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Imperialismus und Frauenunterdrückung

14. Von Anbeginn an war der Kapitalismus expansionistisch. Er schuf eine kapitalistische Weltwirtschaft auf eine kombinierte und ungleiche Weise. Der Kolonialismus und dann der Imperialismus (vom späten 19.Jahrhundert an) teilten die Welt zwischen den Großmächten auf, um natürliche Ressourcen und Arbeitskraft zu plündern und die beherrschten Gebiete - die Kolonien und Halbkolonien - zum Nutzen des Monopolkapitals auszubeuten. Durch seine Expansion und Beherrschung der Welt zerstörte das imperialistische Kapital zugleich die vorhandenen Wirtschaftsformen und die sozialen Beziehungen der vorkapitalistischen Produktionsweisen der imperialisierten Welt. Es zerschlug die Subsistenzwirtschaft, ruinierte die einheimische Textilindustrie, zerstörte die Systeme von Verpflichtungen und Unterstützung in den BäuerInnendörfern und untergrub die feudale und religiöse Autorität. Aber dort, wo der Kapitalismus "die Chinesische Mauer niederreißt", reißt er auch die soziale Struktur der alten Gesellschaften einschließlich der Familienstrukturen in Stücke - nicht, um den Fortschritt zu fördern, sondern um die koloniale Versklavung der Völker, die er eroberte, zu erleichtern.

Für die Frauen - wie für die arbeitenden Massen insgesamt - schufen diese Entwicklungen die materiellen Bedingungen für die Befreiung von den oftmals brutal patriarchalischen Familienstrukturen, die vor der Ankunft des imperialistischen Kapitals vorgeherrscht hatten, sie vertieften und verschärften jedoch gleichzeitig die Unterdrückung und Ausbeutung, die die Frauen erlitten. Die Einführung der kapitalistischen Industrie, die Durchdringung der ländlichen Gebiete durch den Kapitalismus, die Lockerung der feudalen Bande führten zur Schaffung der ArbeiterInnenklasse, der einzigen Klasse, die fähig ist, Ausbeutung, Unterdrückung und Klassengesellschaft zusammen zu beenden. In der imperialistischen Epoche wurde für die Masse der bäuerlichen und proletarischen Frauen der Kolonien und Halbkolonien der Weg frei. Die Unterordnung unter das männliche Familienoberhaupt, Aberglaube, Unwissenheit und Versklavung - die Normen des Familienlebens während vieler Jahrhunderte - können ein für allemal abgeschafft werden.

Jedoch gerade weil wir in der Epoche des Imperialismus leben, ist das Potential für einen derartigen Fortschritt blockiert und tatsächlich durch den reaktionären Würgegriff des Imperialismus in einigen Ländern, Gebieten und Sektoren insgesamt verhindert worden. Die kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung hat die materiellen Voraussetzungen, aber auch die Hindernisse für die Befreiung der Frauen geschaffen. Nur Revolutionen, die von der ArbeiterInnenklasse geführt und auf die Zerstörung des Kapitalismus insgesamt gerichtet sind, können diese Voraussetzung verwenden und diese Hindernisse zerstören.

 

15. Die Rolle der Frauen in Produktion und Reproduktion wird von der imperialistischen Ausbeutung beeinflusst. Proletarisierung kann für Millionen Frauen eine endlose Hölle der Wanderarbeit ,der besitzlosen Landarbeit oder der Arbeitslosigkeit und ein Leben im Slum bedeuten. Für die Frauen in entwickelteren Halbkolonien wie Südkorea kann sie Überausbeutung in der Jugend bedeuten, gefolgt von bitterem Elend, sobald ihre Arbeitsfähigkeit als Ergebnis der Jahre, geprägt von langer Arbeitszeit und erbärmlicher Bezahlung (oft schon ab dem Alter von 10 Jahren), versiegt ist. Und für Millionen anderer Frauen führt dieser Prozess unausweichlich zur Prostitution (eine gewaltige Industrie in Ländern wie Thailand) oder dazu, als Dienerin/Hausfrau (de facto als Sklavin) der Männer im Westen exportiert zu werden. (Die "verkäuflichen Bräute" auf den Philippinen und der Export junger Frauen aus Sri Lanka sind beides ekelerregende Beispiele für diesen Frauenhandel.)

