waren. Dazu braucht es eine starke Strömung auch in der GEW, welche die Belange der angestellten LehrerInnen in den Vordergrund rückt und eine Tarifbewegung aufbaut.

Ziel muss es sein, alle 200.000 angestellten LehrerInnen in der BRD für ihren Tarifvertrag zu mobilisieren, wenn bundesweit gestreikt wird, gibt es auch bundesweite Lösungen.

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Nr. 184, November 2013
*  Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken: Gewerkschaftslinke aufbauen!
*  Koalitionsverhandlungen: Für Frauen nichts zu lachen
*  Heile Welt
*  Tarifrunde Einzelhandel: Es steht Spitz auf Knopf
*  Norgren-Großbettlingen: Vom Streiken und Tricksen
*  Berliner GEW-Streik: Welche Perspektiven?
*  Weltwirtschaft: Aufschwung à la Titanic
*  Argentinien: Wie weiter für die "radikale Linke"?
*  Brasilien: Boom auf tönernen Füßen
*  Griechenland: Welche Art Antifaschismus?
*  Revolutionärer Lesezirkel: Klassenkampf an die Uni tragen
*  Nachruf auf eine Genossin: Michaela hat uns verlassen
*  Blockupy 2014: Mobilisierung braucht Perspektive