Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

SAV und Linkspartei

Hannes Hohn, März 2006

Seit Entstehung der Wahlalternative (WASG) hat sich die SAV aktiv am Aufbau der Organisation beteiligt und sich in deren politische Debatten eingemischt. Im Gegensatz zu LINKSRUCK tritt die SAV für ein sozialistisches Programm ein - zumindest verspricht das der Untertitel ihrer Broschüre vom Oktober 2004. Die SAV geht darin von der Unversöhnlichkeit der Interessen von Proletariat und Bourgeoisie und der Unmöglichkeit eines "sozialen, humanen und friedlichen Kapitalismus" (S. 7) aus.

Ein Programm, das wirklich sozialistischen Charakter hat, muss sich aber v.a. daran messen lassen, ob es einen Weg weist vom gegenwärtigen Abwehrkampf zum Kampf für die sozialistische Revolution. Das SAV-Programm enthält fraglos richtige Elemente, die gegenüber dem Programmentwurf des Bundesvorstandes der WASG einen Fortschritt darstellen:

"Parlamentarische Positionen werden wir vor allem als Plattform zur Verbreitung unserer politischen Alternative und zur Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen nutzen ... Die WASG unterstützt gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe und wird helfen, diese zu vernetzen. Kämpferische Basisinitiativen auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene erhalten unsere Unterstützung und wir setzen uns in den gewerkschaftspolitischen Debatten für einen Kurswechsel der Gewerkschaften hin zu einer kämpferischen Politik ein ..." (S. 7)

Ihre in 6 Punkten zusammengefassten Ziele, von denen die meisten durchaus unterstützenswert sind, kulminieren denn auch in der Forderung nach "Überführung der Banken, Konzerne und Versicherungen in Gemeineigentum ... Demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung" (S.10).

Doch wie soll das bewerkstelligt werden? Soll der bürgerliche Staat das durchsetzen? Welche Stufen und Organisationsformen des Klassenkampfes wären dazu notwendig und wie dauerhaft wäre diese Doppelherrschaft zwischen Arbeiterräten und bürgerlichem Staat? Soll er zuvor zerschlagen werden oder soll er sich etwa friedlich - kraft eines Beschlusses einer WASG-Parlamentsmehrheit - auflösen? Mehr Fragen als Antworten! Gerade in der Staatsfrage dürfen MarxistInnen gar nichts offen lassen! Die SAV macht aber gerade das!

Auch ihr Kapitel 5 "Gegen Krieg und Kapitalismus" steht nicht etwa im Gegensatz zum komplett pazifistischen WASG-Programm. Die SAV fordert nicht etwa die Zerschlagung von Bundeswehr, Nato usw. Daraus könnte man sehr wohl folgern, dass die SAV die Bundeswehr - um ihre rechtesten Bestandteile gesäubert - auch für ein "sozialistisches Projekt" als brauchbar ansieht.

Der im WASG-Entwurf fehlende internationalistische Aspekt findet seine "alternative" Ergänzung im Kapitel 6 "Für eine neue Weltwirtschaftsordnung". Warum nicht für eine sozialistische, liebe SozialistInnen der SAV?! Im ersten Schritt "ist (es) möglich, politische Entscheidungen zu treffen, die dem Neoliberalismus Einhalt gebieten. Dazu fehlt den ... etablierten Parteien und Regierungen aber der Wille." (ebd.)

Das WASG-Programm möchte diesen Willen gern in die imperialistischen Institutionen UNO, Weltbank, IWF, WTO hineintragen. Die SAV meint nun, dass diesem ersten "guten Willen" ein zweiter Schritt "folgen" müsse. "Nur die Ablehnung, die Sachzwänge des Kapitalismus zu akzeptieren, ermöglicht es, konsequent die Interessen der Arbeiter, Angestellten, kleinen Beamten, Erwerbslosen, RentnerInnen und Jugendlichen zu vertreten." (S.10)

Hier kommt die Methode der SAV klar heraus! "Zuerst" den Weg mit Reformisten und ihren Vorstellungen gemeinsam gehen. "Danach" - wenn sie durchgesetzt oder aber gescheitert sind - den Rechthaber spielen: Wir haben ja schon immer gesagt, dass es nicht genug ist! Erst dann trennen sich die Wege von SAV und WASG-Vorstand! Welcher Unsinn!