Bäuerinnen verbleiben mit der doppelten Belastung, den Haushalt zu führen und das Land zu bearbeiten. Wo das Land weggenommen wurde oder wo die Klassendifferenzierung auf dem Land die Ärmsten ohne Land lässt, kann den Frauen nichts übrigbleiben, als sich für die Familie durchs Leben zu schlagen - ohne Unterstützung außer der Hoffnung, dass ein wenig Lohn vom Ehemann, der in der Stadt arbeitet, nach Hause geschickt wird. Eheschließungen und traditionelle Familienstrukturen werden zerstört oder in einer Form wiedergeschaffen, die die von den Frauen erlittene Unterdrückung intensiviert. Und proletarische Frauen, die vom Land entkommen sind, finden ihre Einkommen oft von der Notwendigkeit aufgezehrt, die landlose Familie, die sie zurückgelassen haben, zu unterstützen. Sehr oft werden die Frauen jedoch in die produktive Arbeit zu niedrigeren Löhnen als die Männer einbezogen und bleiben oft auf Saisonarbeit beschränkt. All dies steigert das Risiko, dass Prostitution oder Unterwerfung unter die gegenwärtige Sklaverei die einzigen Alternativen zum Verhungern werden.

Für jene Frauen, die auf dem Land geblieben sind, insbesondere in Afrika, führte die Einführung moderner Landwirtschaft, insbesondere der "cash-crops" (exportorientierte landwirtschaftliche Produkte), dazu, dass die Frauen die Kontrolle über das (matrilinear vererbte) Land und über die Nahrungsmittelproduktion verloren haben, obwohl sie noch immer die meiste Arbeit leisten. Der Zwang, unter diesen Bedingungen weiterhin zu arbeiten, ist die Notwendigkeit, die Subsistenzmittel für junge und alte Angehörige zu produzieren. Frühere Formen der Frauenunterdrückung - Mitgift, Brautpreis, Frauenbeschneidung, Polygamie - wurden vom Imperialismus nicht beseitigt, wenn auch deren soziale Grundlage untergraben sein mag. Millionen Frauen, speziell in Afrika und in einigen islamischen Ländern, erleiden Klitorisbeschneidung und Infibulation (Verschließen des Sexualorgans durch Klammern,..). Zehntausende in Südasien tragen die Last der Arbeit im Haushalt der Familie des Ehemannes.

Die teilweise Zerstörung der traditionellen Strukturen und der Verpflichtungen der Familie kann die Frauen noch schutzloser machen, was zum Beispiel zu solchen Schrecklichkeiten wie der Zunahme an Brautverbrennungen in Indien führt. Und von den Vorteilen, die der Kapitalismus bringt - wie im Erziehungs- und Gesundheitswesen, profitiert in Wirklichkeit nur eine kleine Handvoll der Menschen in der imperialisierten Welt. Die weibliche Alphabetenrate liegt noch immer unter der der Männer. Und trotz medizinischer Fortschritte besitzt die Masse der Frauen in den Halbkolonien keine Kontrolle über ihre eigene Fruchtbarkeit, und in Afrika und Asien stirbt jedes Jahr eine halbe Million Frauen bei der Geburt ihres Kindes.

Unter diesen Bedingungen der Unterdrückung ist es nicht überraschend, dass die Frauen zu Tausenden an den Kämpfen gegen den Imperialismus in den Kolonien und Halbkolonien teilgenommen haben. In Vietnam, Nicaragua, den Philippinen, Angola und Mozambique haben die Frauen in heldenhaften Kämpfen gegen schwerbewaffnete imperialistische - oder vom Imperialismus gestützte - Regimes zu den Waffen gegriffen. Die Interessen der bäuerlichen und proletarischen Frauen wurden immer wieder verraten - entweder von den kleinbürgerlich-nationalistischen Führungen, die, einmal an der Macht, zu einer neuen Übereinkunft mit dem Imperialismus gebracht wurden, oder von den stalinistischen FührerInnen, deren bürokratische Herrschaft viele der schlimmsten Züge des kapitalistischen Familienlebens reproduziert.

In einigen Fällen, wie im Iran, bedeutet die traditionell untergeordnete Rolle, die die Frauen spielten, dass sie nach der Revolution gegen den Schah einer fürchterlichen Konterrevolution seitens der Mullahs unterworfen wurden. In anderen Fällen haben Frauen tatsächliche Errungenschaften gemacht, besonders was die Alphabetisierung, Gesundheitsfürsorge und manchmal sogar demokratische Rechte anbelangt. Ohne den Sturz des Kapitalismus oder der stalinistischen HerrscherInnen der degenerierten ArbeiterInnenstaaten, die aus den antiimperialistischen Kämpfen entstanden sind, werden sich jedoch alle Errungenschaften der Frauen als vorübergehend, eingeschränkt, nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht erweisen oder durch die andauernde imperialistische Ausbeutung, die Forderungen des Weltwährungsfonds oder die Bedürfnisse der parasitären Bürokratie, die der Planwirtschaft vorsteht, wieder bedeutungslos werden.

