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G7, Ökologie und Umweltbewegung

Heiße Luft

Jürgen Roth, Neue Internationale 200, Juni 2015

Die G7 setzen nicht nur die verheerende Krisenpolitik auf dem Rücken der weltweiten ArbeiterInnenklasse und Kleinbauernschaft um, sondern ruinieren auch die natürlichen Ressourcen: Boden, Wasser, Luft, Artenvielfalt usw. Wir wollen uns hier mit der Frage des Erdklimas beschäftigen. Die überwältigende Mehrzahl aller KlimawissenschaftlerInnen geht davon aus, dass v.a. durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) die globale Durchschnittstemperatur - möglicherweise bald irreversibel - ansteigt.

Kyoto 1997: Klimaimperialismus

Äußerst bescheidene Klimareduktionsziele legte diese Konferenz seinerzeit für die G7 fest. Sie wurden alle nicht erreicht. Die USA - allein für ein Viertel der produzierten Treibhausgase verantwortlich - weigerten sich unter Verweis auf China und Indien, zunächst das Abkommen zu unterzeichnen. Ratifiziert haben sie es bis heute nicht, nur unterschrieben. Und das, obwohl Emissionen des Verkehrs ausgenommen waren und den G7 großzügiges Entgegenkommen bei der Anrechnung von CO2-Senken (Vegetation, Gewässer) gewährt wurde. Dass das Abkommen von vornherein einen imperialistischen Stempel trug, ist daran zu erkennen, dass nicht für alle Länder ein gleicher Ausstoß pro Kopf ihrer Bevölkerung ausgehandelt wurde, sondern bescheidene Reduktionsziele für die G7: der Emissionsstand von 1990 sollte wiederhergestellt werden.

Umwelt und Marktpreise

Der Reproduktionskreislauf des Kapitals ist grundsätzlich unfähig, den Wert natürlicher Ressourcen wie mancher Formen menschlicher Arbeit zu erfassen (private Hausarbeit für den Eigenbedarf). Wie viel sind ein Kubikmeter Luft, ein Hektar Boden wert, wie viel Arbeitskraft, die sich nicht gegen Lohn/variables Kapital tauscht? Für das Kapital stellen sie zwar unverzichtbare Gebrauchswerte dar, deren Reproduktion es getrost sich selbst überlassen kann.

Natürliche Ressourcen und Lebensgrundlagen müssen aber ebenso wie die lebendige Arbeitskraft wiederhergestellt werden, nur in viel längerem Zeitraum, damit die Natur dauerhaft menschlich bewohnbar bleibt. Einer ruinösen Untergrabung der Arbeitskraft hat der Kapitalismus Schranken gesetzt: Arbeitsschutzgesetze, Verbot von Kinderarbeit, Schwangeren- und Mutterschaftsschutz, um die stetige Nachfuhr neuer Arbeitergenerationen zu garantieren; die allgemeine Schulpflicht, ihre Verlängerung heutzutage sollen den Gebrauchswert und Wert der Arbeitskraft erhöhen.

Ohne diese Maßnahmen ist die Akkumulation, die Produktion auf erweiterter Stufenleiter mittelfristig unmöglich, ohne letzteres besonders die Produktionsmethode des relativen Mehrwertes, der auf ständiger technischer Umwälzung des Kapitalstocks und der erhöhten organischen Zusammensetzung des Kapitals beruht. Selbst diese kurz- bis mittelfristigen Regeln einzuführen erwiesen sich die Einzelkapitale als unfähig: es ist der Staat als ideeller Gesamtkapitalist, der dafür sorgen musste - und auch das flächendeckend nur in den fortgeschrittenen, imperialistischen Industrieländern! Selbst dort unterminiert die lang anhaltende strukturelle Überakkumulationskrise, die uns Neoliberalismus und Globalisierung beschert hat, diese Errungenschaften zu unterhöhlen begonnen: Dauerarbeitslosigkeit, Entwurzelung und in deren Folge erzwungene Arbeitsmigration, zunehmende Segregation des Bildungssystems und Öffnung für einzelne Kapitale. In der 3. Welt hat der Imperialismus für diese Verhältnisse nie gesorgt, sondern nur ein schwachbrüstiges, abhängiges nationales Kapital zugelassen.

