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Lafontaine für begrenzten Flüchtlingszuzug

Sozialchauvinismus in Reinkultur

Jürgen Roth, Neue Internationale 205, Dez. 15/Jan. 16

Eine Verschärfung rassistischer Gesetze jagt die andere. Die Bundesregierung hat weitere Einschränkungen des Asylrechts beschlossen: Aufnahmeeinrichtungen, verschärfte Residenzpflicht, Erschwerung des Familiennachzugs, Einführung eines einheitlichen Flüchtlingsausweises, Erleichterung von Abschiebungen, Zugang zu Integrationskursen schon bei Verfahrensbeginn, aber nur bei „guter Bleibeperspektive“, also z.B. nicht für AfghanInnen.

Schweden und Dänemark haben ihre Grenzen dicht gemacht, Slowenien und Mazedonien mit dem Bau von Grenzhindernissen begonnen. Die EU hat mit der Türkei und afrikanischen Ländern Abkommen geschlossen, um die Wanderungsbewegungen aus diesen Ländern einzudämmen. Auch EU-Ratspräsident Tusk bekräftigt, die Außengrenzen abriegeln zu wollen. Besonders Griechenland wird für sein diesbezügliches „Versagen“ gerüffelt und mit dem Management der griechischen Außengrenzen durch Frontex gedroht. Die nächste Runde im Kampf gegen die Geflüchteten ist eingeläutet.

Das Bundesinnenministerium setzt zur „Überraschung“ der ahnungslosen Regierung den Familiennachzug aus Syrien aus. CSU und weite Teile der CDU fordern Obergrenzen bei den Einwanderungszahlen. Die SPD möchte diesen offensichtlichen Verstoß gegen das Asylrecht, das kein Zuzugslimit kennt, nicht mitmachen und fordert statt dessen Einwanderungskontingente. Das klingt humaner, mit dem Grundgesetz kompatibler, stößt aber auf die Praxis tatsächlich immer weiter eingeschränkter Einreisemöglichkeiten. In der BRD legal Asylanträge zu stellen, ist nämlich schon seit 1993 de facto außer Kraft gesetzt.

In dieser Situation meldet sich der saarländische Linksfraktionschef Oskar Lafontaine zu Wort und fordert, „den Zuzug von Flüchtlingen in Europa (!) zu begrenzen, um den Familiennachzug in die Bundesrepublik aufrechterhalten zu können. (...) Daher sei eine gerechtere Verteilung der Asylsuchenden in Europa nötig. (...) zudem eine bessere Unterstützung der reichen Länder für die Flüchtlingsunterbringung außerhalb Europas“. Er nannte außerdem den sozialen Frieden einen  Schlüssel „für die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung“. Kosten für die Unterbringung dürften „nicht diejenigen tragen, die ohnehin schon benachteiligt sind, nämlich die Geringverdiener, Arbeitslosen, Rentner und Familien“. (Neues Deutschland, 10.11.15)

Sozialrassismus

In dieser Aussage sind alle Ingredienzien des Giftcocktails aus Regierungspolitik und weitergehenden rechten Vorstellungen (Obergrenzen) enthalten. Die „soziale“ Beigabe zum Cocktail des Linksparteifürsten entstammt der Schublade „Sozialer Frieden heißt: die Armen dürfen  nicht belastet werden.“ Was ist die Demagogie dabei? Dass „die Reichen“ zahlen sollen. Welche Bevölkerungsgruppe diese umfassen soll und um wie viel diese zur Kasse gebeten werden darf, bleibt rätselhaft. Sicher ist nur: die Ärmsten der Armen - die Flüchtlinge - müssen sicherlich „zahlen“: durch Aussperrung aus der Festung Europa! Das ist eben Sozialrassismus par excellence.

Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, teilt Lafontaines Position nicht. Er möchte nicht die einen gegen die anderen Refugees ausgespielt wissen. Die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger möchten als Ziel einer EU-weiten solidarischen Lösung der Unterbringung von Schutzsuchenden u.a. ein „Recht der Flüchtenden“ anerkannt wissen, „selber zu entscheiden, in welchem Land sie entweder vorübergehend Schutz suchen bzw. sich mittelfristig niederlassen wollen“. (ND, 10.11.15)

Höhn nennt es nicht „hilfreich, den sozialen Frieden angesichts der aktuellen Situation als gefährdet zu proklamieren“. Das täten „andere“ jeden Tag. Na, dann ist ja alles supergut. Wer solche „Kritik“ erntet, braucht sich um Applaus nicht zu bemühen. Wo „sozialer Frieden“ zum höchsten Gut stilisiert wird, da lässt man die Regierung von oben und AfD und Co. von rechts den Klassenkampf führen! Wo der Bock EU vom Verursacher zum Gärtner einer „Lösung“ der Flüchtlingsfrage gemacht wird, da wird die Funktion des „linken“ Reformismus deutlich: soziale Friedhofsruhe statt dringend notwendigen Klassenkampfs von unten - gerade in der Asylfrage.

Über die Grenze reformistischer Bändigungs- und Integrationspolitik mit dem Ziel der Unterwerfung der organisierten ArbeiterInnenbewegung unter den bürgerlichen Staat, der Zwangsmaschine der Kapitalistenklasse geht auch die zum äußersten linken Parteiflügel zählende Ulla Jelpke in ihrer ND-Kolumne vom 19.9.15 nicht hinaus. Eine Reihe berechtigter Reformvorschläge verbleibt als soziale Flickschusterei innerhalb des geltenden Migrationsregimes oder als frommer Wunsch, wenn sie gipfelt in Forderungen nach „fairen und bescheunigten Asylverfahren“ und der ach so „treffenden“ Bemerkung „das Asylrecht steht nicht unter Kostenvorbehalt“. Der Kopf in „sozialer Wolkenrepublik“ versperrt die Sicht auf die einzige Lösung: Weg mit der Asylsondergesetzgebung, für offene Grenzen!

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Nr. 205, Dez. 15/Jan. 16
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