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Gewerkschaftslinke

Welche Perspektive?

Helga Müller, Neue Internationale 130, Juni 2008

Am 10. Mai versammelten sich im Rahmen des „Buko31“-Kongresses, der von der Bundeskoordination Internationalismus organisiert wurde, ca. 30 KollegInnen, um über die Bedeutung des Kampfes der Lokführer und seine Auswirkungen auf die Tarifbewegungen zu diskutieren, Zu dieser Diskussion hatte die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG) nach Dortmund eingeladen.

Auffällig war, dass diesmal nur wenige „linke“ Gewerkschaftsfunktionäre aus der mittleren Apparatebene, die sich schon seit längerem aus der Gewerkschaftslinken zurückziehen, anwesend waren. Dies hängt sicher damit zusammen, dass sie sich stärker in der LINKEN organisieren und die dortige AG Betrieb und Gewerkschaft als ihr neues politisches Handlungsfeld begreifen und so ihr Interesse an einem Aufbau einer wirklichen Opposition innerhalb der Gewerkschaften verloren haben (sofern sie jemals daran ernsthaft Interesse hatten).

Damit reduziert sich die IVG als nationale Struktur auf Kräfte links von der LINKSPARTEI. Entsprechend sah es auf der tarifpolitischen Tagung am 10.5. aus, anwesend waren TeilnehmerInnen vom Revolutionär-Sozialistischen Bund (RSB), der Gruppe Arbeitermacht (GAM), dem Rhein/Main-Bündnis, dem Forum Hamburg, der Ruhrkoordination, aus dem Ex-Autonomen-Spektrum sowie kritische GDL-Mitglieder.

Die SAV scheint sich zumindest auf nationaler Ebene aus dem Aufbau der IVG herauszuziehen und sich stärker auf den Aufbau ihres Netzwerks zu konzentrieren.

Auf dieser Konferenz sollte diskutiert werden, inwieweit der im Verhältnis zu anderen Gewerkschaften kämpferische Streik der Lokführer um ihre Forderungen Auswirkungen auf die anderen Tarifkämpfe hatte und hat und welche Konsequenzen für die anderen Tarifkämpfe - vor allem für die bevorstehende Tarifrunde der IG-Metall - gezogen werden müssen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kampf im Öffentlichen Dienst um einen höheren Lohn und gegen Arbeitszeitverlängerung noch bevor die Kampfkraft der KollegInnen überhaupt vollständig entfaltet werden konnte, von der ver.di-Führung abgebrochen wurde. Damit wurde auch die gute Chance vertan, mit den KollegInnen der BVG in Berlin, der Post und des Einzelhandels einen gemeinsamen Kampf zu führen - nicht nur für tarifliche Forderungen, sondern auch allgemeinen gegen den Generalangriff von Regierung und Kapitalisten.

Die Diskussion und die drei Referate zur Bilanz des Streiks der Lokführer, der KollegInnen bei der BVG in Berlin und im Einzelhandel zeigte sehr deutlich den Widerspruch zwischen dem Willen der KollegInnen, endlich einen konsequenten Kampf um höhere Löhne gegen Arbeitszeitverlängerung und Privatisierung zu führen, und der Weigerung der ver.di-Spitze und der und GdL-Führung, einen ernsthaften politischen Kampf dafür zu führen.

Die Anwesenden waren sich zum großen Teil darüber einig, dass in Zukunft eine zentrale Aufgabe der Gewerkschaftslinken darin bestehen muss, sich klarer zu positionieren und aufzuzeigen, dass die Gewerkschaftsführung dafür verantwortlich ist, dass die Kämpfe nicht ausgeweitet und damit nicht wirklich zur Verteidigung der Arbeits- und Lebensbedingungen breitester Bevölkerungsschichten führen.

Man war sich in der Einschätzung einig, dass dazu von der Gewerkschaftsführung keinerlei Initiative zu erwarten sei. Verantwortlich für die Misere sind nicht die KollegInnen, die schlecht organisiert und daher oft auch schwer zu mobilisieren sind, sondern die politische Unterordnung der Gewerkschaftsführung unter die Logik der Wettbewerbsfähigkeit und der Standort-Sicherung. Diese Logik führt immer wieder dazu, dass die Verantwortlichen in den Tarifkommissionen Zugeständnisse an die Gegenseite machen, die nur dazu führen, dass sich Regierung und Unternehmer dazu veranlasst sehen, weitere Angriffe gegen die Lohnabhängigen vorzutragen.