Das "Übergangsprogramm" der SAV enthält zwar einige radikale Losungen, welche die ReformistInnen nicht auf ihrem Zettel haben; aber es schlägt eben nicht die Brücke vom heutigen Bewusstsein der Arbeiter(vorhut) zur Diktatur des Proletariats, benennt keine unabhängigen Klassenorgane wie Fabrikkomitees, Arbeitermilizen und -räte, sondern will nur "einen" Schritt weiter als das vorherrschende reformistische Bewusstsein derjenigen sein, die mit der SPD (einstweilen) organisatorisch gebrochen haben, ohne damit aber schon der sozialdemokratisch-reformistischen Ideologie den Laufpass gegeben zu haben.

Die revolutionäre Sprengkraft des Übergangsprogramms wird von der SAV - und nicht nur in ihrem WASG-Vorschlag, sondern immer! - doppelt entschärft:

1) werden einzelne Losungen aus dem Gesamtzusammenhang des Programms gerissen. Es gibt aber keine Einzellosungen, die für sich genommen mit wundersamer Sprengkraft den Kapitalismus zerstören könnten, wenn man nur heftig genug für sie kämpft! Alle Übergangslosungen müssen in eine Strategie für die Zerschlagung des Kapitalismus, die Diktatur des Proletariats eingebettet sein, sonst sind sie integrierbar und wirkungslos selbst für die Entfaltung von Doppelherrschaft;

2) fehlen bei der SAV wie stets die eigentlich zentralen, die Frage der Macht betreffenden Losungen nach Räten, Arbeitermilizen, Arbeiterkontrolle und der Zerschlagung des bürgerlichen Staates.

Die Vorschläge der SAV würden das WASG-Programm graduell verbessern - eine Anleitung zum Handeln im Klassenkampf oder gar sozialistisch wäre es auch dann nicht!

Zudem bringt es auch den Kampf innerhalb der WASG gegen deren reformistische Führung der Ernst, Händel, Troost u.a. keinen Schritt voran. Anstatt die methodischen und strategischen Differenzen zwischen Reformismus und Marxismus offen zu legen, werden sie von der SAV verkleistert.

Im Gegensatz zu isl und Linksruck kritisierte die SAV die keynesianische Ausrichtung der WASG und die damit verbundene hauptsächlich auf Wahlen ausgerichtete Strategie. Schon vor Gründung der WASG brachte sie auch einen eigenen - links-reformistischen - Programmentwurf ein, den sie dann jedoch mit Beginn der Programmdebatte zurückzog und nicht zur Abstimmung stellte! Stattdessen begnügte sie sich mit einigen Abänderungen, die angeblich den "Charakter" des 28seitigen Programms ändern würden.

Neue Arbeiterpartei oder linksreformistische Minipartei?

Der Erfolg bei der Bundestagswahl hat der Dynamik Richtung gesamtdeutscher Linkspartei einen neuen Schub gegeben und die Fusion von WASG und PDS auf die Tagesordnung gesetzt. Die Position der SAV dazu zeigt, dass ihre Politik eine Mischung von Sektierertum und linksreformistischen Illusionen ist.

Die SAV lehnt eine Fusion von WASG und PDS gegenwärtig und unter den gegebenen Bedingungen ab. Sie führt dafür zwei Argumente ins Feld: 1. würde eine solche Fusion dem politischen Diskussions- und Klärungsprozess schaden und 2. bedeuten, dass die WASG von der viel größeren PDS ’geschluckt’ und deren reformistische Führung das ganze Projekt auf ein politisches Gleis schieben würde, das die Richtung bisheriger PDS-Politik mit Beteiligung an Landesregierungen, Kürzungen, Sozialabbau usw. fortführt.

Natürlich sind diese Befürchtungen begründet. Doch die SAV-Position fußt dabei auf falschen Annahmen und führt zu falschen Schlussfolgerungen.

