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Thailand

Aufstand der Rothemden

Theo Tiger, Neue Internationale 149, Mai 2010

Die Medien berichten von den Toten - am 10. April waren es 20, am 23. waren es fünf - doch über die Ursachen und Hintergründe erfahren wir wenig, schon gar nicht darüber, wie die Krise gelöst werden kann. Oft wird über die „Rothemden“ berichtet, denen gegenüber stehen die Regierung und die „Gelbhemden“, jene Bewegung die letztes Jahr den Flughafen von Bangkok besetzt hatte.

Seit dem Putsch im Dezember 2008 regiert Abhisit Vedjadjiva im Namen von Militär und König, seine Partei ist die People Alliance for Democracy (PAD). Sie ist Nachfolgepartei der von 1992-2001 herrschenden DP (Democratic Party). Unter der Aufsicht des Militärs wurde die Verfassung verändert, seitdem wird der Senat (System besteht aus Parlament und Senat) nur noch zur Hälfte gewählt, die andere Hälfte wird durch staatliche Bürokratie und Unternehmensverbände besetzt. Die aktuelle Regierung stützt sich auf die „Gelbhemden“, damit auf große Teile des Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoise.

Doch was waren die Ursachen für den Putsch? Wogegen haben Militär und König Bhumibol damals gepuscht?

Der erste Putsch war 2006. Seitdem ist die Machtfrage in Thailand nicht geklärt. In den letzten Monaten entwickelte sich eine revolutionäre Situation in Thailand, in der sich Doppelmachtorgane gebildet haben. Die „Rothemden“ kontrollieren weite Teile der Hauptstadt und des Landes und fordern die Regierung heraus. Sie werden meist verkürzt als Anhänger Thaksin Shinawatras dargestellt, der von 2001-06 regierte. Die „Roten“ sind organisiert in der UDD (Vereinigte Nationale Demokratiefront gegen Diktatur), kontrollieren heute große Teile Bangkoks und haben inzwischen auch militante Blockaden und Einheiten aufgebaut.

Wie kam Thaksin an die Macht?

Thaksin baute Ende der 1990er die Partei TRT (Thai lieben Thai) auf, die sich in großen Teilen auf die Arbeiterklasse und die armen Bauern im Norden des Landes stützte. Es gab auch eine größere Anti-Globalisierungs-Bewegung, die sich in der Partei widerspiegelte und schon während der Südostasien-Krise Ende der 1990er, Krise der „Tigerstaaten“, entstanden war.

Diese Bewegung gegen den IWF hatte soziale Forderungen aufgestellt, Forderungen die zum Teil auch von der Regierung Thaksin umgesetzt worden waren. Dazu gehörten mehrere Sozialreformen, wie eine Gesundheitsversicherung für ärmere Bevölkerungsschichten, die auch den Armen erstmals den Zutritt zu medizinischer Versorgung erlaubte. Es gab günstigere Kredite für Kleinbauern, eine Finanzreform im Interesse der Kreditnehmer.

Mit diesem Programm war Thaksin jedoch noch weit davon entfernt, eine antikapitalistische Politik zu betreiben, damit betrieb Thaksin höchstens ein sozial-reformerisches Programm für seine WählerInnenbasis. Gleichzeitig ging seine Regierung aber auch brutal gegen die moslemische Minderheit im Land, die Malaien vor, dort setzte Thaksin die Politik seiner Vorgänger unverändert fort.

Die Sozialpolitik reichte jedoch, um andere Kreise der thailändischen Bourgeoisie gegen sich und seine Partei TRT in Stellung zu bringen. Thaksin selbst ist Milliardär und war Eigentümer des Medienkonzerns Shin Corp, den er im Februar 2006 verkaufte. Danach starteten andere Teile der Bourgeoisie eine Kampagne gegen „Korruption“, das war die Entstehung der „Gelbhemden“. Einige Teile der Bourgeoise fürchteten nämlich einen „Ausverkauf“ an ausländisches Kapital. Dies war ein wichtiger Konflikt innerhalb der Bourgeoisie Thailands.