Die um ein Vielfaches schwierigere Aufgabe, die Natur nicht als Schatzkammer zu plündern, sondern ihre Wieder- bzw. Neuherstellung für die Zwecke dauerhaften Lebens ins Kalkül, in die Ökonomie der Zeit einzubeziehen - bspw. die Reproduktion von Kohle, Öl und Gas, deren natürliche Herstellung das Zigfache eines Menschenlebens gedauert hat - dazu ist diese auf dem Raubbau an der Erde und am Arbeiter beruhende Produktionsweise, die eben nur auf der Ökonomie der menschlichen Surplusarbeitszeit, auf der Jagd nach dem Mehrwert fußt, vollkommen und inhärent unfähig. Es wird definitiv zu spät für ein Umlenken sein, wenn es den ideellen Gesamtkapitalisten der Zukunft denn überhaupt dämmern sollte, dass ein „New Deal“ viel gewaltigeren Ausmaßes als bei der Beschneidung der Auswüchse frühkapitalistischer Großindustrialisierung notwendig wird.

Natürlich können durch den Widerstand von Massenbewegungen und durch die kostengünstigere Produktion bei Umstellung auf andere Technologien auch im Kapitalismus zeitweilige Verbesserungen durchgesetzt werden - doch eben nur vor dem Hintergrund eines insgesamt von den Akkumulationserfordernissen des Kapitals bestimmten, irrationalen Gesamtsystems. Selbst die allermeisten G 7-Gegner verwechseln jedoch solche Reformen oder ihre Ökoflickschusterei mit Ursachenbekämpfung.

Ökoliberalismus

Ein Großteil der Umweltschutzbewegung ist längst ins Lager des Neoliberalismus übergelaufen, zur Anhängerschaft des „grünen“ Kapitalismus mutiert (NGOs, GRÜNE…). Der Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten, eine ihrer „Waffen“, suggeriert ganz in der Denkweise der neoklassischen Wirtschaftstheorie die Möglichkeit der Internalisierung externer Kosten, bis die „Grenzkosten“ von Verschmutzung die „sauberer“ Fabriken überwiegen. Nicht nur dass reine Luft zur Ware gemacht werden soll, durch den Handel mit Emissionszertifikaten an der Börse sogar zum Spekulationsobjekt, sondern v.a. wer löst folgende Rechenaufgabe: „wie viel kostet davon 1 Kubikmeter?“ Antwort: es ist die Übereinkunft der verschiedenen Gesamtkapitale in Form ihrer Staaten, genauer: der imperialistischen, z.B. die G7 in Elmau! Sind pro Tonne CO2 auch die Deichkosten in Bangla Desh enthalten?

Im Prinzip das gleiche Schicksal erleidet die Besteuerung von Umweltfrevlern. Bürgerliche Regierungen, die für ihr Steuereinkommen auf eine florierende kapitalistische Wirtschaft angewiesen sind, dürfen mit Ökosteuern nur herumfuchteln, wenn sie den lohnabhängigen Massen aufgehalst werden. Wo es opportun ist werden die dann auch für andere Zwecke der „Entlastung“ des Kapitals verwendet - z.B. zur Mitfinanzierung der „Arbeitgeber“anteile der Rentenversicherung unter der Regierung Schröder/Fischer.

Förderung von Umweltindustrien statt Schadensvermeidung ist das Mantra von Klärstufen als Beispiele für „end-of-the-pipe“-Technologien, der Recyclingtechnologie Marke „gelber Sack“, des Dosenpfands von Jürgen Trittin, damit wir ihn noch von der FDP unterscheiden konnten.

Über die Wirksamkeit freiwilliger Absprachen spricht das Schicksal des oben erwähnten Kyoto-Protokolls bereits Bände. Wir könnten das einigermaßen konsequente FCKW-Verbot noch addieren. Doch diese Übereinkünfte und Verbote/Gebote sind Relikte aus einer vergangenen Periode, als die Gegensätze zwischen den imperialistischen Blöcken längst nicht heutiges Ausmaß angenommen hatten und trotzdem erfolglos (Kyoto). Die relativ erfolgreiche Reduzierung des Ozonloches war zudem eine kleine Nummer im Vergleich zu den erforderlichen Einschnitten beim fossilen Energiekomplex.

Einige Staaten setzen durchaus auf erneuerbare Energieträger (China, BRD), weil es ihnen an einer eigenen Rohstoffbasis mangelt, China als Atommacht im Unterschied zu Deutschland aber auch auf AKWs.

