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Kampf gegen Frauenunterdrückung

Abtreibungsverbot in Polen

Aventina Holzer, Neue Internationale 209, Mai 2016

Am 3. 4. 2016 gingen in Warschau tausende Menschen vor dem polnischen Parlament auf die Straße. Einige hielten Kleiderbügel aus Draht in die Höhe. Der Grund dafür ist die geplante Einschränkung des bereits sehr restriktiven Abtreibungsrechts. Die Regierungschefin, Beata Szydlo, hatte einige Wochen davor angekündigt, das BürgerIinnenbegehren „Stoppt Abtreibung“ zu unterstützen, welches auch einige polnische Bischöfe hinter sich sammelt.

Restriktives Abtreibungsrecht

Seit 1993 gelten in Polen als triftige Gründe für Abtreibung nur eine Bedrohung des Körpers oder des Lebens der Schwangeren, eine vermutete Missbildung des Fötus und Kinder, die durch Vergewaltigung oder Inzest gezeugt wurden. Diesen frauenunterdrückerischen Normalzustand, der schwangeren Frauen das Recht auf den eigenen Körper abspricht, will die rechtskonservative Regierung noch verschlimmern. Im neuen Gesetzesvorschlag soll nur noch Bedrohung von Leib und Leben der Frau ein Grund für Abtreibung sein. Die Frage ist, was bedeutet eine weitere Verschlechterung für das Leben der Frauen in Polen?

Vor 1990 betrug die durchschnittliche Abtreibungsrate in Polen über 100.000 pro Jahr, bis 1999 ging diese Zahl auf 151 im Jahr zurück (http://www.svss-uspda.ch/de/facts/polen.htm, aufgerufen 11.4.2016). Das heißt aber nicht, dass ungewollte Schwangerschaften tatsächlich weniger geworden sind. Die polnische „Föderation für Frauen und Familienplanung“ schätzt die jährlichen illegalen Abtreibungen auf mindestens 80.000 bis 200.000 (ebenda). Ein weiterer Grund für die geringe Zahl ist, dass viele öffentliche Krankenhäuser jeden Eingriff, selbst wenn er legal ist, verweigern. Im letzten Jahr wurden ungefähr 900 legale Abtreibungen registriert; vielen Frauen blieb  eben nur eine Abtreibung im Ausland übrig.

Doch die damit verbundenen Kosten sind bei weitem nicht für jede Person tragbar und als letzte Option bleibt hiermit nur noch, eine illegale Abtreibung vornehmen zu lassen. Hier wird nun klar, warum beim Demonstrationszug einige (vor allem junge Frauen) symbolisch die Kleiderbügel erhoben: als drastisches Symbol für illegale Abtreibungen vor Urzeiten. Diese Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts auf den eigenen Körper ist unvereinbar mit tatsächlichen „liberalen“ Vorstellungen von Frauenbefreiung. Nicht nur das: Wie vorher anhand der Zahlen demonstriert, werden Abtreibungen durch Illegalisierung nicht weniger, sie werden nur gefährlicher. Frauen, die jetzt keine oder wenig gesetzlich akzeptierte Möglichkeiten haben, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, wenden sich eben an Menschen, die trotzdem bereit sind, diesen Eingriff vorzunehmen. Ein Schwangerschaftsabbruch birgt natürlich viele Risiken, und wenn die Ärzte bzw. Ärztinnen keine mehr vornehmen dürfen, steigt das Risiko, dem eigenen Körper durch schlechtere Behandlung zu schaden, gewaltig.

RAZEM (dt.: gemeinsam) ist ein neues Parteiprojekt, das hinter den Protesten steht. Es besteht seit Mai 2015 und wird oft mit der linkspopulistischen Podemos aus Spanien verglichen. Nicht nur in Polen sorgte die Verschärfung des Abtreibungsrechts für Empörung. Die von der sozialdemokratischen RAZEM organisierten Proteste sind ein Zeichen der Entrüstung. Die vor allem von Seiten der Linken in Europa kommende Solidaritätswelle äußerte sich in den letzten Wochen durch Kundgebungen und Aktionen, so auch in Wien vor der polnischen Botschaft.

