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Europäisches Sozialforum

Fighten oder Faseln?

Martin Mittner, Neue Internationale 80, Mai 2003

Seit Genua und v.a. seit dem Europäischen Sozialforum (ESF) in Florenz 2002 gibt es Sozialforen in allen Erdteilen und in vielen europäischen Ländern - Italien, Spanien, Griechenland, Ungarn - und inzwischen auch in Deutschland.

Die Antikriegsdemonstrationen am 15. Februar, die 20 bis 30 Millionen auf die Straße brachten, beweisen, dass das ESF eine wirkliche Kraft ist.

Doch diese Kraft hat eine stumpfe Spitze. Während 10.000e in den Foren eine Hoffnung auf Organisierung, Mobilisierung und eine politische Alternative erblicken, wollen große Teile des europäischen Vorbereitungstreffens die Sozialforen zu reinen Diskussionsgremien ohne mobilisierende Absicht modeln.

Das trifft besonders für attac zu, das die Foren entweder klein halten, oder sich ihrer bemächtigen will, um keine Alternative zu ihrem Monopolanspruch auf Teile der Anti-Globalisierungsbewebung aufkommen zu lassen.

Andere, wie die International Socialist Tendency (in der BRD Linksruck), treten zwar für die Verbreitung der Foren und eine Aktionsorientierung ein - lehnen aber den Aufbau lokaler Foren und den politischen Kampf gegen den rechten Flügel ab.

Das ESF muss also nicht nur ein Ort zur Strategiedebatte in der Bewegung sein, es muss ein europaweiter Focus zur Mobilisierung gegen die imperialistischen Kriegs- und Aufrüstungspläne werden. Es muss neben dem Kampf gegen imperialistischen Krieg und Militarismus auch den Kampf gegen die neoliberalen Angriffe der europäischen Regierungen und Kapitalisten führen. Es muss nicht zuletzt den Kampf gegen den Rassismus der Festung Europa und für internationale Solidarität - insbesondere mit den PalästinenserInnen - auf seine Fahnen schreiben.

Beispiele

Die Italienischen Foren sind die aktivsten und umfassendsten, weil sie aus den Kämpfen um und nach Genua entstanden. Sie haben tiefe Wurzeln in der Arbeiterbewegung und unter den AntikapitalistInnen. Sie haben zentrale politische und gesellschaftliche Ziele aufgegriffen - Solidarität mit den FIAT-ArbeiterInnen, Kampf gegen den imperialistischen Krieg, Widerstand gegen staatlichen Rassismus, gegen Berlusconis Angriffe auf demokratische Rechte und historische Errungenschaften der Massen.

Die Sozialforen können also sehr wohl eine Struktur zur Planung und Koordinierung von Massenaktionen sein, um eine internationale Bewegung riesigen Ausmaßes aufzubauen - eine Aufgabe, welche die Debatte über die Strategie der Bewegung einschließt.

So können die Foren zu einem zentralen Mittel werden, eine mächtige antikapitalistische und antiimperialistische Massenbewegung in jedem Land aufzubauen. So können sie am ehesten vor der Übernahme durch reformistische Parteien und Gewerkschaftsbürokraten geschützt werden.

Daher müssen wir das "Porto Alegre"-Modell des Weltsozialforums (WSF) ablehnen, das die Foren auf "Expertendebatten" und bunte "Happenings" beschränkt. Die Prinzipien des WSF schließen die offene Teilnahme von Parteien und politischen Organisationen ebenso wie Mehrheitsentscheidungen aus.

Das führt nicht nur zur Ausgrenzung großer Teile der Linken, sondern auch dazu, dass die reformistischen Parteien in Form von "Prominenten" wie Brasiliens Präsident Lula auftauchen und ihren Einfluss über rechte "zivilgesellschaftliche Organisationen" verdeckt durchsetzen.

Gleichzeitig führt die Ablehnung von Mehrheitsentscheidungen zur Lähmung der Aktionsfähigkeit und zur Privilegierung "akademischer" Debatten über die richtige politische Strategie.

Daher treten wir dafür ein, dass das ESF, welches im November in St. Denis (in der Nähe von Paris) stattfinden wird, mehr Wert auf die Mobilisierung für Kämpfe und auch die Strategie der Bewegung legt.

Perspektive

Wir schlagen vor, folgende Themen zu zentralen Aufgaben des ESF zu machen:

- Nieder mit der Kolonisierung des Nahen Ostens durch USA und Israel!
- Kampf dem imperialistischen "Krieg gegen den Terror"!
- International koordinierte Kampagne gegen Privatisierung, GATS (neoliberales Abkommen zur Privatisierung von Dienstleistungen) und Massenentlassungen, um die Angriffe der Kapitalisten und ihres Staates abzuwehren!
- Aufbau von Sozialforen in jeder Stadt, in jedem Land!
- Unterstützung des Aufbaus einer neuen Weltpartei der sozialistischen Revolution, der Fünften Internationale!

Wir rufen zur Einbeziehung aller Gewerkschaften, aller Massenorganisationen der Arbeiterklasse auf! Wir treten dafür ein, dass die Anti-Kriegskomitees Teil der existierenden oder zu bildenden Sozialforen werden.

Das Weltsozialforum muss ein politisches Gremium werden, das politische Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss fällt - nicht im "Konsens". Das Parteienverbot muss aufgehoben werden! Weg mit der künstlichen Trennung von ESF und dem Treffen der "Europäischen Sozialen Bewegungen"!

Das ESF im November sollte mindestens einen Tag dazu verwenden, zentrale internationale Kampagnen und politische Resolutionen zu diskutieren und zu beschließen. Die Entwürfe dazu sollten mehrere Wochen im Voraus vorliegen, so dass sie vordiskutiert werden können. Die Teilnehmerschaft soll möglichst repräsentativ sein, also den existierenden Foren und Organisationen, die in der Bewegung aktiv sind, entsprechen.

Das muss sich auch in Programm und Planung des Forums niederschlagen:

(1) Weniger endlose Vorträge! In den Debatten müssen die verschiedenen Flügel der Bewegung repräsentiert sein und verschiedene Strategien und Ziele - Reform und Revolution - diskutiert werden. In allen Foren muss dem Publikum ausreichend Zeit gegeben werden, zu intervenieren.

(2) Mehr Seminare, Workshops und Möglichkeiten für spontane Treffen, um zentrale Themen des internationalen Kampfes diskutieren und die praktische Vernetzung der Arbeit voranbringen zu können.

(3) Jugendliche, Frauen, ImmigrantInnen und rassistisch Unterdrückte müssen sich eigenständig organisieren können!

Die Sozialforen stehen vor einem Scheideweg: entweder werden sie zu Aktionszentren- oder sie werden zu Quatschbuden verkommen!

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Nr. 80, Mai 2003

*  Gegen Agenda 2010: Massenstreik!
*  Rot/Grüner Generalangriff: Krieg nach Innen
*  Öffentlicher Dienst Berlin: Verhandeln bis zum Tod
*  Heile Welt
*  Antikriegsbewegung: Bilanz und Perspektiven
*  Der Krieg und die Antideutschen: Proimperialistische Linke
*  Kampf der Besetzung des Irak!
*  Mai 1968: Alles war möglich
*  Europäisches Sozialforum: Fighten oder Faseln?
*  Vorwärts zur Fünften Internationale!