Das deutsche Feigenblatt namens „Energiewende“ leidet außer an jeder Menge irrationaler und bürokratischer Züge v.a. an einem unüberwindbaren Manko: sie muss massiv subventioniert werden, um am Strommarkt konkurrenzfähig zu sein. Diesen „Luxus“ wird sich keine kapitalistische Regierung auf Dauer leisten können, auch wenn die Privathaushalte und das Kleingewerbe die Kosten für die stromverbrauchsintensiven Teile der Großindustrie einstweilen tragen. Rührige Verbände wie der der Windenergiebetreiber Mecklenburg-Vorpommerns mögen die ökologischen Halbherzigkeiten der Regierung Merkel beklagen und als Ursache fehlenden politischen Gestaltungswillen bei der Einflussnahme auf die Strommarktpreise beklagen: sie verwechseln den Schwanz mit dem Hund. Dies sollten erst recht nicht Ökoliberale tun, die auf die neoklassischen Lehren schwören.

Die radikalen UmweltschützerInnen

Autonome GegnerInnen stellen sich den Castor-Transporten in den Weg, errichten „befreite“ Zonen (Zeltdörfer, Baumhütten), legen hier und da mal eine Oberleitung flach: dadurch wird aber das Problem der Beseitigung bzw. wenigstens möglichst sicheren Lagerung von Atommüll um kein einziges Becquerel geringer. Radikal sind hier militante Taktiken, nicht ein Programm, das strategische Ziele.

Ökolibertäre und AnarchistInnen planen den Ausstieg in dezentralen Netzwerken „grüner“ Energie, als sei die kapitalistische Umweltvernichtung wie das System selbst ein Luftballon, der, allmählich mit „grünem“ Gas gefüllt, zum Platzen gebracht werden kann. Ein Umzug in selbstversorgende Landkommunen mag ihnen vorkommen wie die Abschaffung des Lohnarbeitsverhältnisses.

Oft tragen diese Ausstiegskonzepte noch zusätzlich ausgesprochen reaktionären Charakter wie die Kritik an der „Industriegesellschaft“, der mittelalterlicher Pferdepflug und ehrbares Handwerk als Vorbilder gegenübergestellt werden.

Individueller Verzicht wird von anderen AusstiegsideologInnen als Mittel der Wahl empfohlen. Diese pfäffische Aufforderung zur „Umkehr in Buße“ ist nicht nur eine Neuauflage der Mär, dass im Kapitalismus „Der-Kunde-ist-König“ sei, sondern eine Verhöhnung der massenhaften Opfer der Verarmungsorgien des Systems. Imperialismus bedeutet tatsächlich Armut, Elend, Hunger für Millionen, wenn nicht Milliarden - und ein globales, anti-kapitalistisches Programm muss natürlich auch ein Programm der Erweiterung der Produktion ganzen Regionen der Welt sein.

Für „Ökosozialisten“ wie Klaus Engert sind Demokratie, Entschleunigung, Dezentralisierung/dezentrale Techniken und Regionalisierung von Verbrauch und Herstellung die Formeln zur Lösung des Problems. Er möchte den „Staat als Staatsapparat, der die sozialen Angelegenheiten von oben regelt“ ersetzen durch den „Staat als Gemeinschaft der Weltbürger, vernetzt und in mehr oder weniger großen Zusammenhängen selbstverwaltend lebend“. (Ökosozialismus - das geht!, S. 123 f.)

Über den Klassencharakter des Staates, die Notwendigkeit eine sozialistischen Revolution schweigt sich Engert aus.

Dabei geht es gerade darum. Die „Umweltfrage“ ist mit der Klassenfrage unlösbar verbunden. Der Kapitalismus untergräbt nicht nur die Grundlagen für seine Entwicklung - die menschliche Arbeitskraft und die Natur. Er bringt auch die Basis die Lösung des Problems hervor, die Basis für eine Verbindung von Industrie, Agrikultur und ein rationale Gestaltung des Mensch-Natur-Verhältnisses.

Dafür ist aber die sozialistische Umwälzung kein Beiwerk, sondern Voraussetzung. Nur auf der Basis der Herrschaft der ArbeiterInnenklasse und der Etablierung einer an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientierten Planwirtschaft kann auch eine Wirtschaft etabliert werden, die die Reproduktion der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit zu sichern vermag.

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Nr. 200, Juni 2015
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