Die TeilnehmerInnen waren sich auch größtenteils darin einig, dass diese offensichtliche Diskrepanz zwischen der Abwiegelungstaktik der Gewerkschaftsführung im Einklang mit den bestehenden Co-Management-Betriebsräten dazu führt, dass das Vertrauen der kämpfenden KollegInnen in die Führung mehr und mehr bröckelt. Dies ist vor allem im Einzelhandels-Streik und im GdL-Kampf sehr deutlich geworden:

im Einzelhandel organisiert sich ein Teil der KollegInnen mittlerweile in eigenen Strukturen, entscheiden selbstständig und unabhängig vom Apparat über die Fortführung der Streiks;

in der GdL haben sich oppositionelle Kräfte um die Publikation „Standpunkt“ als oppositionelle Gruppe innerhalb der GdL organisiert, die sich nun auch mit politischen Fragen wie der Privatisierung der Bahn auseinandersetzt und auch Kontakt zu KollegInnen aus Transnet suchen.

Die Diskussion, in der seit langem nicht mehr so klare Worte zur Frage der Verantwortung und Aufgaben der Gewerkschaftslinken, gefunden wurden, zeigte auch, dass es trotz der kleinen TeilnehmerInnenzahl durchaus ein Potential für eine Verstärkung der Gewerkschaftslinken gibt. Es könnte sich aus folgenden Bereichen speisen:

aus AktivistInnen, die einen konsequenten Kampf führen und damit in Konflikt mit dem Apparat geraten und ihren Kampf damit als ständige Auseinandersetzung mit der Gewerkschaftsführung erfahren;

aus Kräften, die aus dem autonomen Spektrum, als dem derzeit einzig wachsenden linken Milieu, zur Arbeiterbewegung stoßen und dort eine neue Perspektive suchen.

Entscheidend ist aber die politische Diskussion, die auf dieser Konferenz - auch begünstigt durch das Fehlen der links-reformistischen Gewerkschaftsfunktionäre - durchaus stattgefunden hat.

Es ist deutlich geworden, dass eine der zentralen Aufgaben der Gewerkschaftslinken darin besteht, als handlungsfähige bundesweite Opposition aufzutreten, die offen Alternativen zum Apparat vertritt und darum KollegInnen organisiert, um damit innerhalb der Gewerkschaften eine klassenkämpferische Opposition aufbauen zu können.

Dass dies eine zentrale Aufgabe ist, wurde auch durch die Aussage des Kollegen aus der GdL unterstrichen, der betonte, dass die Unterstützung diverser „Linker“ für die oppositionellen KollegInnen in der GdL extrem wichtig war, um in ihrem Kampf gegen die GdL-Führung nicht einzubrechen und zu resignieren, wie das sonst oft passiert.

Es wurde vereinbart - als ersten Schritt in diese Richtung -, dass zur bevorstehenden IG-Metall-Tarifrunde ein Positionspapier erarbeitet wird. Dieses soll in die Gewerkschaftsgliederungen eingebracht und darum eine Diskussion mit den KollegInnen organisiert werden.

Die Gruppe Arbeitermacht schlägt dafür folgende Forderungen vor:

400 Euro mehr für alle, 100 mehr für alle Azubis!

Laufzeit von einem Jahr - nicht länger!

Keine Kompensationsgeschäfte gegen Arbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung!

Bundesweite Kampagne zur 35-Stunden-Woche und zur Vorbereitung des Kampfes für die 30-Stunden-Woche!

Wähl und Abwählbarkeit von Streikkomitees!

Keine Geheimverhandlungen, keine Aussetzung von Streiks, keine Abschlüsse ohne vorherige Zustimmung der Basis!

Volle Mobilisierung der Kampfkraft, um eine kräftige Lohnerhöhung durchzusetzen, keine Flexistreiks, sondern eine landesweite Streikbewegung!

Im Kampf um ein solches Positionspapier und die Fähigkeit, darum KollegInnen zu organisieren, die selbstbewusst gegen die Verhinderungstaktik des Apparates für einen erfolgreichen Kampf eingreifen werden, wird sich zeigen, ob die Gewerkschaftslinke ihrer Verantwortung nachkommen kann und will.

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Nr. 130, Juni 2008
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*  Gewerkschaftslinke: Welche Perspektive?
*  Arbeitskämpfe in Berlin: Für eine organisierte Opposition
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*  Missbrauchskandal in Amstetten: Gefängnis Familie
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