Die SAV behauptet, die WASG wäre aktiver, linker, offener und damit unterm Strich politisch ’besser’ als die PDS. Und ’besser’ nicht einfach graduell, sondern immerhin in einem Ausmaß, dass sich daraus die Ablehnung der Fusion durch die SAV ergibt.

Richtig ist daran, dass die WASG noch nicht ganz so reformistisch verfestigt ist wie die PDS. Vor allem hat sie nicht einen so starken bürokratischen Apparat und Tausende FunktionsträgerInnen wie diese. Doch schon der Einzug in den Bundestag hat etliche Posten - und die realistische Aussicht auf noch mehr Posten - für die WASG gebracht.

Doch Entstehung und Entwicklung der WASG zeigen, dass es auch da eine (informelle) Führungscrew gab und gibt, die der WASG von Anfang an einen klar reformistischen Kurs - der zudem nicht linker war als jener der PDS - aufdrängte. Wie ’offen’ die WASG politisch tatsächlich war und ist, ist sehr deutlich daran zu sehen, dass die reformistischen FührerInnen und deren reformistische Programmvorschläge stets mit großer Mehrheit bestätigt wurden. Sicher, über Alternativen diskutieren und den politischen Mainstream in der WASG kritisieren kann man in der WASG immer. Doch was dann in Programm und Praxis verbindlich ist, ist eben die Vorstandslinie.

Zudem ist auch von einer stärkeren, grundsätzlichen Oppositionsströmung oder Fraktion in der WASG - die eine grundsätzlich andere, antikapitalistisch-revolutionäre Ausrichtung hat - nichts zu sehen.

Sicher ist die WASG gegenüber der PDS aktiver und enger mit den Gewerkschaften verbunden. Doch das allein bedeutet noch lange nicht, dass sie deshalb weniger reformistisch wäre. Im Unterschied zur PDS hat sie ihre größten reformistischen "Sünden" in Gestalt von Regierungsbeteiligungen und der Umsetzung neoliberaler Maßnahmen noch vor sich.

Das Missverständnis der SAV bezüglich einer politisch "besseren", d.h. weniger reformistischen WASG, ergibt sich zum einen daraus, dass die SAV selbst ein Programm hat, das nur linksreformistisch ist.

Zum anderen liegt dem die Annahme zugrunde, dass Reformismus sich vor allem dadurch auszeichnen würde, dass er ein sozialistisches Ziel mittels Reformen erreichen wolle. Doch tatsächlich entspringt der Reformismus als vorherrschendes Bewusstsein der Arbeiterklasse den bürgerlichen Lohnarbeitverhältnissen und ist in der Regel eben nicht mit "sozialistischen" Vorstellungen verbunden. Zum anderen ist Reformismus eine bürgerliche politische Agentur in der Arbeiterbewegung, die - je nach Situation des Kapitalismus - als kleineres Übel oder als Reformkraft agiert oder als Regierungssubjekt ganz offen imperialistische Politik umsetzt und massive Angriffe auf die Klasse führt.

Ein zweiter Grund für die Ablehnung der Fusion ist ganz simpel: die SAV fürchtet, dass sie unter dem größeren Dach der Linkspartei weniger Einfluss als jetzt hätte.

Wenn der Fusionsprozess damit verbunden ist, dass es offene Konferenzen und eine Programmdiskussion gibt, ist das grundsätzlich zu begrüßen. Sicher werden PDS- und WASG-Führung alles tun, um allzu viele und allzu grundsätzliche Diskussionen zu verhindern; sicher werden sie ihre politische und organisatorische Kontrolle über den Fusionsprozess behalten wollen. Doch was ist dagegen zu tun?

Gegen die endgültige reformistisch-bürokratische Verfestigung der neuen Partei gibt es drei wesentliche Faktoren: 1. ein Aufschwung des Klassenkampfes insgesamt; 2. die Einbeziehung neuer Schichten aus diesen Kämpfen, v.a. der Arbeiterklasse, in die Linkspartei und 3. die Bildung eines klassenkämpferischen bzw. revolutionären Flügels in der Linkspartei.