Die Farbe Gelb ist nicht umsonst dem thailändischen Königshaus angelehnt, damit wird der Einfluss des Königs deutlich, wie auch die Koalition aus Militär, Königshaus und Bürgertum national und religiös bestimmt ist.

Im Bündnis mit Teilen der staatlichen Bürokratie veränderten die Putschisten die Verfassung und erleichterten das Verbot von Parteien wie der TRT. Aber auch die Nachfolgepartei People Power Party (PPP) gewann 2006 die Wahlen und bildete mit fünf kleineren Parteien eine Koalition. Gegen diese Regierung kämpften die Gelben, u.a. mit dem Vorwurf der Korruption. Dieser wurde dem damaligen Ministerpräsident Samak Samaravedj zum Problem, als er in einer Fernsehshow aufgetreten  war und dafür ein Honorar entgegen genommen hatte. Sein Honorar als „Fernsehkoch“ reichte aus, um ihn im September 2008 des Amtes zu entheben.

Der Kampf gegen die Diktatur geht weiter

Doch die Bewegung der UDD lässt sich davon nicht unterkriegen und zeigt Kampfgeist. Gegen die Militärdiktatur gibt es seit einem Monat einen massiven Aufstand, gegen die Wahlreformen der PAD und speziell gegen Ministerpräsident Abhisit Vedjadjiva.

Diese Bewegung lässt sich nicht auf Thaksin reduzieren, dies ist kein Kampf für eine Wiedereinsetzung des Milliardärs, dies ist in erster Linie ein demokratischer Kampf gegen die Junta, bestehend aus Bourgeoisie, Militär und König.

Beim Militär zeigen sich aktuell aber auch Risse. So gab es am 23. April eine Presseerklärung von Armeechef Paochinda, der erklärte, dass die Armee auf Gewalt verzichten wolle. Dies tat er nach einer Besprechung mit Kommandeuren, was zeigt, dass es in der Armee wohl Fraktionen gibt, die nicht auf die UDD schießen wollen bzw. mit ihr sympathisieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die UDD ihre Blockaden und ihre Bewegung auf einen bewaffneten Konflikt vorbereitet hat. Dies können wir an den meterhohen Barrikaden aus Autoreifen und Bambusspeeren sehen und auch daran, dass es auch Opfer beim Militär gab. Die UDD-AnhängerInnen sind also für eine militärische Zuspitzung gewappnet.

Gleichzeitig gibt es derzeit Bombenanschläge, bei denen die Täterschaft nicht klar ist bzw. spekuliert wird, dass andere Kreise der Armee oder der Geheimdienste die Situation verschärfen wollen, um einen Vorwand für einen militärischen Einsatz zu haben.

Gleichzeitig gibt es Versammlungen des Kleinbürgertums, der „Gelbhemden“, die die Opposition auffordern, den Aufstand zu beenden und den Staat auffordern, mit Gewalt einzuschreiten und gleichzeitig drohen, selbst „die Nation zu retten“. Allerdings verfügt das Kleinbürgertum im Moment nicht über militante Aktionsformen, wie die Flughafenbesetzung im letzten Jahr zeigte. Ihre Aufforderungen Richtung Militär und Regierung zeigen eher den geschwächten und zerstrittenen Charakter der Herrschaftselite auf.

Die UDD am Scheideweg

Die brisante Situation kann nicht allein durch Neuwahlen gelöst werden. Hier steht die Frage, wer die Macht hat, welche Klasse sich durchsetzt. Sind es die „roten“, die Arbeiterklasse und die Bauernschaft oder das „gelbe“ Bündnis der nationalen Bourgeoisie mit König und Militär.

Thailand ist nicht nur ein Tourismusland. Es verfügt über eine große Elektro- und EDV-Industrie, eine Chemieindustrie und ist einer der größten Reisexporteure der Welt.

Hier liegt die soziale und politische Basis der UDD, welche die Führung der Massen stellt. In der Dienstleistung (Tourismus) und in der Industrie arbeiten knapp 60% der Thais, hier liegt derzeit die Macht der UDD.