Die Bereitwilligkeit der PDPA in Afghanistan, das Alphabetisierungsprogramm für Frauen als Teil ihres Kuhhandels mit den reaktionären islamischen Rebellen zu opfern, ist nur das letzte Beispiel für den Verrat an der Sache der Frauenbefreiung, zu dem der Stalinismus fähig ist. Der kleinbürgerliche Nationalismus hat - und wird - sie auf genau dieselbe Weise verraten. Nur das Programm der Permanenten Revolution, in dem das Erlangen sinnvoller demokratischer Rechte und eine progressiven Lösung der Agrarfrage untrennbar mit dem Erreichen der ArbeiterInnenmacht und des Sozialismus verbunden sind, kann den Frauen die Perspektive auf eine erfolgreiche Beendigung ihres Kampfes gegen die Unterdrückung bringen.

 

16. Ein Merkmal der frühen kolonialen Periode warn die massenhaften erzwungenen Vertreibungen und Versklavungen von WestafrikanerInnen durch europäische HändlerInnen und amerikanische PlantagenbesitzerInnen. Familien und Gemeinschaften wurden buchstäblich auseinandergerissen. Sowohl die Arbeitskraft als auch die Reproduktionsfähigkeit wurden von den SklavInnenhalterInnen streng kontrolliert und ausgebeutet. Sklavinnen wurde jegliche Wahl ihrer sexuellen und persönlichen Beziehungen verweigert, und sie wurden - als Eigentum ihrer Besitzer - systematisch von ihnen vergewaltigt und misshandelt. Sie waren beinahe gänzlich verantwortlich für das Aufziehen ihrer Kinder, doch hatten sie keine Kontrolle über deren Zukunft. Es ist daher nicht überraschend, dass schwarze Frauen an der Vorderfront des Kampfes gegen die Sklaverei in den USA standen.

Die Sklaverei hat ihre Spuren in den betroffenen Gesellschaften hinterlassen. Im besonderen hat sie zum Wachstum des Rassismus beigetragen und so die Last der Unterdrückung, die schwarze Frauen der ArbeiterInnenklasse in Nord- und Südamerika und Europa erleiden, verdreifacht.

Das vertraglich abgesicherte Arbeitssystem hat nicht so extreme Formen der Unterordnung und Unterdrückung geschaffen, doch zwang auch dieses den Frauen zusätzliche Belastungen auf, da ihnen ohne jegliche Unterstützung die Verantwortung für die Familie bleibt, wenn der Imperialismus die männlichen Arbeitskräfte benötigt.

Die verheerende Auswirkung des Imperialismus auf die Volkswirtschaften und Halbkolonien hat eine weltweite Wanderarbeit geschaffen. Die Frauen in dieser Gruppe leiden unter spezifischen Formen der Diskriminierung und unter einer schrecklichen Last der Unterdrückung in den 'Gastländern'. Institutionalisierter Rassismus und allgemeine Formen des Rassismus in Form des Nationalchauvinismus hindern die meisten dieser Frauen an der Nutzung dieser Errungenschaften, die die Frauen in den imperialistischen Kernländern im Rahmen der bürgerlichen Demokratie gewonnen haben. In den meisten Fällen zwingt der Rassismus diese Frauen, sich in die ImmigrantInnenkreise zurückzuziehen. Wo aus kulturellen oder religiösen Gründen patriarchale Ideologie diese Kreise dominiert, können Frauen zusätzlichen Hindernissen gegenüberstehen, die sie daran hindern, ihre vollen demokratischen Rechte einzufordern, an der ArbeiterInnenbewegung teilzunehmen und gegen ihre eigene Unterdrückung zu kämpfen. Sie werden daher unfähig, die Themen der Frauenunterdrückung innerhalb der ArbeiterInnenklasse als Ganzes aufzugreifen. Eine untergeordnete Position der Immigrantinnen verursachen auch die Einwanderungskontrollen, da in diesen die verheirateten Frauen als anhängig von den Männern gesehen werden. Das Gewicht dieser Unterdrückung und Unterordnung macht es auch doppelt schwer für diese Frauen, die Unterdrückung in ihren eigenen Kreisen und Familien zu bekämpfen.

Eine andere Folge der Einwanderungskontrollen in den imperialistischen Ländern ist, dass sie tausende Frauen von ihren Partnern trennt und daher weder das Ursprungsland noch das Land, wo der Mann beschäftigt ist, die Verantwortung für deren Wohlfahrt übernimmt.

Das Gewicht ihrer Unterdrückung zusammen mit dem Rassismus innerhalb der ArbeiterInnenbewegung und das Versagen der existierenden Frauenbewegungen, konsequent für die Interessen schwarzer Frauen zu kämpfen, schaffen die Bedingung für wachsende Unterstützung für die Strategien, die von SeparatistInnen und schwarzen NationalistInnen vorgeschlagen werden.

Dennoch haben schwarze Frauen immer wieder die Führung in Kämpfen für gewerkschaftliche Organisierung, Sozialleistungen und gegen Rassismus übernommen. Dies zeigt das Potential schwarzer und anderer immigrierter Frauen, für eine Klassenlösung ihrer eigenen, spezifischen Unterdrückung zu kämpfen.

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