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Palästina

Keine Hoffnung in den Imperialismus!

Martin Suchanek, Neue Internationale 92, Juni/August 2004

Zwei Klagen palästinensischer BürgerInnen gegen die Apartheidmauer des israelischen Staates wurden in den letzten Wochen zumindest teilweise stattgegeben.

Sie hatten gegen die Zerstückelung ihres Landes resp. die Aneignung eines Teils der Westbank durch den zionistischen Staat geklagt. Einmal in Israel, einmal beim Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte.

Der israelische Staat müsse demzufolge einen Teil der Apartheidmauer in der Westbank rückbauen und den BewohnerInnen der besetzten Gebiete Zugang zu ihren Feldern jenseits der Mauer gewähren. Auch der Internationale Gerichtshof verurteilte den Mauerbau und forderte Israel auf, die Hälfte davon wieder abzutragen.

Trotz der Urteile reagierte die israelische Regierung wie erwartet: Die Rechte der PalästinenserInnen werden weiter mit Füßen getreten. Statt solchen Urteilen, die nichts an der Substanz der Unterdrückung von Millionen ändern, nachzukommen, startet Scharon eine Propagandaoffensive gegen den "Terror" der Unterdrückten.

Der neuerliche Bruch internationalen Rechts soll freilich durch eine diplomatische Offensive im Westen flankiert werden, so dass sich nicht nur die USA gegen Anträge zur Verurteilung des zionistischen Staates stellen. Die USA haben - wie so oft - schon klar gemacht, dass sie die Politik Scharons weiter stützen werden.

Sollte jemand Hoffnungen in den demokratischen Imperialisten und Gegenkandidaten Bushs, John Kerry, haben, so hat auch dieser gleich betont, dass er für "Israels Recht auf Selbstverteidigung" gegen den Terror, sprich die fortgesetzte Okkupation samt all ihrer Begleiterscheinungen, eintritt.

Soziale Katastrophe

Die Unterdrückung des palästinensischen Volkes ist nicht nur eine Schlüsselfrage für die Beherrschung des Nahen Ostens und eine imperiale (Neu)Ordnung dieses Raumes. Die Politik der Regierung Scharon (und nicht erst dieser) hat auch die sozialen Auswirkungen für das Leben der Bevölkerung drastisch verschärft.

West Bank und Gaza befinden sich wirtschaftlich inmitten der größten Rezession, die es in den besetzten Gebieten je gab. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.

Der Hauptgrund dafür liegt in der Politik des israelischen Staates gegenüber den PalästinenserInnen - in der fast totalen Blockade von Handel und Personenverkehr.

Selbst ein Abzug aus Gaza (und aus den israelischen Siedlungen in diesem Gebiet) würde die Situation kaum ändern, solange die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der PalästinserInnen und die strengen Grenzkontrollen durch die israelische Armee aufrecht erhalten blieben. Gaza hätte dann zwar keine zionistischen Siedlungen mehr, für deren Erhalt heute fast 40% des Territoriums von der israelischen Armee kontrolliert werden. Aber es wäre praktisch von der Welt abgeschnitten: eine riesiges Armenlager.

Diese Fakten stammen übrigens aus dem letzten Bericht der Weltbank über die besetzten Gebiete - einer Institution also, die sicher keiner pro-palästinensischen oder pro-arabischen Haltung verdächtig ist.

Reaktionen

Sie verdeutlichen, dass die nationale Unterdrückung der PalästinenserInnen - begonnen mit ihrer gewaltsamen Vertreibung bei der Gründung des Staates Israel, die Vorenthaltung ihres Rückkehrrechtes, ihr Leben unter Besatzung und in Flüchtlingslagern, tägliche Schikanen durch die Armee usw. - einhergeht mit einer zunehmenden Verelendung der Massen.

Die Palästinensische Arbeiterklasse ist zu einer Klasse von Arbeitslosen geworden. Das Kleinbürgertum und die Mittelschichten stehen vor dem Absturz - nicht ins Proletariat, sondern in den kompletten Ruin.

Die Reaktion auf Scharons hartnäckige Verteidigung der Apartheidmauer, die sicher auch in einer etwaigen Koalitionsumbildung mit der Labour-Partei weiter betrieben wird, war ein Anschlag durch die, formell Arafats Fatah-Bewegung zugehörigen, Al Aksa Brigaden.

So verständlich und berechtigt diese Form des Widerstandes auch ist, so verdeutlicht dieser Anschlag wie auch vorangegangene den verzweifelten Charakter, die Schwäche und fehlende politische Perspektive des palästinensischen Widerstandes, wie auch die mangelnde internationale Solidarität mit einer unterdrückten Nation.

Im Kampf gegen die zionistische Besatzung brauchen die PalästinenserInnen Solidarität und Unterstützung. Sie brauchen dazu aber auch einen politischen Strategiewechsel.

Die Politik der bürgerlichen Kräfte um Arafat und die Fatah hat mit zur gegenwärtigen Situation beigetragen. Die islamistische Alternative einer Hamas oder Hisbollah hat nicht nur wenig Chance auf Erfolg, sie wäre auch ein reaktionärer Alptraum - für die jüdischen Massen, aber auch für die PalästineserInnen selbst, insbesondere für die Frauen und die Arbeiterbewegung.

Heute steht der Kampf gegen die Besatzung, für den bedingungslosen Rückzug der israelischen Armee im Vordergrund. Dazu ist auch die Kooperation mit Kräften in Israel wie den Wehrdienst-Verweigerern notwendig, die sich der Besetzung in den Weg stellen. Es ist dazu auch die Kooperation mit der jüdischen Arbeiterklasse notwendig, wo sie gegen die Fortsetzung der Besatzung eintritt bzw. Widerstand gegen die neo-liberale Politik in Israel selbst und die steigende Massenarbeitslosigkeit leistet. Ziel muss dabei sein, die klassenübergreifende Allianz zwischen Kapital und Arbeit im zionistischen Block in Israel selbst entlang der Klassenlinie zu spalten.

Das kann jedoch nur gelingen, wenn die israelische Arbeiterklasse das Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen akzeptiert und den "eigenen" Staat als reaktionäre Unterdrückungsmaschinerie erkennt, die zerschlagen werden muss - nicht nur zur Befreiung der PalästinserInnen von nationaler Unterdrückung, sondern auch des jüdischen Proletariats selbst.

Ein solcher Kampf braucht jedoch auch eine neue, politische Organisation, eine revolutionäre Partei der palästinensischen und jüdischen ArbeiterInnen; eine Partei, die für die nationale Befreiung der PalästinserInnen kämpft und diesen Kampf mit dem Kampf um die soziale Befreiung verbindet; eine Partei für einen bi-nationalen Arbeiterstaat in Palästina als Teil einer zukünftigen Sozialistischen Föderation des Nahen Ostens.

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