Der Charakter der Linkspartei wird nicht davon abhängen, wie schnell oder ob die Fusion überhaupt zustande kommt. Sie kommt sowieso, weil die Mehrheit und die Führungen beider Organisationen sie wollen. Ihr Charakter kann nur dadurch beeinflusst werden, dass ein relevanter Teil auf einem klassenkämpferisch-revolutionären Programm gesammelt und zum Kampf dafür innerhalb und außerhalb der Linkspartei motiviert werden kann.

Die SAV hat dafür kein geeignetes Programm, ihre Perspektive einer ’kleinen, aber feinen’ separaten WASG ist alles andere als motivierend und ist in Wirklichkeit nur ein Ausweichmanöver, ein Nebenkriegsschauplatz, um der politischen Auseinandersetzung mit den reformistischen Konzepten von WASG wie PDS aus dem Wege zu gehen.

Regierungsfrage

Ein zentraler Konflikt in der WASG berührt die Frage, ob man sich an Regierungen beteiligen dürfe bzw. ob man mit der PDS, die in Landesregierungen sitzt, fusionieren könne. Welche Position hat die SAV dazu?

Ein zentraler Vorschlag der SAV bestand darin, von der WASG den "Verzicht auf jede Beteiligung an einer Regierung, die Sozialabbau betreibt" zu fordern. Das führte in der WASG zu einigem Aufsehen, weil sich die Parteiführung natürlich die Hände frei halten wollte für etwaige Regierungsbeteiligungen. Als politische Position zeigt sie aber auch die ganze Halbheit der SAV-Intervention in der Programmdebatte.

Erstens bleibt der Klassencharakter der Regierung außen vor. Eine bürgerliche Regierung, die soziale Gerechtigkeit verspricht, ist bekanntlich noch immer eine Regierung des Kapitals und nicht der ArbeiterInnen. Für SozialistInnen kann daher weder von der Beteiligung an einer solchen Regierung noch von deren politischer Unterstützung die Rede sein. Davon zu unterscheiden sind die Verteidigung einer sozialdemokratischen, also bürgerlichen Arbeiterregierung gegen die Angriffe der Reaktion oder Forderungen an eine reformistische Partei, Koalitionen mit der Bourgeoisie zu brechen, eine Minderheitsregierung zu bilden und Versprechen im Interesse der Arbeiterklasse durchzuführen.

Zweitens bleibt die Forderung nach 'Verzicht' auf Regierungsbeteiligung hilflos, wenn gleichzeitig keine Alternative zum Programm der sozialen Reform des bestehenden Systems vorgelegt wird. Wer einem solchen Programm zustimmt, einen 'vernünftigen' sozialstaatlichen Kompromiss haben will, der muss auch die Mittel wollen, ihn durchzusetzen - den bürgerlichen Staat und die bürgerliche Regierung. Alles andere bleibt nur eine moralische Kritik. Die SAV hat ein solches Programm jedoch nicht!

Der Verzicht auf eigenes Programm und den Kampf um eine revolutionären Programmatik in der WASG/Linkspartei führt die 'Linken' in eine politische Falle. Indem sie darauf verzichten, der politischen Strategie der Führungen ein eigenes, revolutionären Konzept gegenüberzustellen, können zwar gegen die "Auswüchse" der reformistischen Politik der Führungen in WASG und PDS zu Felde ziehen - sie bleiben aber letztlich bei der Kritik ebendieser "Auswüchse" stecken, statt sie aus der reformistischen Programmatik von WASG und PDS herzuleiten.

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Vorwort

Neue Arbeiterpartei oder Wahlverein?

Exkurs: Arbeiterparteitaktik

Alternative Keynes?

Wofür steht Oskar Lafontaine?

Ankommen über alles. Zur Politik der PDS

WASG-Berlin: Welche politische Alternative?

Anhang: Arme Polizei

Linksruck in der WASG: Rechts blinken, rechts abbiegen

SAV und Linkspartei

Anhang: Lehren von Liverpool

Für ein revolutionäres Programm!