Einfluss der Kirche

Wie bereits erwähnt, hat die drohende Verschärfung des Rechts auf Abtreibung große Unterstützung aus katholischen Kreisen. Die Bischofskonferenz in Polen erklärte, sie setze sich für den „vollen rechtlichen Schutz für ungeborenes Leben ein“. An dem Tag,  an dem eine Vielzahl von AktivistInnen auf die Straße ging, um laut für das Recht auf Abtreibung einzustehen, verlasen unzählige Priester in der Sonntagsmesse ein Unterstützungsschreiben, in dem die seit 1993 geltenden Regelungen für Abtreibungen als ein untragbarer Kompromiss dargestellt wurden.

„Prawo i Sprawiedliwosc“, auf Deutsch „Ordnung und Gerechtigkeit“, ist seit 2015 stimmenstärkste Partei in Polen. Sie gewann die Parlamentswahlen mit 37,6%. Charakterisiert wird sie häufig als national-konservative Partei, die als „Stimme der Kirche“ gilt. Trotz der verbalen Befürwortung des Bürgerbegehrens von Seiten des Vorsitzes der PiS soll bei einer Abstimmung rund um diese Frage kein Fraktionszwang bestehen.

Recht auf Abtreibung!

Natürlich muss jede weitere Einschränkung des Rechts auf Abtreibung verhindert werden, jedoch ist selbst die bis jetzt bestehende Gesetzeslage keinesfalls eine zu befürwortende. Eine prinzipielle Forderung muss die nach grundsätzlich legaler und für alle Frauen zugänglicher Möglichkeit auf Abtreibung sein. Dabei darf es auch keine finanziellen Hürden geben, was bedeutet, Gratis-Abtreibungen auf Krankenschein auf Wunsch der betroffenen Person, das Recht auf Abtreibung muss gesellschaftlich durch die öffentliche Gesundheitsversorgung sichergestellt sein. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper muss eine Selbstverständlichkeit sein, bei der der Schutz der Frau und ihre eigene Entscheidung im Vordergrund steht. Dafür und gegen die Bedrohung für Körper und Leben der Betroffenen durch Verbot von Abtreibungen einzutreten, ist eine Selbstverständlichkeit. Eine wirklich selbstbestimmte Art, mit ungewollten Schwangerschaften umzugehen, kann nur erkämpft werden gegen die konservativen Moralvorstellungen von Kirche, Rechtsparteien und 'pro-life' Initiativen, die außerhalb von Kirche und deren Institutionen agieren.

Gegen Alle, die Frauen das Recht auf ihren Körper absprechen wollen und das hinter banalen Parolen und Pro-Life Rhetorik verstecken.

Für das allgemein geltende Recht auf Abtreibungen für Frauen und Mädchen, kostenlos und diskret!

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Nr. 209, Mai 2016
*  Erster Mai: Klassenkampf. Befreiung. Revolution
*  Drohende Entlassungen: Schatten der kommenden Krise
*  VW-Krise: Wer wischt den Schmutz weg?
*  GewerkschafterInnenaufruf: Für eine anti-rassistische Kampagne in den Betrieben
*  Jugend gegen Rassismus: Wie weiter nach dem Aktionstag?
*  Schulstreik: Wie geht's weiter an deiner Schule?
*  China vor 50 Jahren: Die sogenannte "Kulturrevolution"
*  Britannien: Großdemos gegen Tory-Politik
*  Kampf gegen Frauenunterdrückung: Abtreibungsverbot in Polen
*  Brasilien: Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg - der Kampf geht weiter!
*  Präsidentschaftswahlen in Österreich: Politisches Erdbeben mit Ansage