Doch auch die UDD ist in sich klassenmäßig gespalten. Dabei müssen besonders die linken Kräfte in der UDD jetzt konsequent sein, sie dürfen nicht eine „friedliche Revolution“ nach den Wünschen Thaksins herbeiführen, die UDD darf kein Wahlverein für den Ex-Premier sein. Dazu gehört auch, dass mögliche Geheimverhandlungen mit dem Militär ein Ende haben müssen. Die Basis der UDD ist nach vier Jahren politischen Kampfes gestärkt und muss und kann sich jetzt auch gegen weite Teile ihrer Führung durchsetzen. Diese wollen nämlich nur Thaksin wieder installieren, damit verraten sie den aufopferungsvollen Kampf der Basis. Diese muss sich nun organisieren, muss ihre Blockaden und Stadtteile verteidigen, muss Komitees in Stadt und Land gründen und den militanten Kampf vereinheitlichen. Wenn die Basis der UDD und der „Rothemden“ Bourgeoisie, Militär und König verjagen will, dann müssen sie ihre Doppelmachtorgane ausbauen und den Kampf für eine Arbeiter- und Bauernregierung aufnehmen.

Wenn dies nicht geschieht, wird entweder das Militär brutal den Aufstand niederschlagen und eine Verhaftungswelle die UDD schwächen - oder die „links“bürgerlichen Teile der UDD machen einen schmutzigen Kompromiss zur Regierungsbeteiligung und holen den Milliardär Thaksin aus dem Exil zurück. Die Bildung eine revolutionären Arbeiterpartei ist daher ein Gebot der Stunde, einer Partei, bei deren Bildung die linken und kämpferischen Elementen der UDD sicher einer wichtige Rolle spielen können - vorausgesetzt, sie brechen politisch mit der populistischen Strategie von Thaksin und den „links“bürgerlichen Kräften um ihn.

Eine solche Partei müsste sich an die Spitze des Kampfes für die demokratischen Forderungen der ArbeiterInnen, der Bauern und der städtischen und ländlichen Armut stellen. Zentrale Forderungen müssen dabei der Sturz der Monarchie und der Herrschaft des Militärs und die Einberufung einer konstituierenden Versammlung sein.

Gegen eine drohende Niederschlagung des Aufstandes müssen Räte, Arbeiter- und Bauernkomitees und Selbstverteidigungsorgane der Massen geschaffen und koordiniert werden. Dieser Schritt muss mit der Agitation für Soldatenkomitees und Räte verbunden werden, um so einen Keil in die Armee zu treiben und die unteren Ränge für die Revolution zu gewinnen.

In Thailand würd eine Revolution neben diesen Fragen der Demokratie v.a. eine Landreform im Interesse der Masse der Bauern und LandarbeiterInnen entschlossen angehen müssen. Sie wird nicht bei demokratischen Fragen stehen bleiben können, ja nicht stehen bleiben dürfen! Sie muss das ausländische Kapital und die großen thailändischen Banken und Konzerne unter Arbeiterkontrolle enteignen und eine Planwirtschaft etablieren, die von Arbeiter- und Bauernräten demokratisch kontrolliert und gelenkt wird. So kann die Revolution in Thailand zum Ausgangspunkt für die permanente Revolution in Südostasien werden.

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Nr. 149, Mai 2010
*  Erster Mai: Gemeinsam gegen Krise und Kapitalismus
*  Geschichte: Revolutionäre Wurzeln
*  Fascho-Provokationen: Nazi-Aufmärsche blockieren
*  Weltwirtschaftslage: Nach der Krise ist vor der Krise
*  Mahle-Konzern: Übernahme aus Kosten der Belegschaft
*  Daimler: Ausschlussverfahren stoppen!
*  Stuttgart 21: Die Stadt, die Zerstörung und der Profit
*  Programmentwurf der Linkspartei: Ein Linksschwenk?
*  Die Linken und das Programm: Zahme Kritiker
*  NRW-Wahl: Wählt DIE LINKE, aber organisiert den Kampf
*  Frauen: Die unheilige Familie
*  Kopfpauschale: Ende der gesetzlichen Krankenversicherung?
*  Interview Südasien, Teil 2: Klassenkampf und revolutionäre Perspektive
*  Indien: Politik und Wirtschaft
*  Heile Welt
*  Thailand: Aufstand der Rothemden