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kanalB-Video zum ESF in Florenz ist erschienen*

Nie wieder herkömmliches Fernsehen

Lukas Panzer, Neue Internationale 77, Februar 2003

Lange war es angekündigt, endlich ist es da, das neue Video von KanalB, einer kleinen Videoaktivistengruppe aus Berlin. Auf der rund 40minütigen Ausgabe sind drei kürzere Dokus zum Anti-Hartz-Bündnis in Berlin, der Friedensbewegung in den USA und der Situation der PalästinenserInnen in Hebron.

Der Hauptbeitrag behandelt das Europäische Sozialforum in Florenz. KanalB funktioniert als offenes Kollektiv und versteht sich als Teil der sozialen und politischen Proteste auf dieser Welt. Die politisch heterogene Gruppe begann im engeren Sinne unpolitisch mit kleinen selbstproduzierten Trashfilmen und Subkultur-Musikvideos. Vor drei Jahren erschien die erste VHS-Kasette unter dem Label KanalB.

Damals mit Beiträgen wie "Prominente über den Dächern Berlins", "Echte Männer" oder "Wintergarten". Die Idee zum eigenen Videolabel kam aus den USA bzw. England wo Videoaktivismus wesentlich verbreiteter ist als in Deutschland und teilweise über Sponsoren auch kommerziell genutzt wird.

Die eigentliche Politisierung der Videoausgaben entwickelte sich über Dokus zu politischen Ereignissen wie den Ausschreitungen am Ersten Mai in Berlin oder der IWF-Tagung in Prag.

Bei den Dokus wird versucht ohne Off-Ton, d.h. ohne kommentierende Hintergrundstimme auszukommen. Statt dessen werden die Ereignisse aus Statements der AktivistInnen bzw. kurzen Orts- oder Zeiteinbeldungen erklärt. Diese direkte Methode der Berichterstattung versteht sich auch als Kritik an einer herkömmlichen, bürgerlichen TV-Realität in der die Interviewten zu verzerrten Statisten des Kommentators degradiert werden.

Eine Direktheit die v.a. bei Dokus wie der Spezialausgabe zum G-8 Treffen in Genua gut funktioniert. Es ist nicht verwunderlich, dass es sich dabei um das bislang erfolgreichste und bekannteste Video handelt.

Aber diese Methode funktioniert nicht immer. Das Genua-Video lebt von starken Bildern. Bilder, die keinen Kommentar brauchen, weil sie eindeutig sind. Die Methode funktioniert auch dort wo die Interviewten selbst eine genügend kritische Einschätzung abgeben und so den kommentierenden Redakteur ersetzten.

So ist der Clip zum Anti-Harz-Bündnis sicher der stärkste Beitrag auf der aktuellen Ausgabe und zwar nicht wegen der Bilder, sondern wegen der kritischen politischen Selbsteinschätzung der Befragten. Der Beitrag aus Hebron beschreibt die alltägliche Perversion der israelischen Besatzung in Palästina. Leider bleibt die Frage einer möglichen Lösung des Konflikts offen. Vielleicht dokumentiert dies aber auch eine aktuelle Ratlosigkeit der Produzenten.

Beim Florenz-Beitrag gibt es nur wenige spektakuläre Bilder und keine Statements, die das ESF als ganzes politisch einschätzen.

In der Doku werden lediglich vier Themenblöcke kommentarlos aneinander gereiht. Der Betrachter erfährt, dass es ein Gegenforum der Dissobidienti zum offiziellen Sozial-Forum gab. Es werden Veranstaltungen des Forums gezeigt, unter anderem auch eine von Arbeitermacht/LRKI mit Zanon-Arbeitern aus Argentinien und eine No-Sweat-Veranstaltung der Jugendgruppe Revolution. Es gibt Bilder vom ESF-eigenen Medienzentrum, das ein eigenes TV-Programm produzierte und schließlich von der Abschlussdemo mit einer Million TeilnehmerInnen, die friedlich durch die von der Berlusconi-Presse aufgehetzte, verbarrikadierte Stadt zog.

Es wird aber nicht erklärt, warum es ein Gegenforum gab. Die dahinterliegenden politischen Differenzen, die u.a. auch mit der deutlichen Verbreiterung der Bewegung zu tun haben, werden unbewusst ausgeklammert.

Es wird nicht erklärt, was es bedeutet, dass sich plötzlich Massenorganisationen wie die Refundacione Communista und verschiedene Gewerkschaften gezwungen sehen, aktiv an der Bewegung zu beteiligen. Es wird nicht thematisiert, was das für alle, die wollen, dass die Bewegung nicht unter den eingesessenen Ärschen ihrer bürokratischen Führungen einschläft, bevor sie überhaupt wirklich begonnen hat, sich zu entfalten bedeutet.

Florenz war ein Meilenstein der antikapitalistischen Bewegung. Es hat aber auch gezeigt, dass der wirkliche politische Kampf, um die Köpfe und Strategien der Bewegung erst begonnen hat.

Die Kameraleute und SchnittmeisterInnen von KanalB sind nicht nur außenstehende Betrachter, sondern selbst Akteure. Sie sind Teil der Proteste, Aktionen und Initiativen. Das ist ja gerade das Schöne, Wertvolle und Schwierige an den Beiträgen von Videogruppen wie KanalB.

Das Florenz-Video ist vielleicht Opfer der eigenen in diesem Fall zu rigide angewandten Methode der Berichterstattung und wird dadurch das Gegenteil von dem, was es will - unpolitisch.

Doch trotz aller Kritik leistet das Video einen guten Querschnitt und gibt zumindest einen gewissen Eindruck von der gigantischen Atmosphäre beim ESF in Florenz. Eine Atmosphäre, die jedem und jeder 7 Euro 70 wert sein müsste.

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Nr. 77, Februar 2003

*  Krieg den Kriegstreibern! Nieder mit dem Imperialismus!
*  Aufgaben der Anti-Kriegsbewegung: Verteidigt den Irak!
*  Friedensengel? Fünf Fragen zur UNO
*  Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit: Allheilmittel Grundeinkommen?
*  Tarifrunde im Öffentlichen Dienst: Wenig mehr als Nichts
*  Frauen in Afghanistan: Frieden ohne Freiheit
*  Venezuela: Ein reaktionärer Generalstreik
*  Resolution: Sozialforen und Neue Internationale
*  Antikapitalismus: Braucht die Bewegung eine Partei?
*  kanalB: Nie wieder herkömmliches Fernsehen